Pressemitteilung Pictet Asset Management: Die Energieproblematik des Bitcoin

Bei der FondsAuswahl zählt die Unabhängigkeit vom Anbieter! Pictet | Frankfurt, 05.11.2021.

Ist die energieintensive Architektur des Bitcoin eine Schwachstelle der Kryptowährungen und anderer vielversprechender Blockchain-Anwendungen?

Einen Bitcoin kann man nicht in die Hand nehmen. Es gibt auch keinen Basiswert zu der Kryptowährung. Er existiert nur virtuell, doch seine Auswirkungen auf die reale Welt finden immer stärker Beachtung. Seit Jahren wird von Kritikern bemängelt, dass der Bitcoin zu viel Strom verschlingt, wobei klimaschädliches Kohlendioxid entsteht.

Denn wenn der Bitcoin-Kurs steigt (dieses Jahr schon auf mehr als das Doppelte, bevor er zuletzt wieder auf Talfahrt ging), nimmt auch der Strombedarf zu. Die Rechenleistungen für die Kryptowährung verzehren derzeit jährlich eine Strommenge von etwa 115 TWh, vor allem die rechenintensiven „Mining“-Prozesse. Das ist mehr als der gesamte Verbrauch der Niederlande, wie aus den laufend erfassten Berechnungen des Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index hervorgeht.1

Problematisch ist aber nicht nur der hohe Strombedarf des Bitcoin, sondern auch, woher die Energie dafür stammt. Forscher der Bank of America schätzen, dass 72% des Bitcoin-Minings in China stattfinden, und das Land deckt seinen Energiebedarf nach wie vor überwiegend mit Kohlestrom und kaum aus erneuerbaren Quellen.2

Das Bitcoin-Mining ist als undurchsichtiger Vorgang konzipiert, insofern lässt sich kaum beziffern, wie hoch der Anteil an „Kohleasche“ in diesem Geschäft tatsächlich ist. Als aber im April ein Kohlebergwerk in der chinesischen Provinz Xinjiang überflutet wurde, war in der Folge ein Drittel der weltweiten Bitcoin-Rechenleistung lahmgelegt.3

Laut einem kürzlich erschienenen Forschungsbericht könnten die jährlichen CO2-Emissionen für das Bitcoin-Mining in China ohne Regulierung bis 2024 fast so hoch sein wie die Gesamtemissionen von Nigeria. „Dies könnte die weltweiten Bemühungen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen in naher Zukunft merklich erschweren“, so die Forscher.4 Die Inhaber der Währung bekommen diese Problematik auch in finanzieller Hinsicht zu spüren. Als der Autohersteller Tesla ankündigte, wegen des hohen Stromverbrauchs des Bitcoin keine Zahlungen mehr in dieser Währung zu akzeptieren, stürzte der Kurs ab. (Bald darauf stabilisierte er sich wieder, nachdem Tesla-Gründer Elon Musk angekündigt hatte, mit den Minern über verbesserte Nachhaltigkeit des Bitcoin diskutieren zu wollen.) Darüber hinaus können strenge regulatorische Massnahmen den Kurs in die Höhe treiben, so geschehen etwa, als der chinesische Ausschuss für Finanzmarktstabilität die Regulierung der Währung auf die Tagesordnung nahm. Auch das US-Finanzministerium verschärft seine gesetzlichen und steuerrechtlichen Vorschriften.

 

Warum verbrauchen Bitcoins so viel Strom?

 

Der immens hohe Energieverbrauch entsteht insbesondere durch den sogenannten Arbeitsnachweis (Englisch „proof of work“) beim Erzeugen neuer Bitcoin-Münzen. Jede Transaktion wird zur Nachverfolgbarkeit in einer Blockchain registriert, einer Art unveränderlichem Hauptbuch, das von riesigen Servernetzen unterstützt wird. Bei jedem Münzentausch bestätigen die Miner den Vorgang, indem sie möglichst schnell eine algorithmische Aufgabe lösen. Der Gewinner erhält neue Bitcoins gutgeschrieben.

Steigende Preise spornen dazu an, noch grössere Geschütze zur Lösung dieser Aufgaben aufzufahren. „Je höher der Preis, desto grösser ist der Anreiz für die Miner, dem Netzwerk beizutreten und sich dem Wettlauf zu stellen“, erklärt Anton Dek, Leiter des Bereichs Kryptowährung und Blockchain am Cambridge Centre for Alternative Finance.

Und der Stromverbrauch der Bitcoins wird zwangsläufig steigen, denn wie in einem richtigen Bergwerk wird es mit der Zeit immer schwieriger, neue Ressourcen zu finden. Um das Angebot zu steuern, haben die Bitcoin-Entwickler die Anzahl der Münzen von vornherein auf 21 Millionen Stück festgelegt. Die meisten davon sind bereits im Umlauf. Um die noch verbleibenden Münzen zu schürfen, müssen die Miner immer kompliziertere mathematische Rätsel lösen. Dies erfordert mehr Rechenleistung, sprich mehr Strom.

