SJB | Korschenbroich, 28.10.2014. Nach einer Schwächephase gewinnen die Schwellenländer wieder an Attraktivität. Auch wenn die Sorge um einige Länder anhält und geopolitische Risiken weiterhin bestehen, gibt es Anzeichen, dass sich die Situation bessert, meinen vier Experten von Edmond de Rothschild.
Nach drei schwierigen Jahren ist seit einigen Monaten in den Emerging Markets Besserung in Sicht. Investoren zeigen wieder Interesse, die makroökonomischen Nachrichten sind insgesamt vielversprechend. Auch die Lage in China stabilisiert sich. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe ist im Sommer auf ein 18-Monats-Hoch geklettert. Die Regierung hat einige unterstützende Maßnahmen auf den Weg gebracht, die nun Früchte zu tragen scheinen.
Nichtsdestotrotz gilt es, die mittel- bis langfristige Situation im Auge zu behalten. Wichtige Reformen stehen nach wie vor aus, und Chinas Wirtschaft hängt noch zu sehr an politischen Entscheidungen.
Ein entscheidendes Jahr für Reformen
Einige Schwellenländer haben sich bereits an tiefgreifende Reformen gewagt. Mexiko zum Beispiel hat vor einigen Monaten Strukturreformen – vor allem im Energiesektor – umgesetzt, die das Land wieder auf Kurs gebracht haben.
Die Investoren kommen zurück nach Mexiko, und die gesamtwirtschaftlichen Daten verbessern sich. Das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal war höher als erwartet, vor allem im Bau- und verarbeitenden Gewerbe gab es eine Beschleunigung. Zusätzlich unterstützte die Erholung in den USA die Entwicklung.
Auch in Indien hat die neue Regierung eine Reihe von Reformen gestartet. Sie zielen darauf ab, die Inflation zu stoppen, Arbeitsplätze zu schaffen und ausländische Investoren anzulocken.
Diese lang erwarteten Maßnahmen sollten Indiens Wirtschaft neuen Schwung verleihen. In Indonesien haben die Wahlen ebenfalls eine reformbegierige Regierung hervorgebracht, die dazu beitragen sollte, dass Südostasiens größte Volkswirtschaft wieder auflebt und der Korruption entgegen tritt.
Der Wahlausgang in Brasilien in diesem Monat wird sich signifikant auf den Aktienmarkt auswirken. Ein Sieg des eher marktliberalen Kandidaten Aécio Neves würde sehr wahrscheinlich eine Kursrally brasilianischer Aktien auslösen.
Die Erwartungen wären hoch, dass er mit einer neuen Wirtschaftspolitik und weniger staatlichen Eingriffen die brasilianische Wirtschaft zurück auf den Wachstumspfad bringt.
Einen Sieg der amtierenden Präsidentin Dilma Rousseff hingegen würde der Markt negativ aufnehmen, da dann wahrscheinlich keine größeren wirtschaftlichen Reformen zu erwarten sind.
Die aktuelle wirtschaftliche Lage Brasiliens ist besorgniserregend. Das Land ist im ersten Halbjahr in die Rezession gerutscht. Die Rating-Agentur Moody’s hat jüngst ihren Ausblick von stabil auf negativ gesenkt. Inflation ist immer noch ein Thema. Rousseff wird ihre Amtszeit mit einer schlechten Note im Fach Wirtschaft beenden.
Auch wenn einige Staaten wie Brasilien weiterhin Sorge bereiten und geopolitische Spannungen Unsicherheit verbreiten, so verbessern sich doch in einer ganzen Reihe von aufstrebenden Ländern die Bedingungen.
In den vergangenen sechs Monaten ist das Investoreninteresse gestiegen. Nach Kapitalabflüssen im Jahr 2013 und im ersten Halbjahr 2014 sind wieder Zuflüsse zu verzeichnen. In diesem Umfeld ist es wichtig, selektiv vorzugehen und chancenreiche Investmentthemen und stabile Unternehmen auszuwählen.
Emerging-Markets-Aktien: Grosse Investmentthemen nutzen
Emerging Markets werden von langfristigen Makrotrends angetrieben, die sich deutlich auf ihre Wirtschaft und Industrie auswirken. Diese Trends liefern vielfältige Anlagemöglichkeiten.
Unternehmen, die von den Trends profitieren, weisen gute Gewinnaussichten und Management-Teams von hoher Qualität auf. Einer dieser Trends ist der wachsende Konsum. Die Bevölkerung in den Emerging Markets ist sehr jung, und die Menschen zieht es auf der Suche nach Arbeit in die Städte.
Ihre Kaufkraft nimmt zu und fördert den Konsum. Davon profitieren viele Sektoren wie der Tourismus, Lebensmittelproduzenten oder der Einzelhandel mit seinen Shopping Centern und Supermärkten.
Ein weiteres Thema ist Gesundheit. Bessere Lebensbedingungen führen zu einem starken Anstieg bei den Gesundheitsausgaben. Die Menschen haben neuerdings Zugang zu Hilfsmitteln wie zum Beispiel Kontaktlinsen oder auch zur Komfortmedizin.
Regierungen investieren stark in den Bereich, vor allem in den Bau von Krankenhäusern. Einige Pharmaunternehmen haben sich auf die alternde Bevölkerung fokussiert und eröffnen neuen Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Medikamenten und Behandlungen.
Ein drittes Thema ist die Umwelt. Aufstrebende Länder haben mit ökologischen Problemen zu kämpfen, die aus dem starken Wachstum der vergangenen zehn Jahre resultieren.
