In einer großen Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT die Vertriebs-Chefs der führenden Fondsgesellschaften zu den wichtigsten Trends in den Bereichen Märkte, Produkte, Zielgruppen und Regulierung. Hier benennt Peter Stowasser, Leiter Retail-Vertrieb bei Franklin Templeton, die Themen, die der Branche derzeit unter den Nägeln brennen.
DAS INVESTMENT.com: Im ersten Halbjahr gab es einige Ereignisse, die Sie als Vertriebschef nicht gefreut haben dürften: Die Gewinne des Börsenjahres 2015 waren nach nur elf Handelstagen dahin. Hinzu kommen Syrien, Flüchtlingskrise und weitere geopolitische Brandherde, vor kurzem dann das Brexit-Referendum. Aktuell sind die Banken (vor allem die italienischen) in den Schlagzeilen. – Wie ist Ihr Fazit aus Vertriebssicht für das erste Halbjahr 2016?
Peter Stowasser: Das erste Halbjahr war volatil, aber wir sehen zunehmend Interesse an einer Reihe unserer Produkte und sind mit mehreren wichtigen Vertriebspartnern in strategischen Gesprächen – ich freue mich auf das zweite Halbjahr!
Was wünschen Sie sich für das zweite Halbjahr und welche realistischen Erwartungen haben Sie?
Stowasser: Ich wünsche mir – wie viele Anleger auch – weniger Volatilität, rationales Handeln und die Einsicht der Kunden, dass eine Anlage nun mal gewissen Schwankungen unterliegt und es quasi keinen risikofreien Zins gibt, dafür aber jede Menge zinsfreies Risiko.
Der Niedrigzins ist das alles dominierende Thema in der Finanzbranche. Ein paar vereinfachte direkte Folgen daraus: Rentenfonds werden zunehmend unattraktiv. Das Sparbuch ist oder sollte keine Alternative mehr sein. Die Deutschen stürzen sich auf Immobilien(-Fonds). Gold wird wiederentdeckt. Multi-Asset-Fonds sind in aller Munde. Aktienfonds schlagen sich mittelmäßig, volatile Börsen und Regulatorik verhindern größere Mittelzuflüsse.
Stowasser: Ja, so oder so ähnlich trifft es zu, wenn man nicht hinter die Kulissen blickt. Es gibt immer noch attraktive Märkte, die bessere Wachstumschancen und Verschuldungsniveaus haben als andere. Wir konnten gerade in der jüngsten Zeit beweisen, dass sich unsere Franklin Diversified Fonds gut schlagen und hervorragende Ausschüttungen generieren. Dass die Regulatorik schuld sein soll an den Mittelflüssen glaube ich persönlich nicht.
Ja, es ist und wird aufwendiger zu verkaufen, aber letztlich sind die guten Berater im Thema und machen das Geschäft. Empathie der Marktteilnehmer wird es immer geben und hemmt auch oftmals Entscheidungen.
Würden Sie Ihr Haus als Nettoprofiteur der Niedrigzins-Phase betrachten?
Stowasser: Insgesamt ja, da wir mehrere Produkte haben, die gezeigt haben, dass Ertrag trotzdem möglich ist. Das gilt im Bereich Fixed Income, wie Diversified Multi Asset, aber auch bei Emerging Markets bis hin zu Momentum-getriebenen Produkten auf der Aktienseite.
Quo vadis Aktienfonds: Der oft unter dem Titel „Große Rotation“ vorhergesagte starke Shift von Anleihen in Aktien ist bisher ausgeblieben. Wundert Sie das?
Stowasser: Wundern tut mich schon lange nichts mehr wirklich – ich bin fast 30 Jahre in dieser Branche – aber es ist schon bemerkenswert, wie „der Deutsche“ im Durchschnitt aktienavers ist. Allerdings unterscheiden wir uns da wenig von den Engländern und Amerikanern, die laut einer Studie der gleichen Aversion bezichtigt wurden. Und da wären wir wieder bei der Empathie der Marktteilnehmer. Wenn die Berater in diesem Bereich früher gezielt die Kunden an die Hand genommen hätten, dann würde es vermutlich etwas besser aussehen. Nur steter Tropfen höhlt den Stein.
Ist der Sturm auf Aktien und Aktienfonds nur verschoben?
