Ein neuer Trend: Große Vermögensverwalter kaufen immer häufiger kleine Boutiquen. Aber wie berechnet sich eigentlich deren Kaufpreis? Wir haben nachgefragt und drei Bewertungsmethoden herausgefunden.
Das Jahr 2015 wird in der Retrospektive gerne als das Jahr der Übernahmen betrachtet. Es passierten weitaus mehr Fusionen und Akquisitionen von multinationalen Großkonzernen als die meisten Wirtschaftsanalysen- und Prognosen im Voraus vermuten ließen. Auch Vermögensverwalter scheinen sich seither zunehmend oft kleine Fonds-Boutiquen einzuverleiben und ziehen daraus Vorteile unter anderem in der Absicherung gegen konjunkturelle Schwankungen und Krisenzeiten. Nur bleibt die Frage nach dem Kaufpreis einer solchen Fondsboutique und wie dieser verhandelt wird.
Der Kaufpreis bleibt meist geheim und ist Verhandlungssache. Zweifellos ist allerdings: In erster Linie hängt er von Know-how und Umsätzen ab, erst in zweiter Linie vom verwalteten Vermögen. „Es geht um den Ertrag“, sagt der Münchner Vermögensverwalter Hannes Peterreins. Also nehme man häufig die künftigen Jahreserträge und zinse sie mit einem üblichen Diskontsatz ab. Nach dem Motto: Geld, das ich erst nächstes Jahr verdiene, ist heute weniger wert.
Selbst wenn man präzise rechnet und Wachstumsraten unterstellt, bekommt man nur einen Anhaltspunkt. Ebenfalls vorhanden ist der Wechselschwund: Manager verlassen das Unternehmen und nehmen Kunden und Geld mit. „Aber auch das ist reine Schätzerei“, meint Peterreins.Gibt es Daumenregeln? „Nein“, sagt van Leeuwen. „Jeder Deal ist anders und hängt von der Frage ab, was man kauft – Bestände, Know-how, Einnahmen.“ Rolf Tilmes, Professor bei der EBS Business School, meint: „Je spezieller das Geschäft ist, desto höher ist der Ertrag.“ Anleihehäuser seien häufig größer als Aktienhäuser, verdienten aber prozentual weniger.
Am besten bezahlt werden alternative Investments, hier werden die Fonds aber nie sehr groß. Es ist kompliziert. Neben der Rechnerei ist da noch die psychologische Komponente, die Thomas Gross ins Feld führt. Der KPMG-Kollege von Elmar Schobel berät Protagonisten bei deren Übernahmeplänen und weiß, dass auch strategische Gedanken einen Preis treiben oder drücken können. „Wenn ein Markt einem Interessenten besonders wichtig ist, kann der Preis weit höher steigen”, sagt er. „Umgekehrt kann es den Preis drücken, wenn ein Besitzer unbedingt verkaufen will oder muss.“
Die Gesellschafter der eingangs erwähnten Fondsboutique ermittelten einen hohen zweistelligen Millionenbetrag als Unternehmenswert. Das befanden sie selbst für zu teuer, schüttelten die Köpfe und verkauften nicht. Aber das wollten sie sowieso nicht.
Von: Andreas Harms
Quelle: DAS INVESTMENT.