Selten war der Überraschungswert einer Leitzinsveränderung in den USA so gering wie heute, meint Christoph Bruns.
Warum die Zinserhöhung durch die Fed vor allem dem Aktienmarkt zugutekommt, welche Folgen sie für andere Anlageklassen haben wird und ob die EZB mit ihrer Zinspolitik nachziehen würde, erklärt Loys-Inhaber im Gespräch mit DAS INVESTMENT.com.
DAS INVESTMENT.com: Die meisten Marktteilnehmer haben bereits mit der Zinswende durch die US-Notenbank Fed gerechnet.
Lediglich die Höhe der Leitzinserhöhung blieb bis zuletzt geheim. Nun wurden die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Ist das für Sie eine Überraschung?
Christoph Bruns: Selten war der Überraschungswert einer Leitzinsveränderung in den Vereinigten Staaten so gering wie heute, denn die Fed kündigt bereits seit zwei Jahren eine solche Anhebung für das Jahr 2015 an, sodass jetzt nur noch der Dezember für diesen Schritt übrig blieb.
Im September lehnte die Fed noch eine Zinserhöhung ab. Was hat sich in den vergangenen 3 Monaten geändert?
Bruns: Wirtschaftlich betrachtet hat sich in den letzten Monaten wenig verändert und schon gar nicht zum Besseren. Wichtiger ist aber, dass sich die Fed selbst in eine Situation manövriert hat, aus der sie jetzt nur noch durch die lang angekündigte Leitzinserhöhung herauskommt, wenn sie nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren will.
Haben die Märkte eine Leitzinserhöhung bereits eingepreist?
Bruns: Ja, und der Markt hatte sogar bereits im September mit diesem Schritt gerechnet. Sobald aber der Einstieg in die Zinserhöhungsspirale vollzogen ist, wird sich der Kapitalmarkt mit der Zentralbankpolitik des kommenden Jahres beschäftigen.
Welche Auswirkungen wird die Leitzinserhöhung auf unterschiedliche Anlageklassen haben?
Bruns: Amerikanische Aktien leiden seit Jahresanfang unter der zögerlichen Haltung der Fed und wären erleichtert, wenn dieses kosmetische Theater endlich beendet würde. Im Rest der Welt sieht die Lage freilich ganz anders aus, denn dort sind die Zentralbanken weiter im Zinssenkungsmodus.
Die größten Gefahren lauern aber bei Anleihen, da steigende Zinsen – zumal am längeren Laufzeitende – Gift für die Kurse der festverzinslichen Papiere bedeuten. Wenn man bedenkt, dass sich die Weltfinanzmärkte an den USA orientieren, dann muss man auch für europäische Zinspapiere Befürchtungen hegen. Nicht nur deshalb sind die Aktien bereits seit einiger Zeit ohne sinnvolle Alternative. Das wird auch so bleiben, solange die Zinsen nicht wieder normale historische Niveaus erreichen. Damit aber ist in den nächsten Jahren überhaupt nicht zu rechnen.
Gold wird fälschlicherweise von manchen Anlegern als Kapitalanlage gesehen, während es bestenfalls eine ungestreute Spekulation auf einen Metallpreis darstellt. Privatanleger sollten sich von Rohstoffengagements lieber fernhalten. Was für Gold gilt, sehen wir auch bei den meisten anderen Rohstoffen. Auffällig ist dennoch, dass die Baisse in diesem Bereich sehr ausgeprägt ist und mit den fallenden Kursen auch die Chancen auf künftige Erholungen steigen.
Bei den Währungen, die sich in diesem Jahr stark bewegt haben, darf man nicht aus den Augen lassen, dass es sich hierbei jeweils um Austauschverhältnisse und keineswegs um Anlagegegenstände handelt. Ich neige zu einer antizyklischen Perspektive und könnte mir vorstellen, dass der Euro zwar eine Schwachwährung, jedoch gegenüber Dollar, Yen und Pfund durchaus nicht minderwertig einzustufen ist. Hier liegt vielleicht für die kommenden Monate positives Überraschungspotential.
Rechnen Sie mit einer Kapitalflucht aus Schwellenländern, wo es für Rentenpapiere noch ordentliche Rendite gibt, allerdings bei einem höheren Risiko, in die USA?
Bruns: Eine Kapitalflucht heraus aus den Schwellenländern ist seit längerem zu beobachten und steht im Zusammenhang mit steigenden Zinsen in den USA, fallenden Rohstoffnotierungen sowie politischer Instabilität in den betroffenen Regionen. Tendenziell wird sich diese Tendenz fortsetzen, wenngleich die Emerging Markets aus markttechnischen Gründen eher überverkauft aussehen.
Setzt die Fed-Leitzinserhöhung andere Notenbanken – insbesondere die EZB – unter Zugzwang, ebenfalls die Zinsschraube anzuziehen?
Bruns: In der Europäischen Zentralbank wünscht man sich eine Rückkehr zur Zinsnormalität in den USA, weil der Euro dadurch abgewertet wird und der Zwang, weitere Lockerungsmaßnahmen durchzuführen, gebremst wird. In der Eurozone werden die Zinsen noch auf Jahre hinaus nominal und vor allem real negativ bleiben.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.