In einer ausführlichen Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT.com die Gründer und Chefs der führenden Robo-Advisor zu den Wachstumsaussichten, der strategischer Ausrichtung, Regulierungs-Ärgernissen und Risikomodellen. Diesmal kommt Oliver Vins, Vorstand und Gründer von Vaamo, zu Wort.
DAS INVESTMENT.com: Was sehen Sie im Vergleich zum klassischen Finanzberater als Ihr größeres Asset an: Ihren Online-Vertriebsweg, der Ihnen enormes Kundenpotenzial bietet, oder Ihre skalierbaren Portfolio-Management-Lösungen, die Ihren Kunden attraktive, maßgeschneiderte Rendite-Risiko-Profile bietet?
Oliver Vins: Beides sind entscheidende Kriterien für den Erfolg: die hochskalierbare automatisierte Portfoliomanagement-Lösung erlaubt es uns, jedem eine professionelle Geldanlage zu sehr geringen Kosten anzubieten. Daneben ist für viele Kunden aber tatsächlich der einfache, voll-digitale Vertriebsweg das Hauptentscheidungskriterium, warum sie sich für Vaamo entschieden haben.
In Deutschland gibt es aktuell ein gutes Dutzend unabhängige Robo-Advisor – mit denen der Banken sollen es 30 bis 40 sein. Wie viele werden in den kommenden Jahren dazukommen?
Vins: Ich gehe davon aus, dass in Zukunft nahezu jede Bank eine Robo-Advise-Lösung anbieten wird. Nur so kann das Retail-Kundensegment mit Anlagebeträgen unter 50-100.000 Euro profitabel bedient werden. Außerdem sehen wir, dass sich so neue Kundensegmente für die Kapitalanlage erschließen lassen und dass immer mehr der bestehenden Kunden eine solche digitale Lösung einfordern. Hinzu kommen Vermittler, Vermögensverwalter und Asset Manager, die ebenfalls darüber nachdenken müssen, wie sie die neuen Technologien nutzen wollen. Da wird sich also noch viel bewegen in den kommenden Jahren.
Robo-Advisor sind noch eine krasse Nische: Selbst die größten verwalten nicht einmal 50 Millionen Euro. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman schätzt die verwalteten Vermögen aller unabhängigen Robo-Advisor hierzulande auf rund 100 Millionen Euro. Auf der anderen Seite sagen Experten Ihrer Branche ein exponentielles Wachstum voraus. Schauen Sie mal in Ihre Glaskugel: Wann wird der erste deutsche unabhängige Robo-Advisor die Eine-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten?
Vins: Der Aufbau von Assets dauert immer ein bisschen länger als man das vielleicht aus anderen Branchen gewohnt ist und folgt oft einem typischen exponentiellen Verlauf – das gilt auch für Robo-Advisor. Nachdem die Branche erst in den letzten beiden Jahren entstanden ist, ist das eigentlich schon ganz beachtlich. Ich rechne auf jeden Fall in den kommenden 2-3 Jahren mit mindestens einem Spieler dieser Größenordnung, vielleicht auch schon ein bisschen früher.
Sprechen wir hier von Ihrem Unternehmen?
Vins: Wir selbst planen in den kommenden 5 Jahren in unserem B2B- und B2C-Geschäft zusammen mehr als 1 Millionen Kunden über unsere Plattform zu bedienen. Das bedeutet natürlich auch ein Vielfaches mehr als eine Milliarde Euro an Assets.
Können Sie uns Angaben zu Ihren aktuellen Kundenzahlen, dem verwalteten Durchschnittsvermögen, Ihrem Jahresumsatz oder dem Wachstum der genannten Kenngrößen machen?
Vins: Wir bedienen derzeit in unserem B2C-Geschäft eine vierstellige Anzahl an aktiven Kunden, die im Schnitt ca. 10.000 Euro angelegt haben. 75 Prozent davon haben einen Sparplan und legen daher automatisch monatlich weiteres Geld an. Im B2B-Bereich haben wir gerade letzte Woche unsere Kooperation mit dem Erfolgsstartup N26 gestartet. Auch hier ist die erste Resonanz sehr vielversprechend.
Häufig heißt es: Die größte Wachstumsbremse für Robo-Advisor ist die fehlende Marketing-Power aufgrund von beschränkten Werbebudgets. Stimmen Sie dem zu?