„Der Bitcoin ist ein rares Gut, das macht seinen Reiz aus (…) Das macht ihn aber auch so energieaufwändig“, erklärt Peter Wall, CEO von Argo Blockchain, einem börsennotierten Bitcoin-Mining-Unternehmen in London, das seine ersten Mining-Anlagen im kanadischen Quebec errichtet hat und dort mit günstigem Strom aus Wasserkraft betreibt.

Schaubild zum Stromverbrauch des Bitcoin

 

Ist der Preis gerechtfertigt?

 

Der enorm hohe Stromverbrauch hat den Vorteil, dass es fast unmöglich ist, Bitcoins zu stehlen – und das ist genau so gewollt. „Es ist scheinbar völlige Ressourcenverschwendung, aber das Konzept ist gezielt ineffizient, weil es (dann) wirklich schwierig ist, das Netzwerk zu kapern“, erklärt Dek. „Das ist ein Stück weit der Preis, den wir für sichere Transaktionen zahlen.“

Einige Bitcoin-Fans sehen diese Umweltbelastungen schlicht als Kosten für den Fortschritt – und als angemessenen Preis. „Computer und Smartphones haben eine viel schlechtere CO2-Bilanz als Schreibmaschinen und Telegrafen. Manchmal ist eine Technologie so revolutionär (…), dass die Gesellschaft die Kompromisse hinnimmt“, schrieb der amerikanische Investor Tyler Winklevoss auf Twitter.5

Andere gehen noch weiter. Laut einer Studie der Investmentgesellschaft ARK Invest und des Zahlungsdienstleisters Square, der vom Twitter-CEO Jack Dorsey geleitet wird, könnte der Bitcoin zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen, weil er verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien fördert.6

Der Bitcoin hat als Marktführer u.a. wegen seiner Grösse eine deutlich schlechtere Ökobilanz als die anderen Kryptowährungen. Doch es gibt auch weniger belastende Kryptowährungsprotokolle. So will die weltweit zweitgrösste Kryptowährung Ethereum nach eigenen Angaben ihren Energieverbrauch schon in wenigen Monaten um das Tausendfache senken. Erreicht werden soll dies durch die Umstellung vom „Proof of Work“-System auf den energiesparenden Konsensmechanismus „Proof of Stake“ (PoS).

Im Gegensatz zum „Proof of Work“ wird beim PoS nicht immer mehr Leistung für die Sicherungsmassnahmen benötigt. Bei diesem Verfahren validiert ein Teilnehmer prozentual nur so viel von einer Transaktion, wie er bereits selbst von der Währung besitzt, ohne dass massenweise Energie zur Lösung mathematischer Rätsel vergeudet wird. Es kommt mit weniger Rechenaufwand aus und ist nicht von der Grösse des Servernetzes abhängig. Darüber hinaus ist es mit einem einfachen Laptop zu bewerkstelligen und erfordert keine spezielle Computerhardware.

„Die alternativen Kryptowährungen, die Altcoins, benötigen für das Proof-of-Stake-Protokoll kaum Energie“, so Wall. „Sie laufen letztlich über einen Rechnerknoten und brauchen so wenig Strom wie ein ganz gewöhnlicher Computer.“

Ethereum kündigt diese Umstellung schon seit Jahren an, wurde aber durch technische Schwierigkeiten aufgehalten. Wenn dieser Schritt in den kommenden Monaten endlich vollzogen wird, soll der Energiebedarf nach Angaben der Währungsmacher von ca. 5,13 GW (was ungefähr dem Verbrauch von Peru entspricht) auf 2,62 MW sinken – und das wäre in etwa der Stromverbrauch einer Kleinstadt. Das PoS-Verfahren kommt bereits bei anderen Kryptowährungen wie Cardano zum Einsatz.

Die Energieproblematik des Bitcoin betrifft nicht die Blockchains insgesamt. Bei den als „genehmigte“ Blockchains bezeichneten Unternehmensanwendungen wird ein engerer Kreis vertrauenswürdiger Teilnehmer einbezogen, beispielsweise Unternehmen in einer Lieferkette. Die komplexen Bestätigungen zur Nachverfolgung einer Transaktion entfallen hier. Die Blockchains benötigen zwar immer noch mehr Energie als herkömmliche IT-Architekturen, aber längst nicht in gleichem Masse.

Zudem kommen viele Blockchain-Initiativen der Umwelt zugute. In Lieferketten können sie dazu beitragen, Produktrückrufaktionen gezielter durchzuführen, Verwaltungslasten abzubauen oder das Luftfrachtgewicht zu verringern. Darüber hinaus sorgen sie für mehr Transparenz und Sicherheit in Bereichen wie Datenverkehr, Verträge, Handel oder Preisgestaltung, und unterstützen intelligente Netze und dezentrale Stromerzeugung.

 

Kann der Bitcoin ökologisch werden?

