Pictet | Frankfurt, 10.12.2021.
Riskantere Anlageklassen werden auf oder in der Nähe von Allzeithochs gehandelt. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Die Nachfrage der Verbraucher und der Industrie ist robust, Lieferengpässe scheinen sich aufzulösen – was möglicherweise einen Abwärtsdruck auf die Inflation zur Folge hat – und um die Unternehmensgewinne und -margen ist es weiterhin gut bestellt.
Das sind gute Aussichten für die Aktienmärkte in der nächsten Zeit.
Dieses positive Bild muss jedoch relativiert werden, weil eine neue Bedrohung auf die Wirtschaft zukommt. Die Investorinnen und Investoren hatten Covid-19 nicht mehr ganz so auf dem Radar, aber die kürzlich identifizierte Omikron-Variante des Covid-Virus führt uns vor Augen, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Auch wenn pandemiebedingte Entwicklungen nicht mehr den Konjunkturzyklus beherrschen, so können sie ihn doch beeinflussen.
Die Märkte wurden durch das Aufkommen einer neuen Covid-Variante, die von der Weltgesundheitsorganisation als „sehr hohes“ Risiko eingestuft wurde, stark verunsichert. Die vielen Mutationen im Virenstamm deuten darauf hin, dass sich das Virus bis zu einem gewissen Grad den aktuellen Impfstoffen entzieht, aber das ist noch nicht erwiesen.
Ebenso unklar ist, wie schwer der Krankheitsverlauf bei dieser neuen Variante ist, auch wenn es vorsichtige Hinweise darauf gibt, dass die neue Covid-Variante zwar ansteckender, aber weniger gefährlich sein könnte.
Die Regierungen gehen keine Risiken ein. Viele Länder haben Reisebeschränkungen verhängt und haben vielleicht daraus gelernt, dass ein Zögern wie bei der Ausbreitung der Delta-Variante Anfang des Jahres gravierende Folgen haben kann.
Das Bild ist aber nicht komplett negativ.
Obwohl Covid-19 zu Verzerrungen und Lieferengpässen geführt hat, haben sich die Volkswirtschaften im Grossen und Ganzen bemerkenswert gut an die Unwägbarkeiten der Pandemie angepasst und sind nun besser dagegen gewappnet.
Zudem scheint es, dass die aktuellen Impfstoffe an die neue Variante angepasst werden können.
Gleichzeitig sehen wir keine Hinweise auf überzogene Aktienbewertungen bei Unternehmen, die von einer vollständigen Wiederöffnung der Wirtschaft profitiert hätten. Die Bewertungen für Covid-sensitive Aktien deuten darauf hin, dass die Investorinnen und Investoren weitgehend skeptisch sind, dass es zu einer reibungslosen und störungsfreien Wiederöffnung der Wirtschaft kommen wird.
Trotz der zunehmenden Unsicherheit glauben wir, dass wir uns weiter auf die Wiederöffnung und Quasi-Normalisierung der globalen Volkswirtschaften zubewegen.
Vor diesem Hintergrund behalten wir unsere neutrale Gewichtung von Aktien und unsere Untergewichtung von Anleihen bei.
Insgesamt zeigen unsere Konjunkturzyklusindikatoren, dass sich die Wirtschaft weiter von der Pandemie erholt. Trotz der Sorge über kurzfristige Risiken für das Wachstum in Europa, die hauptsächlich auf neue Lockdowns und einen erneuten Anstieg der Covid-19-Fallzahlen zurückzuführen ist, sind wir zunehmend zuversichtlich, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen in den Industrieländern positiv entwickeln werden.
Es ist davon auszugehen, dass das US-Wachstum sowohl real als auch nominal sehr stark bleibt (siehe Abb. 2). Wir gehen davon aus, dass die Dienstleistungsbranchen weltweit an Dynamik gewinnen werden. Unter normalen Umständen würden die Dienstleistungssektoren typischerweise der verarbeitenden Industrie folgen – die in letzter Zeit etwas geschwächelt hat. Nach unserem Dafürhalten wird die nächste Phase der Erholung vom Dienstleistungssektor getragen, da die Wiederöffnung der Volkswirtschaften im Grossen und Ganzen planmässig verläuft (trotz erhöhter Unsicherheit aufgrund der Ausbreitung der Omikron-Variante).
Wir prognostizieren eine allmähliche Beschleunigung des Wachstums bis ins erste Halbjahr 2022. Das Tempo des globalen Wirtschaftswachstums dürfte vorerst weiter über dem Trend liegen – unsere Prognose von 4,8% BIP-Wachstum im nächsten Jahr liegt weiterhin über dem Konsens.
Unsere Liquiditätsindikatoren zeigen in diesem Quartal einen deutlichen Rückgang des Kreditangebots, was auf die starke Rücknahme der Zentralbankimpulse zurückzuführen ist. Positiv ist jedoch, dass das Kreditangebot im privaten Sektor, insbesondere in den USA, zuzunehmen scheint und auch China seinen Kurs langsam lockert.
In der Vergangenheit hat ein Anstieg bei den Privatkrediten immer einen Aufwärtsdruck auf die Zinssätze ausgelöst, da die Zentralbanken in diesem Szenario noch schneller straffen können.
Unsere Bewertungsindikatoren zeigen, dass alle grossen Anlageklassen im historischen Vergleich weiter teuer sind, wobei Aktien auf Allzeithochs geklettert sind. Eine Ausnahme ist Lateinamerika, dessen Aktienmärkte aktuell auch absolut gesehen günstig sind. Relativ betrachtet ist auch im Vereinigten Königreich gutes Wertpotenzial zu finden.
US-Aktien haben die höchsten Bewertungen. Zyklische Konsumgüteraktien scheinen genauso teuer zu werden wie Technologieaktien. Zyklische Aktien sind an ihren defensiven Pendants vorbeigezogen, da die Inflationserwartungen gestiegen sind. Dadurch hat sich der Aufschlag zyklischer Werte gegenüber defensiven Titeln wieder erhöht und fast die Zyklushochs von 16% erreicht.
Die Verringerung der Liquidität und der Aufwärtsdruck auf die Realrenditen werden die Aktien-KGVs schmälern, auch wenn bereits etwa die Hälfte des von uns Anfang des Jahres prognostizierten Rückgangs bereits stattgefunden hat. Obwohl beim Gewinnwachstum anscheinend keine grösseren Sprünge mehr zu erwarten sind, rechnen wir dennoch mit einem Anstieg der Unternehmensgewinne um 16% im kommenden Jahr.
Im Anleihensegment ist das Signal für chinesische Staatsanleihen neutral, während US-Investment-Grade-Anleihen teuer erscheinen. Die steigende Inflation hat eine Flucht in inflationsgebundene US-Anleihen ausgelöst, die daraufhin Renditen unter -1,0% verzeichneten und die zweitstärkste überkaufte Anlageklasse in unseren Modellen waren.
Unsere technischen Indikatoren zeigen, dass sich die positiven Trends für globale Aktien verstärkt haben, wodurch das Fehlen positiver saisonaler Faktoren kompensiert wird. Die technischen Kennzahlen für Anleihen waren negativ, wenngleich Umfragen zeigen, dass die Anlegerpositionierung in Anleihen viel zu verhalten ist, was normalerweise ein Kaufsignal wäre.
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