Italien hat gewählt – und sich gegen eine Verfassungsreform entschieden. Das bringt notleidende italienische Banken in die Bredouille. Sie brauchen eine handlungsfähige Regierung, die im Fall des Falles einen Rettungsschirm aufspannt. Ein Kommentar von BlackRock-Kapitalmarktstratege Felix Herrmann.
Der Ausgang des Referendums in Italien war erwartet worden, die unmittelbaren Folgen ebenfalls: Staatschef Matteo Renzi hat nach der letztlich deutlichen Niederlage seinen Rücktritt eingereicht. Aus unserer Sicht ist das Nein-Votum vor allem eine verpasste Chance für Italien, da das Land nun auch in Zukunft bis auf weiteres schwer zu regieren sein wird. Ein Vergleich mit dem Brexit-Votum in puncto Bedeutung der Abstimmung erscheint dennoch nicht angebracht: anders als im Vereinigten Königreich wird in Italien nun der politische Status Quo konserviert.
Für die nächsten Wochen und Monate bedeutet der Wahlausgang eine Rückkehr der politischen Unsicherheit in Italien. Eine technokratische Übergangsregierung dürfte in absehbarer Zeit das Ruder übernehmen und in erster Linie mit der Reformierung des Wahlgesetzes beauftragt werden. Denn vergessen wir nicht: Die Anpassungen der Wahlgesetze für Abgeordnetenhaus und Senat bis zur nächsten Wahl sind jetzt fast wichtiger als der Ausgang des Referendums.
Das aktuelle Gesetz spricht der Partei mit den meisten Stimmen einen Mehrheitsbonus in der Abgeordnetenkammer zu, sodass diese Partei dann die absolute Mehrheit in dieser Kammer erlangt. Das Gesetz, das erst kürzlich unter der Annahme eines in Zukunft entmachteten Senats in Kraft getreten ist, stellt nach dem Referendum allerdings eine Gefahr dar, weil es unter Umständen die eurokritische 5-Sterne-Bewegung an die Macht bringen könnte.
Neue Reformen in Sicht
Insofern ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieses Gesetz überarbeitet wird. Denkbar ist beispielsweise, dass zukünftig lediglich ein Parteienbündnis einen Mehrheitsbonus zugesprochen bekommt. Deutlich komplexer könnte allerdings die Suche nach einem neuen adäquaten Gesetzes für den Senat werden, der nun weiterhin als gleichberechtigte zweite Kammer erhalten bleibt.
Sofortige Neuwahlen sind unwahrscheinlich, denn allen Parteien im Parlament dürfte bewusst sein, dass ohne eine Änderung der Wahlgesetze ein zersplittertes Parlament extrem wahrscheinlich und eine Regierungsbildung somit sehr schwer wäre. Italiens Staatspräsident hat ebenfalls bereits ausgeschlossen, das Parlament vor der Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes aufzulösen.
Aufgrund der deutlichen Niederlage Renzis könnte aber auch die Bildung einer Übergangsregierung einige Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die Italien eigentlich nicht hat. Das Land benötigt angesichts des schwachen Wachstums, der hohen Verschuldung und der ernsten Lage des Bankensektors dringend strukturelle Reformen. Diese Reformen werden nun aber erst einmal auf die lange Bank geschoben – bis zur Wahl passiert hier wohl nichts mehr.
Gerade für den Bankensektor in Italien sind das keine guten Nachrichten. Für die dortigen Banken ist es ungünstig, dass das Nein Votum zeitlich zusammenfällt mit der dringenden Notwendigkeit einiger Institute, sich neues Kapital beschaffen zu müssen. Der Druck auf Italiens Banken hat durch das Referendum eher noch einmal zugenommen. Allerdings verrät die unmittelbare Marktreaktion auf das Wahlergebnis, dass Investoren nicht in Panik geraten. Dies erscheint gerechtfertigt und auch wir gehen nicht davon aus, dass die Situation außer Kontrolle gerät.
Rettungsplan für italienische Krisenbanken in Gefahr
Für den Fall jedoch, dass die Aufnahme frischen Kapitals misslingt, wird ein Einspringen des Staates wahrscheinlicher, da aufgrund der Gläubigerstruktur der italienischen Banken ein „Bail-In“ sehr viel politisches Porzellan zerschlagen würde. Die Erklärung ist so simpel wie prekär: In Italien sind überdurchschnittliche viele Endanleger in Bankanleihen investiert. Damit der Staat jedoch im Falle des Falles Gewehr bei Fuß stehen kann, bedarf es jedoch einer handlungsfähigen Regierung. Sollte diese auf absehbare Zeit nicht gefunden werden, wäre dies für Italiens Banken durchaus gefährlich.
Wir denken, dass selbst eine rasche Ernennung einer Übergangsregierung bis Januar nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass bereits heute der Wahlkampf für die nächsten Wahlen beginnt. Diese werden spätestens im Frühjahr 2018, höchstwahrscheinlich jedoch früher abgehalten, denn Italien braucht nichts dringender als eine starke und handlungsfähige Regierung.
Quelle: Das Investment