Didier Saint-Georges, Managing Director und Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac über die Entwicklung der beiden Flaggschiff-Fonds Patrimoine und Investissement, Preisverzerrungen, die durch aktuelle Notenbankpolitik gebildet werden und andere makroökonomische Trends.
DAS INVESTMENT.com: Die Fed belässt zwar den Leitzins derzeit unverändert auf nahe Null, hält sich aber eine Erhöhung im Dezember offen. Wie steht Carmignac dazu? Rechnen Sie mit einer Zinserhöhung noch in diesem Jahr?
Didier Saint-Georges: Janet Yellen stimmt die Märkte eindeutig auf Zinserhöhungen ein. In ihrer Rolle als Präsidentin der Notenbank muss sie einen gewissen Handlungsspielraum wiederherstellen, um ihre Geldpolitik beim nächsten Wirtschaftsabschwung lockern zu können. Allerdings darf sie auch ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Das würde passieren, wenn sie zuerst die Zinsen erhöht und kurz darauf ihren Kurs ändert. Sie ist sich der fortgeschrittenen Phase des US-Konjunkturzyklus und des US-Kreditmarktes durchaus bewusst. Sie wird das tun, was ihr die Märkte gestatten, dabei aber dennoch auf der sicheren Seite bleiben. Derzeit senden die Märkte das Signal, dass sie für eine kleine Zinserhöhung bereit sind.
Mutige Anleger sollen auf argentinische Banken wetten, erklärte kürzlich Carmignacs Schwellenmarkt-Manager Xavier Hovasse. Überhaupt sei Argentinien der erfolgversprechendste Grenzmarkt, sagte er. Warum?
Saint-Georges: Argentinien könnte in der Tat sehr interessant werden – vorausgesetzt sie schafft es ihre Hauptprobleme zu lösen. Die Regierung in Buenos Aires müsste regulatorische Änderungen vornehmen, Kapitalkontrollen abschaffen, Bankreformen durchführen, Preiskontrollen aufheben. Dann steigen die Exporte an, Auslandsinvestitionen kehren zurück und die Zahlungsbilanz verbessert sich. Mit politischen Fortschritten in Argentinien sinken die Risiken für Investoren. Die Herausforderung besteht darin, Aktien mit attraktiven Fundamentaldaten zu finden. Man soll dabei aber nicht nur auf die makroökonomische Daten schauen, sondern sich mit den Spezifika und Bewertungen der Unternehmen, die man kaufen will, wohl fühlen.
Unter den Schwellenländern bevorzugt Carmignac außerdem China, Indien und Mexiko. Warum?
Saint-Georges: In China ist die Industrie sehr schwach entwickelt und wird lange an Überkapazität leiden. Doch der Dienstleistungssektor blüht und der Binnenmarkt profitiert von der wirtschaftsfreundlichen Politik der Regierung. Aus diesem Grund konzentrieren wir den Großteil unserer Portfolios in diesem Bereich. In Indien schreiten die Reformen voran. Die Zentralbank hat bei der Kontrolle der Inflation gute Arbeit geleistet, das Leistungsbilanzdefizit sinkt und die Investitionen nehmen zu. Aufgrund dieser Entwicklungen und da wir grundsätzlich gerne auf unzureichend durchdrungene Sektoren setzen, sind wir bezüglich unserer Positionen in Indien zuversichtlich. Mexiko war enttäuschend, doch man kann dennoch hochwertige Unternehmen aus dem Bereich der gewerblichen Immobilien finden, die ihre Einnahmen in US-Dollar erzielen.
Welche Rolle spielen Schwellenmärkte bei den Flaggschiff-Fonds Carmignac Investissement und Patrimoine? Wie hat sich das im Laufe der letzten 3 Jahre geändert? Saint-Georges: Heutzutage findet man auch in den Schwellenländern tolle Wachstums-Unternehmen. Vor zehn Jahren war das noch wesentlich schwieriger. Allerdings ist der Schwellenländer-Markt viel heterogener als früher geworden. Daher halten wir zwar nach wie vor bedeutende Positionen in den Schwellenländern, gehen dabei aber selektiver als früher vor. Hierbei sind unsere Schwellenmarkt-Spezialfonds eine hilfreiche Ideenquelle für unsere Globalfonds.
Auf der jüngsten Carmignac-Investmentkonferenz gab das Management des Aktienfonds Carmignac Investissement bekannt, dass die Aktienquote beinahe auf den Mindestanteil von 60 Prozent heruntergefahren wurde. Was waren die Gründe dafür?
Saint-Georges: An den Aktienmärkten sehen wir derzeit zwei miteinander kollidierende Trends. Der erste Trend ist eine globale wirtschaftliche Verlangsamung. Der US-Zyklus zeigt Zeichen der Ermüdung, China bremst immer weiter ab, Japan wächst immer noch nicht, der Schuldenstand bleibt auf hohem Niveau und es könnte sein, dass in den USA die Realzinsraten ansteigen. Auf der anderen Seite hat die „Liquiditätspumpe“ QE zu Überschüssen in rohstoffabhängigen Ländern geführt. Das Zusammentreffen dieser beiden Trends ist beunruhigend. Deswegen haben wir das Beta unserer Fonds stark reduziert. Stattdessen setzen wir auf Aktien, die angesichts des dauerhaft schwachen Wachstums, der niedrigen Inflation und der geringen Zinsen überragende Leistungen erbringen.
In diesem Jahr lief es nicht so gut für die beiden Flaggschiff-Fonds Patrimoine und Investissement. Woran lag das? Und was will das Fondsmanagement unternehmen, um die Fonds weiter nach vorne zu bringen?
Saint-Georges: Die ersten vier Monate dieses Jahres haben sich unsere Fonds sehr gut entwickelt. Allerdings haben uns die sehr starken Kursausschläge während der Griechenlandkrise sowie in diesem Sommer sehr zu schaffen gemacht. Wir haben die Irrationalität der trendgetriebenen Märkte, wo eine 2-prozentige Abwertung des Renminbi einen Sturz des S&P 500 um 10 Prozent innerhalb einer Woche auslösen kann, unterschätzt. Dadurch verloren wir die Erträge, die wir in den Vormonaten erwirtschaftet hatten. Bereits seit sieben Jahren schaffen die Zentralbanken Preisverzerrungen, die durch ETFs zusätzlich verschärft werden. Das macht Investoren, die sich an Fundamentaldaten orientieren, das Leben schwer. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Macht der Zentralbanken, Blasen zu bilden, allmählich schwinden wird. Dadurch werden sich das Risiko-Management und die Einzeltitelauswahl, die sich am inneren Wert der Papiere orientiert, wieder lohnen.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.