Dass so viele Kommentatoren nicht müde werden, den Deutschen die Aktienanlage schmackhaft machen zu wollen, ist sicher gut gemeint. Doch der Ton macht die Musik, und der Inhalt muss stimmen, meint DER-FONDS-Chefredakteur Egon Wachtendorf. Daran hapert es leider noch allzu oft.
Die Deutschen sind kein Volk von Aktionären – wer hat dieses Klagelied in den vergangenen Jahren nicht schon einmal gehört? Und es stimmt ja: Viele Probleme, die künftig durch niedrige Geburtenraten, eine weiter steigende Lebenserwartung und von oben verordnete Nullzinsen entstehen, ließen sich mit etwas höherer Bereitschaft, das eigene Vermögen in Produktivkapital zu investieren, abmildern.
Was musikalisch als waschechter Blues durchgeht und je nach Interpret vereinzelt auch durchaus gefällig klingt, offenbart jedoch meist schon ab der zweiten Strophe textliche Schwächen. Viele Klagesänger versuchen nämlich ihren Zuhörern eine höhere Aktienquote mit folgendem Argument schmackhaft zu machen: Die ganze Welt kauft deutsche Aktien und verdient sich dumm und dusselig dabei, nur unser Michel steht ahnungslos daneben und blickt mal wieder nichts.
Eine Botschaft, die ebenso falsch wie gefährlich ist. Zwar stimmt es, dass die Dax-Unternehmen mittlerweile mehrheitlich in ausländischer Hand sind. Verglichen mit dem weltweit in Aktien investierten Kapital macht der deutsche Markt jedoch nur einen verschwindend geringen Anteil aus – nachzuvollziehen am Aktienindex MSCI World, in dem deutsche Titel gerade einmal auf 3,5 Prozent kommen. Frankfurt, der Nabel der Börsenwelt? Eher nicht.
Davon losgelöst sind ausländische Investoren mit ihren deutschen Beteiligungen in der Vergangenheit längst nicht immer so gut gefahren wie mit deren Erzeugnissen – sei es, weil sie immer nur kurz und dann zum falschen Zeitpunkt investiert waren oder es wie im Falle von Daimler, BMWund ganz aktuell VW zwischenzeitlich immer wieder mit an die Substanz gehenden Krisen zu tun bekommen haben.
Auch wer den 20-Jahres-Chart von Allianz, Deutsche Bank, RWE oder Siemensbetrachtet, wird die vielbesungene Freude der sich mit deutschen Aktien dumm und dusselig verdienenden Ausländer kaum nachvollziehen können. Bezeichnend zudem, dass mit Beiersdorf ausgerechnet eines der erfolgreichsten Dax-Unternehmen der vergangenen Jahrzehnte den geringsten Anteil ausländischer Investoren in seinen Reihen hat.
Nein, wer deutsche Anleger animieren möchte, mehr Geld in Aktien zu investieren, sollte die Platte wechseln. Kein weinerlicher Blues, der sich bei näherem Hinhören als verkappter Schlager à la In der Heimat ist es doch am schönsten entpuppt. Sondern ehrlicher, erdiger Rock, der auch textlich in die richtige Richtung zeigt. Wie wäre es mit Rockin‘ all over the world?
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Quelle: Das Investment