Das Investment: Paul Stanfield: „Von einem Beraterschwund kann keine Rede sein“

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 SJB | Korschenbroich, 31.03.2014. 2013 trat in Großbritannien Provisionsverbot für Investmentfonds und Altersvorsorge-Produkte in Kraft.

Paul Stanfield, Generalsekretär des britischen Beraterverbands Federation of European Financial Advisers and Intermediaries (FECIF) fasst die Vor- und Nachteile der Regulierungsmaßnahme zusammen und erklärt, warum sie sich in Deutschland in näherer Zukunft wohl nicht durchsetzen würde.

DAS INVESTMENT.com: Wie hat die Öffentlichkeit auf das Provisionsverbot reagiert?

Paul Stanfield: Gar nicht. Das breite Publikum hat das Provisionsverbot nicht registriert. Kein Wunder: Anlageberatung zählt nicht gerade zu den beliebtesten Themen britischer Bürger. Von den Kunden, die sich aktiv mit dem Thema beschäftigen, kamen hingegen überwiegend positive Rückmeldungen: Die Objektivität der Anlageberatung wurde gelobt, das Vertrauen in die Berater stieg.

Und die Berater-Branche?

Stanfield: Die reagierte verständlicherweise überwiegend negativ und hatte Panik vor einem Beraterschwund.

Zu Recht?

Stanfield: Nein. Wer wirklich fest als Berater arbeiten wollte, tut es auch weiterhin. Ein paar ältere Semester sind vielleicht etwas früher als geplant in Rente gegangen. Aber von einem Beraterschwund kann keine Rede sein.

Was heißt das in Zahlen?

Stanfield: Im Jahr 2008 waren in Großbritannien 38.750 freie Finanzberater registriert. Mittlerweile sind es rund 33.000. Es sind also gerade einmal 6.000 Berater vom Markt verschwunden – die Mehrzahl davon waren übrigens Bankberater.

Und hat das Provisionsverbot die Beratungsqualität verbessert?

Stanfield: Ja. Die Berater sind mittlerweile besser qualifiziert und beraten objektiver, da ja der Fehlanreiz von Provisionen wegfiel. Im Gegenzug wuchs aber die Beratungslücke.

Was meinen Sie damit?

Stanfield: Nicht alle Menschen können sich das Honorar für eine Finanzberatung leisten. Das betrifft vor allem die Geringverdiener. Wer jeden Monat gerade einmal 50 Pfund auf die Seite legen kann, wird keine 500 Pfund für eine Beratung ausgeben. Außerdem handelt es sich bei Finanzberatung nicht gerade um eine Dienstleistung, die die Kunden von sich aus in Anspruch nehmen. Die typischen Beratungsanlässe sind Veränderungen in der persönlichen Lebenssituation: Heirat, Geburt eines Kindes, Beförderung mit deutlicher Gehaltserhöhung. Da kommt der Wunsch nach einer eigenen Immobilien oder einer Risiko-Lebensversicherung auf. Im Zuge der Beratung zu diesen Produkten hatten die Provisionsberater früher die Möglichkeit, den Kunden auf die Bedeutung von Altersvorsorge hinzuweisen und ihm nebenbei weitere Produkte wie Rentenversicherungen oder Fonds zu verkaufen. Da der Provisionsverbot weder für Immobilienfinanzierung noch für Risiko-Lebensversicherungen gilt, schließen die meisten Kunden diese Produkte immer noch bei einem Provisionsvermittler ab – mittlerweile aber ohne Beratung zu weiteren Produkten.

Gibt es in der Politik Bestrebungen dieses Problem zu lösen?

Stanfield: Ja, sogenannte simplified advice, also vereinfachte Beratung. Diese kann online oder per Telefon stattfinden. Die Regulierungsbehörden arbeiten derzeit Richtlinien und Anwendungsgebiete für diese kostengünstige und effiziente Art der Beratung aus. Allerdings wollen die Behörden voraussichtlich komplexe Produkte aus der vereinfachten Beratung ausschließen. Denn um solche Produkte zu verstehen braucht es eine ausführliche persönliche Beratung. Außerdem zielt die vereinfachte Beratung auf Massenmärkte ab und diese sind mit einfachen Produkten gut bedient. Denn der Durchschnittsverbraucher hat einfache Bedürfnisse: Er will vielleicht eine Wohnung oder ein Haus kaufen und etwas Geld fürs Alter zurücklegen. Und wer etwas mehr Geld hat, kann sich auch eine Honorarberatung leisten.

Wie würden Sie die Vor- und Nachteile des Provisionsverbots in Großbritannien zusammenfassen?

Stanfield: Aus Kundensicht sehe ich den Vorteil in einer höheren Beratungsqualität und Objektivität. Wer sich also eine Honorarberatung leisten kann, bekommt eine qualitativ hochwertigere Dienstleistung als früher – und das oft zu einem günstigeren Preis. Auf der anderen Seite sehe ich viele ehemalige Kunden der Provisionsberater, die kein Geld für ein Honorar haben und daher ganz ohne Anlageberatung auskommen müssen. Die Schere zwischen Arm und Reich ist damit also größer geworden. Ähnliches gilt übrigens für die Berater: Wer gut ist und über eine breite Produktpalette verfügt konnte seinen Marktanteil zulasten kleinerer oder schlechter qualifizierter Berater ausbauen. Mit einem Satz: Gute Berater und reiche Kunden haben vom Provisionsverbot profitiert.

Einige Marktbeobachter rechnen damit, dass Deutschland auf lange Sicht das britische Modell übernimmt. Sie auch?

Stanfield: Man sollte sich der Unterschiede zwischen der britischen und dem deutschen Finanzindustrie bewusst sein. Der britische Finanzdienstleistungsmarkt ist viel reifer als der deutsche. Wir haben bereits 1988 die erste Regulierung eingeführt; die Transparenzregeln gelten in Großbritannien bereits seit den frühen 90er Jahren. Im Vergleich dazu steckt Deutschland noch in den Kinderschuhen. Man sollte also nichts überstürzen. Denn Kundenschutz ist zwar gut und wichtig – aber man darf aus lauter Kundenschutz den Beratermarkt nicht zugrunde richten. Man muss einen Gleichgewicht zwischen qualitativ hochwertigen und für die meisten Kunden erschwinglichen Beratung finden. Denn ohne Beratung klappt auch kein Produktabsatz. Schließlich wacht niemand eines Morgens auf und will unbedingt einen Pensionsplan.

Von: Svetlana Kerschner

Quelle: DAS INVESTMENT.

 

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