Vins: Die Endkunden zu erreichen ist sicherlich eine große Herausforderung. Der tägliche Werbedruck im Finanzbereich ist sehr hoch, gleichzeitig beschäftigen sich die meisten Menschen nicht gerne mit dem Thema. Der Vorteil der neuen Produkte ist, dass sie sich schneller „rumsprechen“, die Leute reden natürlich über ihre positiven Erfahrungen und empfehlen uns weiter.
Welche Wachstumsbremse würden Sie außerdem gerne gelöst wissen?
Vins: Wir brauchen dringend ein allgemeines Verbot von Provisionszahlungen durch die Produktanbieter. Provisionen sind das Grundübel für die vielen schlechten und teuren Produkte und die falsche Beratung. Diese Zusammenhänge sind auch trotz erhöhter Transparenz für den Endkunden nur schwer zu durchschauen. Ein Provisionsverbot wäre daher sicher das beste, was man im Sinne des Verbraucherschutzes tun könnte.
Welche Marketing- und Vertriebsaktivitäten haben sich bei Ihnen als besonders effektiv und effizient herausgestellt?
Vins: Da sich viele Menschen nicht oder nur ungern mit Finanzen beschäftigen, werden sehr viele Kunden durch Dritte auf uns aufmerksam gemacht: also z.B. Blogger, klassische Medien, Konferenzen oder eben Freunde und Bekannte. Diese Kanäle sind für uns derzeit die erfolgreichsten.
Welche Rolle spielt hierbei Content-Marketing? Wie betreiben Sie es?
Vins: Wir betreiben unseren Blog unter blog.vaamo.de und versenden regelmäßige Newsletter mit interessanten Inhalten für unsere Bestandskunden und Interessenten. Daneben nutzen wir im Wesentlichen Twitter und Facebook, um interessante Neuigkeiten zu teilen. Diese Kanäle bedienen dabei ein sehr unterschiedliches Publikum. Mit Facebook erreicht man eher die breitere Masse der Kunden, mit Twitter ein viel kleineres interessiertes Fachpublikum. Den Content erstellen wir selbst.
Oft heißt es: Wer seine Kunden nicht kennt, wird zu den Verlierern der Digitalisierung gehören. Wie gut kennen Sie Ihre Kunden? Und wie nutzen Sie dieses Wissen über das reine Portfolio-Management hinaus?
Vins: Wir sind aus Datenschutzgründen grundsätzlich sehr restriktiv darin, individuelle Kundendaten zu sammeln. Aber wir kennen unsere Kunden sehr gut über regelmäßige Umfragen, Feedback aus unserem Customer Service (Telefon, Emails und Chats) und natürlich über das allgemeine Nutzungsverhalten auf unserer Plattform. Dieses Wissen nutzen wir, um unsere Plattform und unser Angebot laufend zu verbessern.
Bitte beschreiben Sie uns Ihre Portfolio-Lösungen ? Wo sehen Sie sich gegenüber Ihren Wettbewerbern einen Schritt voraus?
Vins: Wir folgen einem strikten passiven Ansatz, da wissenschaftliche Studien über Jahrzehnte gezeigt haben, dass sich so langfristig das beste Rendite-/Risikoverhältnis erzielen lässt. Das Geld wird in derzeit fünf passive Fonds, eine Mischung aus drei Aktien- und zwei Anleihefonds, die mit insgesamt über 15.000 Einzeltitel weltweit dem Grundsatz der maximalen Streuung unterliegen, angelegt. Selbstverständlich überwachen wir die Auswahl der Instrumente laufend und passen diese an wenn erforderlich. Außerdem stellen wir durch regelmäßiges Re-Balancing sicher, dass auch immer die gewünscht Allokation im Portfolio vorliegt.
Bitte beschreiben Sie uns Ihre Risikomodelle zur Optimierung der Portfolios. Inwiefern haben sich diese Modelle im Vergleich zum einfachen Rebalancing für Ihren Kunden bezahlt gemacht?
Vins: Wir verfolgen ein strikt passives Modell ohne aktive Risikosteuerung. Gerade die Turbulenzen in den vergangenen Monaten haben sehr schön gezeigt, dass ein breit gestreutes Portfolio sehr gut funktioniert. Langfristig ist völlig unklar, ob die aktive Risikosteuerung wirklich die gleiche Rendite erzielen kann. Das Problem besteht ja darin, dass Sie bei stärker schwankenden Märkten aus dem Markt rausgehen und dann den richtigen Einstiegszeitpunkt verpassen. In gleichem Maße wie Sie vorübergehende Kursverluste vermeiden, verpassen Sie aber auch wichtige Kursgewinne in dieser Zeit. Außerdem sind die Rahmenbedingungen an den Finanzmärkten derzeit fundamental andere als in der Vergangenheit. Daher beinhalten Risikomodelle, die im Wesentlichen auf den Erfahrungen der Vergangenheit basieren, selbst ein gewisses Risiko.