Nachdem sie das Thema lange vernachlässigt haben, erkennen die Regierungen jetzt, dass sie drastische Maßnahmen ergreifen müssen, um die Umweltverschmutzung zu bekämpfen und die Lebensbedingungen zu verbessern. Saubere Energien und die Abwasserreinigung bieten interessante Anlagemöglichkeiten.
Gleichzeitig investieren die Länder Unsummen, um ihre Infrastruktur auszubauen. Die Nachfrage nach Baumaterialien ist in vielen Ländern weiterhin hoch, und es gibt beträchtliche Investitionen in Straßen und städtische Bahnnetze, vor allem in China.
Zu guter Letzt ermutigen das Wirtschaftswachstum und der zunehmende Wohlstand Familien, mehr Geld für Bildung auszugeben, den Schlüsselfaktor für einen sozialen Aufstieg. Dies ist insbesondere in China und Brasilien eine große Herausforderung.
Emerging-Markets-Anleihen: Gute Anlagemöglichkeiten in Staatsanleihen …
Der Anleihemarkt in den Schwellenländern ist seit Jahresanfang kräftig gestiegen. Der JPM EMBI Global Hedged (EUR) Index hat bis Ende August um 9,9 Prozent zugelegt. Abweichend vom Konsens hatten wir seit dem vergangenen Herbst eine positive Meinung zu Schwellenländeranleihen.
Wir hielten sie für attraktiv bewertet und die technischen Faktoren für insgesamt aussichtsreich. Wir rechneten damit, dass der Markt im Gesamtjahr 2014 um 5 bis 10 Prozent zulegt. Somit hat er sich bisher besser entwickelt, als von uns erwartet.
Vor allem zwei Gründe trugen zur guten Performance bei: zum einen die niedrigeren US-Anleiherenditen aufgrund der verzögerten Erholung im ersten Halbjahr, die Unterstützung durch die Notenbank Fed und eine anhaltende niedrige Inflation.
Zum anderen halfen die attraktiven Risikoaufschläge der Schwellenländeranleihen und die vorteilhafte Positionierung der Investoren. Es gab viele Gründe zur Sorge, die den Kursanstieg hätten stoppen können, insbesondere die politischen Risiken, die mit den Wahlen in einigen Schwellenländern einhergingen sowie die geopolitischen Risiken in der Ukraine, dem Irak und dem Mittleren Osten.
Diese Risiken bestehen immer noch, aber der Markt hat sich vor allem dank der technischen Faktoren als stabil erwiesen. Der Gesamtmarkt hat bis Jahresende durchaus noch Aufwärtspotenzial, allerdings erwarten wir nur einen begrenzten Anstieg nach den Kurssteigerungen der vergangenen Monate.
Langfristig sind die Aussichten für den Markt sehr gut, und es gibt immer noch Anlagemöglichkeiten, unabhängig vom Umfeld. Jedes Jahr hängt die Outperformance im Markt der Schwellenländeranleihen an einigen spezifischen Themen. Zurzeit sind wir stark von Venezuela und der Ukraine überzeugt.
… aber auch bei Unternehmensanleihen
Der Unternehmensanleihemarkt in den Schwellenländern hat sich in den vergangenen zehn Jahren enorm gewandelt. Er ist mittlerweile stark diversifiziert. Seit einigen Jahren – und auch in diesem Jahr – ist das Neuemissionsvolumen von Unternehmensanleihen höher als das von Staatsanleihen.
Es gibt jetzt Emissionen mit einem Volumen von mehr als 1 Milliarde US-Dollar, das war vor einigen Jahren noch undenkbar. Das Universum ist vielfältig und bietet Zugang zu zahlreichen Sektoren und Unternehmen jeder Größe, in welcher Region auch immer.
Unser Anlageteam sucht nach neuen Wachstumssektoren in einer Region oder einem Land und investiert dann in die Unternehmen mit den besten Fundamentaldaten und den größten Chancen darauf, ihre Schuldenquote langfristig abzubauen.
Ein gutes Beispiel ist Brasiliens Landwirtschaft. Die Nachfrage nach Nahrung in den Emerging Markets boomt, da die Bevölkerungen wachsen und sich die Lebensbedingungen verbessern.
Zwei unserer Positionen, JBS und Marfrig, sind führend im globalen Agrarsektor. Beide Unternehmen sind stetig gewachsen und haben dabei ihren Verschuldungsgrad und ihr Kredit-Rating verbessert. Zudem haben sie kürzlich Zukäufe getätigt.
Im Agrarsektor sehen wir ebenfalls Chancen in anderen Regionen, zum Beispiel in einem der weltweit größten Geflügelzüchter in der Ukraine oder einem Zuckerproduzenten in Peru.
Russland ist ebenfalls eine unserer Positionen, von der wir stark überzeugt sind. Die Ukraine-Krise zieht sich in die Länge, und Investoren halten sich von der russischen Wirtschaft fern.
Die Renditen sind zurzeit sehr attraktiv, insbesondere unter Berücksichtigung der Ratings. Russische Anleihen haben stark gelitten, aber wir glauben, dass sie zu einer Bewertung zurückkehren, die ihre Fundamentaldaten besser widerspiegelt.
Über Autoren: Philippe Uzan ist Investmentchef von Edmond de Rothschild Asset Management; Thomas Gerhardt ist Leiter des Teams für Schwellenländer und Rohstoffe von Edmond de Rothschild Asset Management in Frankreich; Jean-Jacques Durand ist Fondsmanager für Schwellenländerwährung und -kredite bei Edmond de Rothschild Asset Management in Frankreich und Stéphane Mayor ist Fondsmanager für Schwellenländer-Unternehmensanleihen bei Edmond de Rothschild Asset Management.
Von: Philippe Uzan, Thomas Gerhardt, Jean-Jacques Durand, Stéphane Mayor
Quelle: DAS INVESTMENT.