Fühlen Sie sich auch gelegentlich an die Zeit kurz vor der Lehmann-Krise erinnert? Fast sechs Jahre geht es nun schon mit den Immobilienpreisen bergauf – die Frage ist, wie lange noch. Immobilienökonom David Pieper, Geschäftsführer und Mitgründer des auf Immobilien spezialisierten Multi Family Office Virtù Wealth, über das Leben mit der drohenden Immobilienblase.
Wenn man dieser Tage durch die beispielhafte Berliner Immobilienwelt streift, drängt sich der etwas andere Blick auf den aktuellen Zustand des deutschen Immobilienmarktes auf.
Anlageklassen-übergreifend. Aber vor allem in der Wohnungswirtschaft. Man könnte jetzt auf die Geldschwämme gucken, die schwächelnde Wirtschaft Chinas betrachten, den Flüchtlingsstrom und dunkle Wolken über der EU sehen, die niedrigen Ölpreise verdammen oder lobpreisen, versuchen den Wirtschaftsboom in Deutschland zu erklären und lauter bunte Statistiken heranziehen. Aber es sind doch manchmal die kleinen Geschichten…
Dieses Wochenende saß ich in einem schicken Café unweit des Berliner Kurfürstendamm im gutbürgerlichen Charlottenburg. Neben mir, zwei in Berlin würde man sagen „Hipster“, offensichtlich nicht aus der Immobilienbranche und unterhalten sich über die Möglichkeit phänomenales Geld mit dem Ausbau von Dachgeschossen in den Szene Bezirken zu verdienen. Mal abgesehen davon, dass der eine einen Freund hatte, der einen Freund hatte und ihm dieser den spektakulären Rohling angeboten hatte, bemerkte der andere kritisch, ob er denn wisse, dass er eine Baugenehmigung brauche, gegebenenfalls die Leitungen und Stränge nach oben legen müsse, sowie natürlich investieren müsse, als auch das alles richtig Geld koste. Der Ideengeber bügelte dies alles nur weg und sagte, „kein Problem, ich habe einen Kumpel, der ist Architekt, der kann das“…
Erinnert Sie das auch an Zeiten der Telekom Aktie oder Gespräche mit Skandinaviern, Iren und Engländern vor der 2008er Lehmann-Krise?
Letzte Woche verkündete Brookfield Property Partners und Starwood Capital Group, dass das ehemalige DDR-Hotel-Großportfolio von Interhotels, welches diese erst 2015 für einen dreistelligen Millionenbetrag von Blackstone erworben hatten, mit Gewinn weiterzuverkaufen. Der Kommentar meines Gutachterfreundes: „Nein, nein – es ist keine Blase…“
Sie kräuseln die Stirn? Das tue ich auch die letzten Monate, wenn wir für unser langfristig-betreutes Familienvermögen Angebote unterbreitet bekommen. Letzte Woche erst gab es gleich wieder zwei gute „Deals“ in Berlin. Ein Bürohaus zum 40-fachen, kein Steigerungspotenzial aber in „spektakulärer Lage“ – im „klassischen Bürostandort“ dem Berliner Villenviertel Grunewald. Not! Würde Borat dazu wahrscheinlich sagen.
Oder ein Mehrfamilienhaus, zwar mit großem Mietsteigerungspotenzial, aber zu einem Faktor von 57-fach in Charlottenburg. Das sind 1,75 Prozent Anfangsrendite ohne Nebenkosten – sowie ohne laufende Kosten als auch Sanierungen einzuplanen! Lassen Sie uns jetzt bitte nicht noch über die Mietpreisbremse, Milieuschutzgebiete oder Mieterschutzgesetze sprechen – vom Denkmalschutz mal ganz zu schweigen. Trauen Sie sich damit zu einer finanzierenden Bank? Und wenn die es hoch gehebelt finanziert? Sind Sie dann entspannt oder bekommen Sie langsam Angst?
Es war ja gerade Karneval, hier noch ein Kalauer: Wir rechnen einem Projektentwickler vor, dass sein offeriertes Angebot einer Bruchbude in Berlin-Neukölln mindestens 500 Euro pro Quadratmeter zu teuer ist und man dann für die Eigentumswohnung in Neukölln im Schnitt 4.500 Euro pro Quadratmeter bräuchte oder 13 Euro kalt pro Quadratmeter Miete – eher West-Deutscher, sehr guter Standard – nicht Problembezirk. Sein Kommentar: „Euch fehlt die Phantasie, wenn die Wohnungen 2018 auf dem Markt kämen wären die fast zu günstig!“
Klingeln dort bei Ihnen auch die Glocken? Nicht zu erwähnen, dass Sie vor zirka 5 Jahren das ganze Haus für um die 400 Euro pro Quadratmeter haben konnten! Phänomenale Marktentwicklung und neuer Szenebezirk oder Geld frisst Hirn?
Sie wollen noch mehr zum Nachdenken haben? Ebenfalls letzte Woche meinte einer der Chefs eines mittelgroßen Funds zu mir, man habe jetzt zirka eine Milliarde an Kapital eingesammelt und müsse diese alsbald adäquat investieren. In kleinen Summen wird schon gar nicht mehr gedacht und wieder ein Wink aus der Vergangenheit: 2000 und 2008 lassen grüßen.
Ach und für die Mathematiker, Ökonomen und Volkswirten unter Ihnen: In meinen Erstsemestervorlesungen gab es etwas zu „Konjunkturzyklen“ zu hören. Dort wurde uns vermittelt, dass es ein eisernes Gesetzt gibt, das es niemals nur bergauf ginge! Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass häufig nach 7 bis 10 Jahren Boom-Phase der Abschwung folgt. Seit 2009 geht es nur bergauf, dass macht jetzt schon 6 Jahre und es sind immer noch dieselben zwei Faktoren: Vertrauen und Liquidität. Beides ist noch im Überfluss da, aber wie lange?
Aus der Perspektive von Familienunternehmen kann ich nur sagen: Bringen Sie viel Eigenkapital mit, lassen sich gut beraten und beurteilen Sie Immobilienlagen kritisch, ob diese auch übermorgen noch gut sind, damit Sie Zyklen langfristig beruhigt durchstehen können und / oder verkaufen Sie rechtzeitig und nutzen diese seltene Marktchance, denn den Letzten beißen bekanntlich die Hunde. Oder um es mit den Worten Otto Reuters, dem berühmten Berliner Sänger und Komikers der 20er Jahre auszudrücken:
„Und ist alles teuer, dann murre nicht,
und holt man die Steuer, dann knurre nicht.
Mißlingt dir auch alles, dann klage nicht,
und kriegst du den Dalles, verzage nicht
nur der, der nichts hat, ist glücklich und frei
und in fünfzig Jahren ist alles vorbei.“
Quelle: Die Immobilie