Zwei weitere Zinserhöhungen hat die Fed für 2016 versprochen. Die Sitzung am 16. März beließ den Leitzins aber vorerst bei 0,5 Prozent. Grund von offizieller Seite: die niedrige laufende Inflation. Doch das ist nicht das wahre Motiv, meint Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit. Was wirklich dahinter steckt.
Auf ihrer Sitzung am 16. März 2016 hat die Federal Reserve (Fed) ihren Leitzins unverändert bei 0,5 Prozent gehalten. Das war zu erwarten. Seit dem Frühjahr 2013 sprechen Fed-Vertreter davon, die Zinsen anzuheben. Nach langem Zögern wurde im Dezember 2015 dann erstmalig der Leitzins um 0,25 Prozent auf 0,50 Prozent angehoben.
Wenngleich am Mittwoch keine Zinserhöhung beschlossen wurde, so hat die Fed doch in Aussicht gestellt, dass sie die Zinsen im laufenden Jahr noch zwei Mal anheben wird. Warum ist sie so zögerlich? Die offizielle Begründung ist, dass die laufende Inflation nach wie vor recht niedrig sei, und dass sich daher der Anstieg der Zinsen langsam über die Zeit vollziehen kann.
Doch der eigentliche Grund dürfte ein anderer sein. Er ist im Schuldgeldsystem zu finden. Das „Funktionieren“ des Schuldgeldsystems hängt davon ab, dass die Zinsen niedrig bleiben, beziehungsweise dass sie auf noch niedrigere Niveaus fallen. Wenn das aber so ist: Warum hat die Fed dann weitere Zinssteigerungen in Aussicht gestellt? Auf diese Frage gibt es eine Antwort.
Warten auf Godot
Würde sich bei den Anlegern die Erwartung durchsetzen, dass die Zinsen auf der Nulllinie verharren, geriete das Schuldgeldsystem in arge Probleme. Denn solange Anleger erwarten, dass die Zinsen nur „vorübergehend“ niedrig sind und „bald“ wieder auf „normale Niveaus“ zurückkehren, fliehen die meisten von ihnen nicht aus ihren Termin- und Spareinlagen, Staats- und Bankschuldpapieren, Lebensversicherungen und Rentenfondsanteilen, sondern harren aus.
Es ist überlebenswichtig für das Schuldgeldsystem, dass die Erwartung künftig steigender Zinsen wachgehalten wird, und dass gleichzeitig der Zeitpunkt für die in Aussicht gestellte Zinssteigerung immer weiter in die Zukunft verschoben wird – ohne dass der Zins angehoben wird, beziehungsweise dass er jemals auf das Vorkrisenniveau zurückkehrt. Die Fed praktiziert dieses Spiel, diesen Balanceakt, mit großer Perfektion; sie scheint das Drehbuch von „Warten auf Godot“ genau studiert zu haben.*
*In Samuel Becketts (1906 – 1989) Theaterstück „Warten auf Godot“ warten zwei Landstreicher auf die Ankunft eines gewissen Herrn Godot – der aber nie erscheint. Dennoch lösen sich die beiden Landstreicher nicht aus ihrer sinnlosen Wartehaltung, nehmen nicht Abschied von ihrer vergeblichen Hoffnung.
Probleme nehmen weiter zu
Je länger die Fed die Zinserhöhungen hinauszögert, desto unwahrscheinlicher werden sie – allein schon deswegen, weil die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich die amerikanische Konjunkturlage wieder eintrübt, und Zinserhöhungen dann nicht mehr möglich sind.
Man sollte nicht meinen, dass die niedrig gedrückten Zinsen die Volkswirtschaften „heilen“. Sie halten zwar in der kurzen Frist die Konjunkturen in Gang und verschaffen überdehnten Schuldnern Luft. Dabei laufen jedoch weitreichende Fehlentwicklungen auf: Kapitalfehllenkung, Spekulationsblasen, Boom-und-Bust und Überschuldung.
Zudem drohen die niedrigen Nominalzinsen früher oder später zu negativen Realzinsen zu werden. Die Politik der Zentralbanken entwertet dann traditionelle Sparformen wie Termin- und Spareinlagen, Staats- und Bankanleihen, Rentenfonds und Lebensversicherungen. Sparer sollten daher reagieren. Hier zwei (langfristig orientierte) Überlegungen:
1. Aktien
Renditen, die nach Abzug der Inflation positiv sind, können grundsätzlich im Aktienmarkt erzielt werden. Und zwar indem man in „gute“ Unternehmen investiert, also Unternehmen, die etwas können, was andere nicht können, und die inflationsresistente Geschäftsmodelle haben – die also auch bei Inflation Gewinne erzielen können. Wenn man gute Unternehmen zu einem günstigen Preis kaufen kann, wird man sein Kapital nicht nur erhalten, sondern auch mehren können. Die Geschichte zeigt: Bei einem guten Unternehmen war das Kapital gut aufgehoben.
2. Gold
Es bietet sich an, einen Teil des liquiden Vermögens in der Währung Gold zu halten. Gold ist nämlich das „ultimative Zahlungsmittel“, ein seit Jahrtausenden erprobtes Geld. Es ist zudem auch eine Versicherung, eine Impfung gegen die Widrigkeiten des ungedeckten Papiergeldsystems, die immer wieder, wie die Geschichte leidvoll zeigt, Inflation gebracht haben. Das Gold kann – anders als die ungedeckten Papiergeldwährungen – nicht durch politische Willkür entwertet werden. Die Reaktion des Goldpreises nach dem Fed-Zinsentscheid sendete eine folgerichtige Botschaft: Der Preis des gelben Metalls zog um mehr als 30 US-Dollar je Unze auf 1.260 US-Dollar je Unze an.
Von: Thorsten Polleit
Quelle: DAS INVESTMENT.