SJB | Korschenbroich, 27.10.2014. Die Weltwirtschaft soll im nächsten Jahr stärker als im laufenden zulegen, meint Dietmar Wiggermann-Watermann, Geschäftsführer der Althoff, Wiggermann & Cie. Vermögensmanagement in Hofheim am Taunus.
Für viele überraschend fand die konjunkturelle Erholung in Europa im dritten Quartal augenscheinlich bereits ihr vorläufiges Ende. Nachdem die deutsche Wirtschaft als bisherige Konjunkturlokomotive im Euroraum schon zur Jahresmitte mit einem Negativwachstum von minus 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal überraschte, haben die hiesigen konjunkturellen Frühindikatoren ihre Abwärtsbewegung bis zuletzt weiter fortgesetzt und somit den Hoffnungen auf eine schnelle Erholung einen nachhaltigen Dämpfer versetzt.
In den kommenden Monaten muss sich zeigen, ob damit bereits ein zyklischer Abschwung eingeleitet wurde, oder ob es sich lediglich um eine „Midlife-Crisis“ im fortgeschrittenen Konjunkturzyklus handelt.
Nach den aktuellen Prognosen des IWF bleibt China auch in 2015 mit einem nur leicht verlangsamten BIP-Zuwachs von knapp über 7 Prozent auf strammem Wachstumskurs, und auch die USA dürften mit über 3 Prozent erneut einen deutlichen Wachstumsbeitrag leisten.
Insgesamt soll die Weltwirtschaft 2015 um 3,8 Prozent zulegen, und damit etwas stärker als im laufenden Jahr, wo ein Zuwachs von 3,5 Prozent erwartet wird. Nach dem überaus kräftigen Kursanstieg der internationalen Aktienmärkte in den vergangenen Jahren wundert es angesichts der aktuell eingetrübten Wachstumsaussichten nicht, dass die Aufwärtsentwicklung zunächst einmal durch Gewinnmitnahmen und ein nachlassendes Kaufinteresse ins Stocken geraten ist.
Dies gilt insbesondere für Europa und hier wiederum besonders ausgeprägt für deutsche Unternehmen, deren Ertragserwartungen besonders stark unter der vorangegangenen Stärke des Euro gelitten haben.
Der diesjährige Höchststand beim Dax mit 10.000 Punkten wurde daher bereits im zweiten Quartal markiert. Im Gegensatz zu den US-Märkten wurden diese Höchststände zuletzt nicht mehr erreicht, und zum Ende des dritten Quartals waren die im laufenden Jahr zunächst aufgelaufenen Kurszuwächse des Dax bereits vollständig aufgezehrt.
Dagegen zeigten sich die US-Märkte im abgelaufenen Quartal mit tatkräftiger Unterstützung der weiterhin positiven Konjunkturdaten zunächst stabil und erreichten sogar zeitweilig neue historische Bestmarken. Der S&P 500 notierte zum Ende des dritten Quartals um 8,3 Prozent über dem Niveau vom Jahresbeginn.
Trotz der bereits kräftigen Abwertung des Euro hält der Druck auf die Währung weiterhin an. Einerseits ist der Konflikt an der ostukrainischen Grenze noch keineswegs gelöst, andererseits lasten die Renditenachteile am Renten- und Geldmarkt ebenfalls wie Blei auf dem Außenwert.
Ausblick für die Finanzmärkte: zwei denkbare Szenarien
Da die konjunkturellen Aussichten derzeit alles andere als sicher einzustufen sind, macht es Sinn, zwei mögliche Szenarien für die anlagestrategische Einschätzung zu Rate zu ziehen.
In einem Szenario A (die für uns wahrscheinlichere Variante), welches nur eine zeitlich begrenzte Wachstumsdelle in Europa mit einer nur unwesentlichen Verlangsamung der Weltkonjunktur unterstellt, stehen unseres Erachtens die Chancen für eine mittelfristige Fortsetzung der Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten gut, wobei in diesem Fall die europäischen Märkte – insbesondere unter Berücksichtigung der derzeit schwachen Euro-Tendenz – über ein vergleichsweise hohes Nachholpotential verfügen.
Die Verlierer wären in diesem Fall im Rentenbereich zu finden, wo die Renditen steigen und damit für Kursverluste sorgen würden. Gewinner wären dagegen die Rohstoffe.
Als kritisch für die Aktienmärkte wäre dagegen aus unserer Sicht ein Szenario B einzustufen, welches ein Abgleiten der Weltkonjunktur in eine Rezession unterstellt.
Trotz der derzeit alles in allem fairen Aktienmarktbewertungen würde dies insbesondere Dividendenwerte über die dann einsetzenden kräftigen Gewinnreduzierungen deutlich in Mitleidenschaft ziehen.
Profitieren würden auf der anderen Seite zwar erneut die Rentenmärkte, aber angesichts der derzeit historisch niedrigen Niveaus wäre diese kaum in der Lage, hier einen hinreichenden Ausgleich für die Verluste an den Aktienmärkten zu erreichen.
Ebenso dürften die Preise an den Rohstoffmärkten weiter unter Druck bleiben und so als potentielle Anlagealternative ausfallen. Es bleibt also spannend, in welche Richtung das konjunkturelle Pendel letztlich ausschlagen wird.
Von: Dietmar Wiggermann-Watermann
Quelle: DAS INVESTMENT.