Warum der Automobilsektor – und auch VW – sich bald erholen dürften und welche Alternativen zu Dax Deutschland-Anleger vorziehen sollten, erklärt Rob Smith, Manager des Deutschland-Aktienfonds Baring German Growth Trust.
DAS INVESTMENT.com: Der Abgas-Skandal lässt die VW-Aktie einbrechen und zieht die anderen Dax-Autowerte und damit den gesamten Index nach unten. Drohen aus ihrer Sicht weitere signifikante Kursverluste bei Autoaktien und werden sie den Dax in den kommenden Monaten weiter bremsen?
Rob Smith: Der Automobilsektor geriet bereits vor dem VW-Skandal unter Druck, da Marktteilnehmer auf den Pkw-Absatz in China fixiert waren, ohne dabei den starken Anstieg der Verkaufszahlen in Europa zu berücksichtigen. Nun also, wo der VW-Skandal langsam aus den Schlagzeilen verschwindet und sich die Branche kurzzeitig von einer überverkauften Position erholt, werden wahrscheinlich die Absatzzahlen aus China für September darüber entscheiden, ob der Sektor erneut unter Druck gerät.Meiner Einschätzung nach handelte es sich bei dem jüngsten Rückgang der Autoverkäufe in China lediglich um ein zyklisches Phänomen und nicht um ein strukturelles, so dass der Pkw-Absatz in China innerhalb der nächsten sechs Monate im Vorjahresvergleich erneut Zuwachsraten verzeichnen wird. Sobald dies der Fall ist – wobei ich den genauen Zeitpunkt nicht bestimmen kann – wird der Druck auf die Branche verschwinden. Nichtsdestotrotz würde ein weiterer schlechter Monat von Automobilverkäufen in China die Erholung des Dax bremsen – ich gehe davon aus, dass sich die Lage in naher Zukunft dann jedoch zum Besseren wenden wird.
Die schwedische Bank Nordea hat ihren Händlern den Kauf der VW-Aktie untersagt. Die EZB hat die VW-Aktie im Rahmen ihres Ankaufprogramms forderungsbesicherter Wertpapiere vorerst auf die schwarze Liste genommen. Kommt das VW-Papier für Sie bis auf Weiteres für einen Kauf infrage?
Smith: Das Unternehmen VW steht nicht vor einer Pleite, auch nicht angesichts enormer Bußgelder und Prozesskosten in den USA und möglicherweise weiteren Ländern. Wir haben bereits Reputationsschäden in anderen Fällen in der Automobilbranche erlebt und wissen, dass die Erinnerung schnell nachlässt und sich Marktanteile innerhalb von ein oder zwei Jahren wieder auf den alten Niveaus befinden. Das vermutlich treffendste Beispiel hierfür – es gab ebenfalls eine breit angelegte Rückrufaktion, so wie sie auch VW bevorsteht – ist der Fall von Toyota und den klemmenden Gaspedalen in den USA. Der massive Verlust von Marktanteilen, der drei bis vier Monate nach Bekanntwerden der Information verzeichnet wurde, war im elften Monat wieder vollständig aufgeholt. Im Fall des Zündschloss-Skandals von GM fielen die Schlagzeilen schon beinahe hysterisch aus, der Marktanteil von GM in den USA veränderte sich indes kaum. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich das Problem lediglich auf einen Motorentyp bezieht. Denn abgesehen davon stellt der VW-Konzern immer noch sehr gute und für Verbraucher attraktive Autos her. Vorausgesetzt, dass die Geschäftsführung von VW die richtige Haltung im Umgang mit Coporate Governance, sozialer Verantwortung und der Wiedererlangung des Vertrauens der Verbraucher einnimmt, würde ich zu einem angemessenen Preis in VW-Aktien investieren.
ie aktuellen – vermeintlichen – Schwächen des Dax wie starke Autoindustrie und Exportlastigkeit waren lange Zeit seine Stärken und verhalfen ihm zu einem Bewertungsaufschlag gegenüber anderen Länderindizes. So lag der deutsche Leitindex in den vergangenen zehn Jahren 30 Prozent über dem MSCI World. Droht sich dieser Bewertungsaufschlag in den kommenden Jahren in einen Bewertungsabschlag zu verwandeln?
Smith: Da der Einkommensstrom eines Unternehmens letztendlich seinen Aktienkurs bestimmt, existiert so etwas wie eine Wertkorrektur meiner Ansicht nach nicht. Anleger sollten weniger auf Indizes fixiert sein und sich eher auf die einzelnen Unternehmen konzentrieren.
Millionen deutsche Sparer setzen bei ihrer Altersvorsorge unter anderem auf die Wertentwicklung des Dax. Wird der Dax dieser Rolle als langfristiges Basisinvestment weiterhin gerecht?
Smith: Auch hier liegt das Problem darin, dass man sich auf eine Anlage in einen einzelnen Index verlässt. Privatanleger können in eine langfristige Investition in deutsche Unternehmen vertrauen, insofern sie in die richtigen Unternehmen investieren. Sich jedoch auf eine Anlage in einen Index zu beschränken, ist immer eine Garantie dafür, auch in schlechtere Unternehmen zu investieren.
Welche Alternativen haben Investoren, die breit gestreut in deutsche Aktien anlegen möchten, den Dax aber nicht mehr für attraktiv halten?
Smith: Aktiv verwaltete Fonds. Fonds, die über alle Marktkapitalisierungen hinweg investieren können, sich dabei aber eher auf mittlere und kleinere deutsche Unternehmen konzentrieren.
Werden es aktive Manager von Deutschland-Fonds in Zukunft leichter haben, den Dax als Benchmark zu schlagen?
Smith: Durch Banken, Stromversorger und jetzt VW fand bei Dax-Unternehmen bereits ein gewaltiger Wertverlust statt und die Gewichtung eben dieser Unternehmen ist somit in einem großen Umfang zurückgegangen. Aus diesem Grund wird es zunehmend schwerer den Dax zu schlagen. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass es immer Phasen geben wird, in denen es schwierig ist, den Dax zu schlagen. So auch beispielsweise Ende letzten Jahres, als die EZB die quantitative Lockerung ankündigte und der europäische Markt mit Geld überschwemmt wurde, welches in die liquidesten Bereiche floss, sprich Dax-Futures. Infolgedessen hinkten Nebenwerte für mehrere Monate hinterher. Solche Phasen dauern jedoch nie lange an und wie ich bereits erwähnte, können die schwerfälligen Giganten nie so schnell wachsen wie kleinere Unternehmen. Über mittel- bis langfristige Anlagezeiträume dürften aktive Manager mit Fokus auf das untere Ende der Marktkapitalisierungsbandbreite also immer in der Lage sein, den Dax als Benchmark zu schlagen.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.