Widerrufsjoker stehe vor dem Aus, meint Roland Klaus von der Interessengemeinschaft Widerruf. Daher sollten sich Kreditnehmer, die wegen einer länger zurückliegenden fehlerhaften Belehrung ihren Vertrag widerrufen wollen beeilen. Denn es stehe ein Run auf den Widerrufsjoker an, der die Kapazitäten vieler Anwälte übersteigen dürfte.
Entgegen einzelner Meinungen von Juristen steht der sogenannte Widerrufsjoker – also der Widerruf von Kreditverträgen aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung – vor dem Aus: Für Kredite, die bis Mitte 2010 abgeschlossen wurden, dürfte die Möglichkeit zum Widerruf im Juni 2016 enden.
Bis März nächsten Jahres muss die Bundesregierung eine europäische Richtlinie zur Regelung von Wohnimmobilienkrediten in deutsches Recht umgesetzt haben. Und es deutet derzeit alles darauf hin, dass im Zuge dieser Neuregelung auch das Widerrufsrecht für Baukredite neu geregelt wird – und zwar sowohl für neu abzuschließende Darlehen als auch für Kredite, die nach November 2002 unterzeichnet wurden.
Baufinanzierung: Verträge nur drei Monate widerrufbar
Besonders einschneidend ist die Regelung für Baufinanzierungen, die zwischen November 2002 und Juni 2010 geschlossen wurden. Sie sollen nach Inkrafttreten des Gesetzes nur noch drei Monate widerrufbar sein, wenn die Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag fehlerhaft ist. Tritt das Gesetz also wie geplant im März in Kraft, dann endet die Frist im Juni.
Zwar sah der ursprüngliche Gesetzesentwurf eine solche rückwirkende Regelung für Altverträge nicht vor. Mittlerweile jedoch, so eine Sprecherin des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, sei die Rückwirkung auf Initiative des Bundesrats in den Gesetzestext aufgenommen worden und alles spricht dafür, dass sie auch im endgültigen Gesetz stehen wird. Die nächste Lesung im Bundestag ist für Mitte November geplant.
Die Lobby der Kreditinstitute hat sich durchgesetzt
Damit hat sich offenbar die Lobby der Kreditinstitute durchgesetzt, die massiv auf eine Beschneidung des sogenannten Widerrufsjokers gedrängt hatte. Denn etliche Zehntausend Verbraucher hatten in den vergangenen Monaten ihre Kreditverträge mit dem Hinweis auf eine mangelhafte Widerrufsbelehrung widerrufen und den Banken damit vermutlich Milliardenverluste beschert. Die Argumentation, die von zahlreichen Gerichtsurteilen gestützt wird, lautet: Wird der Kreditnehmer nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, dann fängt die üblicherweise 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen an – Darlehen können daher auch Jahre nach dem Abschluss noch widerrufen werden.
Brisant wird dieser Sachverhalt aufgrund der in den vergangenen Jahren deutlich gesunkenen Zinsen. Denn zahlreiche Immobilienbesitzer zahlen derzeit für Baufinanzierungen, die in den Jahren 2007 bis 2010 abgeschlossen oder prolongiert wurden, noch Zinsen zwischen vier und fünf Prozent, während der Bauzins aktuell unter zwei Prozent liegt. Mit einem wirksamen Widerruf kann der Kreditnehmer aus seinem Darlehen aussteigen und die niedrigen Zinsen für eine sofortige Umschuldung nutzen – auch wenn seine Zinsbindung eigentlich noch Jahre läuft.
Brisant wird dieser Sachverhalt aufgrund der in den vergangenen Jahren deutlich gesunkenen Zinsen. Denn zahlreiche Immobilienbesitzer zahlen derzeit für Baufinanzierungen, die in den Jahren 2007 bis 2010 abgeschlossen oder prolongiert wurden, noch Zinsen zwischen vier und fünf Prozent, während der Bauzins aktuell unter zwei Prozent liegt. Mit einem wirksamen Widerruf kann der Kreditnehmer aus seinem Darlehen aussteigen und die niedrigen Zinsen für eine sofortige Umschuldung nutzen – auch wenn seine Zinsbindung eigentlich noch Jahre läuft.
Zwei Arten, wie Kreditinstitute auf einen Widerruf reagieren
Die Erfahrungen der Interessengemeinschaft Widerruf www.widerruf.info , einer Anlaufstelle für Verbraucher zur kostenlosen Prüfung der Kreditverträge und zur Durchsetzung eines Widerrufs, zeigen allerdings, dass ein solcher Ausstieg aus einem Darlehen kein Selbstläufer ist. Grundsätzlich gibt es zwei Arten, wie Kreditinstitute auf einen Widerruf reagieren: Die erste Gruppe (z.B. Deutsche Bank, Commerzbank, DKB) zeigt keinerlei Kompromissbereitschaft und reagiert erst, wenn der Kunde vor Gericht zieht und klagt. Die zweite Gruppe dagegen ist vergleichsbereit. Sie bietet den Kunden eine vorzeitige Auflösung des Darlehens an, zumeist unter Verzicht auf die Vorfälligkeitsentschädigung. Alternativ wird der Zinssatz für ein laufendes Darlehen in die Nähe des Marktzinses abgesenkt.
In beiden Fällen sparen Kreditnehmer viel Geld. Bei einem Darlehen mit einem Volumen von 200.000 Euro bedeutet beispielsweise die Reduzierung des Zinses von fünf auf zwei Prozent eine Ersparnis von 500 Euro pro Monat. Zu dieser Gruppe der kompromissbereiten Kreditinstitute gehören beispielsweise ING Diba, die Sparda-Banken, die BB Bank, Berliner Bank sowie etliche Versicherungen wie R&V, Ergo, Axa oder Debeka.
Ohne rechtliche Hilfe werden Widerrufe mit Standard-Ablehnungsschreiben abgespeist
Allerdings zeigen unsere Erfahrungen auch: Solche Ergebnisse sind in der Regel nur mit Begleitung erfahrener Anwälte möglich. Solange der Kunde auf eigene Faust den Widerruf bei seiner Bank ausspricht, wird er mit einem Standard-Ablehnungsschreiben abgespeist. Die Kosten für den Anwalt werden zumeist von der Rechtsschutzversicherung übernommen, sofern es sich nicht um einen Neubau oder ein vermietetes Objekt handelt.
Immobilienbesitzer, die ein Darlehen aus den Jahren bis einschließlich 2010 laufen haben, sollten möglichst schnell ihren Kreditvertrag auf fehlerhafte Widerrufsbelehrung prüfen lassen. Wir gehen davon aus, dass aufgrund der bevorstehenden gesetzlichen Änderungen kurz vor Ende der Frist ein regelrechter Run auf den Widerrufsjoker entstehen wird, der die Kapazitäten von kompetenten Anwälten übersteigen dürfte. Unter dem Strich spricht damit einiges dafür, dass die Bankenlobby durch die bevorstehende Abschaffung der Widerrufsmöglichkeit ein Eigentor geschossen hat. Denn durch die mediale Berichterstattung werden etliche Verbraucher auf den Widerrufsjoker aufmerksam, die ansonsten vermutlich nie davon Gebrauch gemacht hätten.
Autor: Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
Von: Roland Klaus
Quelle: DAS INVESTMENT.