 

Im Gegensatz zu Ethereum besteht beim Bitcoin kein weit gediehener Plan zur Änderung des Systems. Doch nicht das gesamte Mining ist von chinesischem Kohlestrom abhängig. Untersuchungen der Universität Cambridge gehen davon aus, dass fast 40 Prozent des Energieverbrauchs für den Bitcoin aus erneuerbaren Quellen stammen, insbesondere aus der Wasserkraft.7 Auf der anderen Seite wurde in der chinesischen Region Innere Mongolei, Standort vieler grosser Kohlebergwerke und begehrter Lieferant von Billigstrom für die Industrie, das Mining von Kryptowährungen verboten, um den Stromverbrauch zu senken.8

Manche Miner betreiben ihre Rechner mit dem etwas weniger schmutzigen Erdgas, das sonst „abgefackelt“ oder verbrannt würde.9 Andere wählen für Krypto-Mining-Anlagen Standorte, wo die günstige Windenergie reichlich vorhanden ist, wie Peter Wall mit seinem jüngsten Projekt in Texas. Im März unterzeichnete er einen Vertrag zur Gründung der weltweit ersten Bitcoin-Mining-Anlage, die ausschliesslich mit grüner Energie betrieben wird. „Bitcoin ist eine neue Technologie, und als solche sollte er mit neuen Technologien erzeugt werden“, argumentiert Wall. „Ich denke, die Entwicklung geht in Richtung erneuerbare Energien, denn wir wollen keine steigenden Emissionen. Das ist sowohl ein Geschäftsrisiko als auch ein Problem für unseren Planeten.“

Immer mehr Unternehmen und institutionelle Anleger besitzen Bitcoins oder fördern den Handel mit der Währung, so z.B. BlackRock, Tesla, Square, Revolut oder der Softwarehersteller MicroStrategy, an dem u.a. der staatliche norwegische Pensionsfonds und das britische Vermögensverwaltungsunternehmen Vanguard Anteile halten. Auf ihnen allen lastet der Druck, Rechenschaft über die eigenen indirekten Emissionen abzulegen, und sie müssen möglicherweise irgendwann dafür aufkommen, wenn die Preise für CO2-Emissionen angepasst werden. Vielleicht rücken sie dann vom Bitcoin ab – oder sie gehen Partnerschaften mit umweltfreundlichen Minern ein.

Überzeugten Optimisten könnte das Bitcoin-Mining einen Anreiz bieten, mehr in die Entwicklung erneuerbarer Infrastrukturen zu investieren. Nach Squares Überzeugung könnten die Bitcoin-Miner das Problem der „Periodizität“ bei erneuerbaren Energien lösen. Sonne und Wind sind im Grunde unberechenbar, und ihre geografische oder tageszeitliche Verfügbarkeit lässt sich nicht mit dem Strombedarf der Endverbraucher vereinbaren. Aufgrund dieses dauerhaften Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage mangelt es an Investitionen seitens der Bauträger, die Überkapazitäten und damit geringere wirtschaftliche Erträge vermeiden wollen. Die Miner könnten sich als flexible „Käufer in der Not“ erweisen und vermehrt in Anlagen im Bereich erneuerbare Energie investieren. Dieses Argument überzeugt nicht jeden, doch es zeigt, dass sich die Befürworter der Kryptowährungen darum bemühen, dieses moderne Instrument nicht in dem rückschrittlichen, kohlelastigen Energiesystem zurückzulassen.

[1] CBECI
[2] https://www.ft.com/content/0448b44d-1d78-48f8-8ca8-6edae7976a5f
[3] https://fortune.com/2021/04/20/bitcoin-mining-coal-china-environment-pollution/
[4] https://www.nature.com/articles/s41467-021-22256-3
[5] https://twitter.com/tyler/status/1359576741686124544
[6] Bitcoin Clean Energy Efficiency Memorandum
[7] Judge Business School der University of Cambridge, „Third global cryptoasset benchmarking study“, Sept. 2020 [8] https://www.bloomberg.com/news/articles/2021-03-01/bitcoin-rises-after-china-region-declares-war-on-crypto-mining
[9] https://www.bloomberg.com/news/articles/2021-02-10/bitcoin-is-red-hot-can-it-ever-be-green-quicktake

Pictet Asset Management
Neue Mainzer Strasse 1
60311 Frankfurt

Siehe auch

Pressemitteilung JP Morgan Asset Management: Die britische Finanzministerin steht diese Woche vor schwierigen Entscheidungen

JP Morgan | Frankfurt, 29.10.2024. Die britische Finanzministerin Rachel Reeves wird am Mittwoch bei der Vorstellung ihres ersten Haushalts mehrere Herausforderungen bewältigen müssen. Reeves muss nicht nur das £22 Milliarden „schwarze Loch“ für das aktuelle Haushaltsjahr stopfen, sondern es sind auch Entscheidungen über den mittelfristigen Ausblick für die Ausgaben der Ministerien und die Investitionen im …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert