Zwei plus Zwei ist an der Börse nicht Vier, sondern Fünf minus Eins – wer diese Erkenntnis des Altmeisters André Kostolany beherzigt, macht den ersten Schritt in Richtung bessere Renditen. Doch oftmals hapert es nicht allein am fehlenden mathematischen Rüstzeug, weiß DER-FONDS-Kolumnist Kai Heinrich zu berichten.
Eigentlich ist Börse doch ganz einfach: Man kauft, wenn die Kurse günstig sind und man verkauft, wenn die Kurse teuer sind. So zumindest in der Theorie. Die Praxis lehrt uns allerdings, dass es so einfach eben doch nicht ist – vor allem, weil Anleger häufig in typische, rational nicht zu erklärende Verhaltensmuster fallen. Genau diese Verhaltensmuster führen oft zu Fehlentscheidungen, die viel Performance kosten. Doch wie können Anleger dieser psychologischen Falle entkommen?
Eine wichtige Voraussetzung besteht darin, sich über diese Fallen im Klaren zu sein. Eines der häufigsten Verhaltensmuster ist beispielsweise beim Verkauf eines Investments zu beobachten. Lässt sich dabei ein Gewinn mitnehmen, geht eine solche Entscheidung leichter von der Hand, als wenn Verluste anfallen. Nachvollziehbar ist dies grundsätzlich schon, denn wer realisiert schon gerne Verluste? Aber sinnvoll ist dieses Verhalten nicht immer. Denn wer nur Investments mit Gewinnen verkauft, verkauft oft die guten Anlagen und behält die schlechten.
Eine weitere psychologische Falle: Geht es an der Börse an fünf aufeinanderfolgenden Tagen nach unten, halten viele Anleger die Wahrscheinlichkeit für hoch, dass es danach wieder nach oben gehen muss.Dem ist aber nicht so, ähnlich wie beim Roulette: Auch dort besteht nach jedem Zug die gleiche Wahrscheinlichkeit, ob Schwarz oder Rot gewinnt. Zu frühes Investieren kann in einem solchen Falle zu einem schnellen Aufbrauchen des Risikobudgets führen, falls noch weitere Verlustserien folgen.
Die am häufigsten vorkommenden Phänomene an der Börse gehen auf zwei Gefühle zurück: Angst und Gier. Steigen die Kurse und ein Anleger erwirtschaftet gute Erträge, läuft er häufig Gefahr, zu gierig zu werden.Er versucht, das Investment bis zum Letzten auszureizen und stockt im Extremfall bei steigenden Kursen weiter auf. Fällt das Investment hingegen wieder, ist er meist nicht bereit, es mit weniger Gewinn zu veräußern, als er es bereits auf dem Papier stehen hatte.
Beim Phänomen der Angst nimmt der Anleger zwar einen gewissen Verlust seiner Anlage in Kauf. Allerdings wird seine Angst vor weiteren Verlusten oder gar vor einem meist unmöglichen Totalverlust bei weiter fallenden Kursen immer größer. Irgendwann ist dann die persönliche Schmerzgrenze erreicht, das Investment wird verkauft. Getreu dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Das letztgenannte Phänomen ist unseres Erachtens gerade in den volatilen Börsenphasen der vergangenen Jahre sehr häufig zu erkennen gewesen. Meist hatten die Kurse den Boden erreicht, wenn die Panik oder der Verkaufsdruck an den Märkten am größten war. Der ängstliche Anleger hat selten den Mut, zu Tiefstkursen zu kaufen. Auch wenn sich die Kurse weiter stabilisieren, wird der ängstliche Anleger noch keinen Kauf tätigen. Erst wenn er erkennt, dass der Einschnitt doch nur halb so wild war und alles ausgestanden scheint, greift er wieder zu.
Bei der Beurteilung von Fakten, Unternehmensergebnissen oder Ereignissen werden aktuelle Ereignisse von den Anlegern meist höher gewichtet. So steht das Geschehen an den Märkten derzeit ganz im Zeichen der US-Präsidentschaftswahl. Gute Unternehmensergebnisse aus den im August veröffentlichten Quartalszahlen sind vielen Anlegern kaum mehr präsent. Auch durch dieses Verhalten weicht die breite Masse der Anleger erheblich von der gebotenen Objektivität ab – mit entsprechenden Folgen für die Kursfindung.
Über den Autor: Kai Heinrich ist Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG in Taunusstein. Für DER FONDS schreibt er an dieser Stelle über Themen, die ihn im täglichen Kontakt mit seinen Kunden beschäftigen.
Quelle: Das Investment