Wie stellt sich für Ihre Kunden die genaue Kostenstruktur dar?
Vins: Es gibt eine prozentuale jährliche Service-Gebühr bezogen auf die durchschnittlichen angelegten Assets. Diese beinhaltet alle Kosten für Depotführung und Transaktionen. Wir erhalten keinerlei Provisionen oder Kickbacks von den Produktanbietern und stellen so sicher, dass es keinerlei Interessenskonflikte gibt. Konkret stellt sich die Gebührenstruktur wie folgt dar:
1-29.999 Euro: 0,99 Prozent jährlich
30.000 – 49.000 Euro: 0,79 Prozent jährlich
>50.000 Euro: 0,49 Prozent jährlich
Es gibt keinerlei Mindestvolumen, Mindestlaufzeiten oder Mindestgebühren – der Kunde ist vollkommen flexibel.
Experten stellen den aktuellen Portfolio-Lösungen und Risikomodellen von Robo-Advisorn generell kein gutes Zeugnis aus – um aber oft direkt nachzuschieben, dass hier in den kommenden Jahren radikale Fortschritte zu erwarten sind.Würden Sie dem grundsätzlich zustimmen?
Vins: Nein, das hängt wohl davon ab, welche „Experten“ man befragt. Ich denke, dass die meisten Robo Advisor heute mit ihren passiven Ansätzen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte sehr gut und konsequent umsetzen. Damit fährt der Kunde auf jeden Fall wesentlich besser als mit den allermeisten anderen Produkten, die typischerweise am Markt angeboten werden. Dass das den vielen „Experten“ in der Branche, die mit sinnlosen Aktivitäten auf Kosten der Kunden gutes Geld verdienen, nicht sonderlich passt, kann ich verstehen.
Wie zufrieden sind sie mit Ihrer aktuellen Lösung?
Vins: Sehr. Unser Portfolio bildet hervorragend die internationalen Kapitalmärkte ab und es hat sich in den vergangenen Monaten eindrucksvoll gezeigt, dass sich eine solche passive breit gestreute Anlage auch in turbulenteren Zeiten sehr bewährt. Trotzdem analysieren wir natürlich laufend die Allokation und die eingesetzten Instrumente und werden sicherlich in der kommenden Zeit nochmal kleinere Anpassungen vornehmen.
An welchen Stellen haben Sie seit Ihrem Start nachjustiert und warum?
Vins: Die grundsätzliche Anlagestrategie ist seit Start unverändert.
An welchen konkreten Stellen sehen Sie das größte weitere Optimierungspotenzial?
Vins: Das Optimierungspotenzial liegt eher in kleineren Feinadjustierungen im Rahmen der laufenden Überwachung und Anpassung.
Wie beurteilen Sie die bisherigen Anlageergebnisse von deutschen Robo-Advisorn?
Vins: Da die Robo-Advisor alle erst in den letzten 1-2 Jahren an den Markt gegangen sind, ist der Beobachtungszeitraum natürlich noch sehr kurz, um eine abschließenden Aussage treffen zu können. Aber: die meisten Robo-Advisor versprechen ja richtigerweise nicht den Markt zu schlagen, sondern diesen möglichst gut abzubilden. Und das scheint sehr gut zu gelingen.
Es ist mir wichtig zu betonen, dass die Performance-Vergleiche in diesem Kontext grundsätzlich irreführend sind: Die ganze klassische Fondsbranche baut auf dem (sehr teuren) Mythos auf, man könne mit dem richtigen Management eine bessere Performance als die Marktperformance erzielen. Das geht nachweislich aber nicht und Robo-Advisor versprechen das eben auch gar nicht. Daher macht ein Rendite-Vergleich per Definition keinen Sinn. Die Frage lautet vielmehr: bildet der Robo-Advisor wirklich die Marktrendite ab? Und das machen derzeit die meisten Anbieter sehr gut. Kleine Unterschiede in der Performance lassen sich meist leicht durch unterschiedliche Aktienanteile erklären.
Von: Felix Hannemann
Quelle: Das Investment