Stowasser: Wir wollen mal keinen „Sturm“ vorhersagen, aber ich glaube, das Interesse wächst. Vielleicht nicht an reinen „Long Only“-Produkten, aber an intelligenten Anlagelösungen.
Nicht einmal 15 Prozent der Deutschen im Alter von über 14 Jahren besitzen Aktien oder Aktienfonds. Worauf führen Sie das zurück? Und wie müssen die Vertriebsansätze der Fondsbranche angepasst werden, um diesen Zustand zu ändern?
Stowasser: Ich bin nicht sicher, ob die Fondsbranche andere Vertriebsansätze braucht; die Berater brauchen sie. Ein Fonds muss so selbstverständlich werden wie eine Kreditkarte oder das Sparbuch. Hier ist aber auch die Bildungspolitik gefragt. Bisher zeigte der Staat wenig Interesse, die heranwachsenden Bürger im Bereich „Geld, Geldanlage und Verwendung“ zu schulen. Ein großes Defizit!
Multi-Asset-Lösungen sind mehr als ein Trend und sind in den vergangenen Jahren zu einer etablierten Anlagelösung herangereift. Wie haben Sie sich hinsichtlich Kompetenz, Produktpalette und Ihrer Zielgruppen in diesem Bereich positioniert?
Stowasser: Mein Team ist seit geraumer Zeit in diesem Bereich unterwegs und alle unserer wichtigen Vertriebspartner kennen mittlerweile unsere Franklin Diversified-Produktpalette von Matthias Hoppe, der die Portfolios mit definierten Rendite- und Volatilitätszielen aus Sicht eines deutschen Anlegers managt. Dass wir diese Palette auf Augenhöhe mit dem Templeton Growth Fund – dem klassischen Flaggschiff unseres deutschen Absatzes – positionieren, sagt glaube ich alles.
Wo legen Sie klare Schwerpunkte und warum?
Stowasser: Multi-Asset-Produkte sind unser Schwerpunkt, weil wir glauben, dass es sich nicht nur um einen Trend handelt, sondern der Endkunde ein risikobasiertes Investment erwarten kann, wenn gewünscht.
Sind Liquid Alternatives die neuen Multi Assets?
Stowasser: Liquid Alternatives sind für uns eine sinnvolle Diversifizierungsklasse im Depot, werden aber aus meiner heutigen Sicht nicht den Platz der Multi-Asset-Fonds einnehmen können. Ein Multi-Asset-Fonds kann eine singuläre Strategie für einen Anlagekunden sein. Liquid Alternatives dagegen können lediglich als Beimischung in einem bereits diversifizierten Portfolio dienen.
Was ist derzeit aus Ihrer Sicht der wichtigste Produkttrend in der Fondsindustrie?
Stowasser: Nach wie vor Multi-Asset-Fonds.
Der wichtigste Produkttrend in Ihrem Haus?
Stowasser: Multi-Asset-Produkte, die Income generieren, also regelmäßige Ausschüttungen. Anleger können mit solchen Produkten über verschiedene Marktphasen hinweg Erträge erzielen und zusätzlich auch von Kursgewinnen profitieren.
Welchen Trend sehen Sie in den kommenden Jahren, über den heute noch kaum gesprochen wird?
Stowasser: Produkte für die Bedürfnisse der „Generation 65+“
Welche Produkterfolg eines Mitbewerbers hat Sie in den vergangenen Jahren stark beeindruckt?
Stowasser: Der Erfolg nicht nachvollziehbarer Strategien, die über einige Perioden hinweg „alles richtig gemacht hatten“ und dann den Anbietern aus den Händen gerissen wurden.
Auf welche Produktinnovation und welchen Produkterfolg der vergangenen Jahre aus Ihrem Hause sind Sie besonders stolz?
Stowasser: Zum einen sind hier der Templeton Global Bond Fund und der Templeton Global Total Return Fund zu nennen, die von Michael Hasenstab gemanagt werden. Über einen langen Zeitraum, ich spreche von 10 Jahren und mehr, sind die beiden globalen Anleihenfonds – trotz der aktuellen Durststecke, die sich hoffentlich bald ins Gegenteil verkehrt – eine der erfolgreichsten in ihrer Kategorie.
Ferner hat der Aktienfonds-Klassiker Templeton Growth Fund zum Aufbau der Altersvorsorge vielen Anlegern ein solides Vermögen erbracht. Und zu guter Letzt ist an dieser Stelle unsere relativ neue Franklin-Diversified-Fondspalette mit klar definierten Risiko-und Volatilitätszielen zu nennen, auf die wir uns im Vertrieb derzeit konzentrieren.
Beschreiben Sie unseren Lesern bitte ein spannendes Projekt, an dem Sie beziehungsweise Ihr Team gerade arbeiten?
Stowasser: Es ist ein Ersatzprodukt zu ehemaligen Garantiefonds in Planung sowie Produkte zur Wiederanlage auslaufender Gelder aus Lebensversicherungen.
In welcher Kundengruppe haben Sie in den vergangenen ein bis zwei Jahren die größten Marktanteile hinzugewonnen und was war der Schlüssel für diesen Erfolg?
Stowasser: Wir haben durch unsere strategische Ausrichtung in der Vergangenheit das Glück einer sehr guten Gleichverteilung unserer Kunden. Alle Kundegruppen sind für uns wichtig, allerdings schwankt die Kontribution zwischen den Gruppen ein wenig.
Auf welchen Vertriebskanal legen Sie in den kommenden Monaten einen besonders starken Fokus und warum?
Stowasser: Wir fokussieren uns mit unseren Teams auf alle Kundengruppen. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass die Versicherungen, Volksbanken und Sparkassen sowie die deutschen Groß- und Privatbanken neben dem klassischen IFA eine wichtige Zielgruppe darstellen.
Welchen Rat würden Sie einem IFA mit Schwerpunkt Investmentgeschäft geben, der nach Wegen sucht, seinen Beratungs- und Vertriebserfolg zu steigern?
Stowasser: Kümmern Sie sich rechtzeitig um die Kinder Ihrer Kunden!
Wo und warum sehen Sie für sich und Ihre Mitbewerber das größere Risiko für sinkende Fondsumsätze im Bereich Volksbanken und Sparkassen: Durch ein Zurückfahren der offenen Architektur oder durch den fortschreitenden Abbau von Filialen?
Stowasser: Der Abbau der Filialen kann den Vertriebserfolg in diesen Häusern schmälern. Mit der Architektur haben wir augenblicklich und vermeintlich auch zukünftig kein Problem; ich denke, der Schutz des Verbrauchers und die klaren Aussagen der Politik machen komplementäre Produkte von „Fremdanbietern“ unverzichtbar.
Welchem Ihrer Vertriebskanäle – Banken/Bankberater oder IFAs – trauen Sie eher zu, das Potenzial von Robo-Advisors für sich zu nutzen und hierüber ihren Fondsabsatz zu steigern?
Stowasser: Es ist in beiden Fällen möglich; es ist eine Frage der Nutzung und Ausgestaltung. Beide Kanäle können profitieren, sie müssen sich nur strategisch positionieren und die Vorteile für sich nutzen.
Einige Marktteilnehmer bezeichnen Robo-Advisor als den Fonds-Vertriebsweg der Zukunft, als digitale Antwort auf die vertrieblichen Herausforderungen in der Fondsbranche, die 95 Prozent der Bevölkerung den Weg zur privaten Vermögensbildung öffnen wird. Sehen Sie das auch so?
Stowasser: Nicht in den nächsten 5 Jahren, aber ich denke eine heranwachsende Masse wird sich dafür interessieren. Ob es dann gleich 95% werden, wage ich zu bezweifeln.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Trend „Robo-Advisor“ für Ihr Haus – und wie wollen Sie von diesem Trend profitieren?
Stowasser: Nur die Besten können bei dem besagten Trend mitspielen. Daneben sind Visibilität, Marke und Reputation entscheidend – Franklin Templeton weist diese Werte auf, sie sind aber auch täglich aufs Neue zu erarbeiten.
Welche Regelungen im Rahmen von Mifid ll halten für Sie gut und sinnvoll, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?
Stowasser: Das Thema im Detail zu besprechen, würde an dieser Stelle zu weit führen. Generell werden wir selbstverständlich allen Mifid II-Erfordernissen nachkommen. Problematisch sind für mich die Verständlichkeit für den Endkunden und das wirkliche Verhindern „schwarzer Schafe“ – beides ist mit den Regulatorien meines Erachtens nicht sichergestellt. Daneben sind wir Vollmitglied im BVI und durch diesen Verband versuchen wir gemeinsame Vorstellungen der Mitglieder den Entscheidungsträgern der Politik nahezubringen.
Quelle: Das Investment