Das Investment: Geldanlagekultur: „Wir können uns die vermeintliche Sicherheit zukünftig nicht mehr leisten“

sjb_werbung_das_investment_300_200Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer hat die Riester- Rente für gescheitert erklärt. Ist das nur eine Wahlkampfaussage? Und was sagt das über die zukünftige Entwicklung der „Geldanlagekultur“ in Deutschland aus? Das überlegt hier Wolfgang Juds, Geschäftsführer von Credo Vermögensmanagement.

Das Problem der Fehlanreize. In Deutschland gibt es eine lange Tradition von staatlich geförderten Geldanlagen. Besonders hervorzuheben sind die kapitalgebundene Lebensversicherung und der Bausparvertrag, die über viele Jahre besonders stark gefördert wurden. Die Wohnungsbauprämie, die Arbeitnehmersparzulage und die steuerfreie Ablaufleistung bei der Lebensversicherung haben jahrzehntelang Anreize zum Sparen gesetzt.

Positiv finde ich, dass viele Deutsche für Ihre Zukunft vorgesorgt hatten und sich auf diese Weise ein Eigenheim leisten konnten. Mietfreies Wohnen ist ein wichtiger Baustein für die private Altersvorsorge, weil die ersparte Miete unabhängig ist von den Entwicklungen am Kapitalmarkt oder von der Höhe der staatlichen Rente.

Allerdings ist es unverständlich, warum die Vorteile einer Aktienanlage nicht viel stärker in der Öffentlichkeit hervorgehoben wurden. Erst die Neuemission der Telekom-Aktie und die Werbung von Manfred Krug haben kurzzeitig zu einer Änderung der Anlagementalität geführt. Aus vielen Befragungen und Analysen wissen wir, dass die Deutschen lieber sparen und „auf Nummer sicher“ gehen wollen anstatt in Aktien zu investieren. Bedauerlich ist, dass deutsche Aktien überwiegend von ausländischen Anlegern gehalten werden.

Bei der staatlich geförderten Riester-Rente hat es eine ganze Zeit gedauert, bis die Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden war. Bis Ende September 2015 wurden rund 16,4 Millionen Riester-Verträge in Deutschland abgeschlossen. Die Skepsis gegenüber der Riester-Rente ist weiterhin hoch, aber aufgrund der hohen Förderquoten lohnt es sich für viele Menschen trotz der Minizinsen, mit Riester für die Zukunftsvorsorge zu sparen.

Aktien sind auf lange Sicht unschlagbar …

Ich finde es bedauerlich, dass bei der Altersvorsorge vor allem die staatliche Förderung im Mittelpunkt des Interesses steht und nicht die zugrundeliegenden Produktmerkmale, die Kosten und die zu erwartende Rendite. Auf lange Sicht sind Aktien ohne Zweifel die mit Abstand renditestärkste Anlageklasse. In seinem Buch „Stocks for the long run“ hat der amerikanische Professor Jeremy J. Siegel empirisch dargelegt, wie sich Aktien und Anleihen historisch auf lange Sicht entwickelt haben.

In den letzten 200 Jahren konnten Anleger mit Aktien im Durchschnitt pro Jahr zwischen 6,5 und sieben Prozent real nach Abzug der Inflation erwirtschaften. Kritiker wie der Yale-Professor Robert Shiller weisen darauf hin, dass es lange auch Phasen einer „irrationalen Übertreibung“ wie zur Jahrtausendwende und wie 2007 kurz vor der US-Immobilienkrise geben kann. Sparer können die als Nachteil empfundenen hohen Kursschwankungen durch monatliche regelmäßige Sparraten in Aktienfonds ausgleichen.

Wenn die Kurse niedrig sind, kaufen sie automatisch mehr Anteile und wenn sie teuer sind, erwerben sie entsprechend weniger Anteile. Sie verhalten sich wie ein vernünftiger Kaufmann – ohne auf irgendwelche Kurse zu spekulieren. Dazu kommt der Zinseszinseffekt! Für die eigene Zukunftsvorsorge gibt es meines Erachtens momentan nichts Besseres! Wie sehen die Alternativen in einem Umfeld von Minizinsen aus? Lohnt sich ein Bausparvertrag oder eine kapitalbildende klassische Lebensversicherung noch?

… und unverzichtbar

Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland und der niedrigen Zinsen in der Eurozone ist ein Umdenken in der Frage der Geldanlage dringend notwendig. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen führt das Rufen nach dem Staat in die falsche Richtung. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte ist viel zu hoch, als dass der Staat die gesetzlichen Renten über Kredite jahrelang finanzieren kann.

Wenn in etwa zehn bis 15 Jahren die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen, werden in relativ kurzer Zeit die Einnahmen für die Rentenkassen spürbar sinken. Gleichzeitig werden die Zahlungsansprüche massiv ansteigen. Ministerpräsident Horst Seehofer hat erkannt, dass die künftige Rentenlücke nicht allein durch Riester-Verträge zu lösen sein wird. Aus meiner Sicht braucht es ein radikales Umdenken in der Geldanlage. Wir können uns die vermeintliche Sicherheit zukünftig nicht mehr leisten, weil wir die höheren Renditen, die eine Aktienanlage erwirtschaftet, dringend brauchen.

Wie sich die „Geldanlagekultur“ in den nächsten Jahren verändern wird, vermag niemand seriös vorherzusagen. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre es dringend notwendig. Ob sich allerdings der Sachverstand in Sachen Geldanlage in den kommenden Jahren durchsetzen wird oder die gefühlte Sicherheit von Produkten mit staatlicher Förderung, bleibt offen. Es ist die Aufgabe aller Beteiligten wie den Schulen in Sachen finanzieller Bildung, den Banken und Sparkassen in der Beratung und den Politikern, jetzt die richtigen Weichen zu stellen, damit wir die künftigen Herausforderungen erfolgreich meistern können.

Von: Wolfgang Juds

Quelle: DAS INVESTMENT.

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