Pictet | Frankfurt, 18.02.2022.
Es heisst, der Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft sei ein technologisches Problem. Das stimmt nicht. Die Welt ist ausreichend mit Technologien ausgestattet, die eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen ermöglichen, wie erneuerbare Brennstoffe, CO2-Abscheidung und Energiespeicherung. Was fehlt, ist Kapital. Der Internationalen Energieagentur zufolge müssen Investitionen allein in saubere Energie bis Ende dieses Jahrzehnts auf jährlich 4 Bio. US-Dollar steigen, um die globale Erwärmung in Schach zu halten. Realistisch betrachtet kann dieser Finanzierungsbetrag nur von den Finanzmärkten bereitgestellt werden. Genau genommen von AnleiheinvestorInnen.
Quelle: IIF, Stand Dezember 2021
Erfreulicherweise gibt es Hinweise darauf, dass der Anleihemarkt dieser Aufgabe gewachsen sein könnte. Wertpapiere, in die ESG-Aspekte (Umwelt, soziale Verantwortung, Staats-/Unternehmensführung) eingebettet sind, gewinnen immer mehr an Bedeutung.
Green Bonds mit genauen Vorgaben für die Mittelverwendung, Sustainability-Linked Bonds, deren Kupons an das Umweltprofil der Emittenten gekoppelt sind, und Social Bonds, die Bildungsprogramme finanzieren, sind nur einige Beispiele für die innovativen Strukturen, die auf dem besten Weg zum Mainstream sind. Die InvestorInnen sind davon sehr angetan. 2021 wurden neue nachhaltige Anleihen im Wert von über 1,1 Bio. US-Dollar erfolgreich platziert, wodurch der ESG-Anleihemarkt auf weit über 2 Bio. US-Dollar angewachsen ist. Für Pictet durchgeführte Analysen des Institute of International Finance deuten darauf hin, dass das Emissionsvolumen bis 2025 um jährlich 4,5 Bio. US-Dollar steigen könnte.
Der Grossteil dieses Kapitals wird in den Industrieländern aufgenommen, aber es dürfte auch ein ordentlicher Betrag in Form von ESG-Anleihen von den Schwellenländern bereitgestellt werden. Für die Schwellenländer ist die private Finanzierung von entscheidender Bedeutung, wenn sie die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 erfüllen wollen.
Damit nachhaltige Anleihen jedoch zum Mainstream werden, müssen erst einmal einige Klippen umschifft werden. Oberste Priorität haben universelle Regeln und Standards. Im Moment gibt es von Land zu Land noch starke Unterschiede hinsichtlich des Ausweises und der Zertifizierung nachhaltiger Anleihen. Bemühungen zur Harmonisierung der Offenlegungsvorschriften waren bisher nicht sehr erfolgreich.
Eine Analyse der ESG-Wertpapiere mit dem längsten Track-Record – Green Bonds – zeigt weitere mögliche Nachteile auf. Green Bonds erzielen ähnliche Erträge wie herkömmliche Anleihen, werden aber mit einem Aufschlag gehandelt: Ihre Renditen sind in der Regel dauerhaft niedriger als die von traditionellen Wertpapieren – Und das, obwohl Green Bonds weniger liquide sind. Unsere Analysen zeigen, dass solche Wertpapiere seltener – in einigen Fällen sogar viel seltener – gehandelt werden als herkömmliche Anleihen. Das unterstreicht unsere Überzeugung, dass Käufer von Green Bonds und Sustainability-Linked Bonds tendenziell institutionelle Investoren wie Pensionsfonds, Versicherungsfonds und nationale Vermögensfonds sind, die einen „Buy & Hold“-Ansatz verfolgen. Dies deutet jedoch auch darauf hin, dass der Sekundärmarkt für solche Anleihen noch nicht die Reife hat, um grosse Kauf- oder Verkaufsorder ohne erhebliche Preisverschiebungen zu absorbieren.
Letztendlich gibt es für alles eine Lösung. Wenn die Staats- und Regierungschefs der Welt wirklich Netto-Null forcieren, werden sie erkennen, dass sie dieses Ziel nur mit freiem Kapitalfluss erreichen. Deshalb könnten sich AnleiheinvestorInnen im Kampf gegen den Klimawandel bald an vorderster Front befinden.
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