Pressemitteilung Degroof Petercam (DPAM): Marktausblick Aktienmärkte: „Anpassung an grundlegende Veränderungen“

Degroof Petercam | Brüssel, 29.06.2020.

Alexander Roose, CIO Fundamental Equity bei Degroof Petercam Asset Management (DPAM), gibt einen aktuellen Marktausblick auf die globalen Aktienmärkte.

Seine These: Es wird zu einer fortgesetzten Anpassung an grundlegende Veränderungen kommen müssen.

Es wurde schon viel über die gigantischen steuer- und geldpolitischen Maßnahmen geschrieben, die als Antwort auf die Covid-19-Pandemie eingeführt wurden. Und es wird noch mehr kommen, insbesondere auf der steuerpolitischen Seite. In jedem Fall ist der EU-Fonds „der nächsten Generation“, der ein Volumen von 750 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und Darlehen vorsieht, definitiv ein Riesenschritt zur Sicherung des europäischen Projekts. Eine Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedsstaaten ist erforderlich, und dank der Unterstützung Frankreichs und sicherlich auch Deutschlands sollte ein positives Ergebnis möglich sein. Ein Blick auf die geldpolitischen Anreize zeigt, dass die EZB den Einlagesatz eindeutig zu stark gesenkt hat. Er rutscht in den negativen Bereich und setzt damit den Bankensektor enorm unter Druck. Wir bezweifeln, dass die FED den gleichen Fehler begehen und stattdessen an ihrer Politik der „Forward Guidance“ festhalten wird. Möglich ist auch eine Rückkehr zur Kontrolle der Zinsstrukturkurve, kurz YCC für ‚Yield Curve Control‘. Fed-Präsident Powell veröffentlichte letzten Monat eine Erklärung, in der er sich auf negative Einlagenzinsen bezog, die aber mit der Aussage „Vorerst ziehen wir das nicht in Betracht“ nicht gerade eindeutig war.

Neben den negativen Einlagenzinsen in der EU sehen wir uns auch mit einer Spirale von Kreditausfällen konfrontiert, die auf die erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdown zurückzuführen sind. Darüber hinaus sahen sich einige Banken gezwungen, ihre Dividendenausschüttungen auszusetzen, wodurch der Bankensektor quasi nicht mehr investierbar ist. Dies erinnert an die Entwicklung, die japanische Banken vor einigen Jahrzehnten eingeschlagen haben (das heißt, fortgesetzte Kompression des Kurs-Buchwert-Multiplikators und anschließende Underperformance im Vergleich zur Benchmark).

Die Volkswirtschaften fahren langsam wieder hoch. Dennoch bleiben wir skeptisch, ob die Lebensgeister der Verbraucher und Unternehmen schnell wieder erwachen. Auch die Chinesen gehen seit fast drei Monaten wieder zur Arbeit, aber die Erholung der Inlandsnachfrage war bisher eher zaghaft. Sollte es zu einer wesentlichen zweiten Covid-19-Welle kommen (man beachte, dass es mit Ausnahme von SARS bei allen Pandemien der letzten 100 Jahre eine zweite Welle gegeben hat), müssten Regierungen in aller Welt ihre nächsten Schritte sorgfältig abwägen, da ein erneuter globaler Lockdown einem wirtschaftlichen Selbstmord gleichkäme. In diesem Szenario wäre eine selektive Abschottung der am stärksten gefährdeten Personen sinnvoller: So könnte der gesunde und aktive Teil der Bevölkerung weiterarbeiten und damit versuchen, den Wohlfahrtsstaat aufrechtzuerhalten. Dafür wäre allerdings eine Ausweitung der Tests erforderlich. Grundsätzlich wird eine vollständige Rückkehr zur Normalität nur mit einem funktionsfähigen und global verfügbaren Impfstoff möglich sein. Dabei gilt es auch zu bedenken, dass die Covid-19-Fälle in wichtigen US-Bundesstaaten wie Kalifornien oder Texas weiter ansteigen (auch als Folge der verstärkten Tests), so dass es verfrüht wäre, die erste Welle der Pandemie als beendet zu erklären. Angeblich hat sich ein Impfstoff, der von der Universität Oxford in Zusammenarbeit mit Astrazeneca entwickelt wurde, bei Rhesusaffen als wirksam erwiesen. Die Produktion hat bereits begonnen. Es gibt jedoch noch keinen Beweis dafür, dass dieser Impfstoff auch für den Menschen sicher ist. Sollte das der Fall sein, gibt es glücklicherweise noch fast 350 weitere Impfstoffe und Behandlungsmöglichkeiten, die derzeit zur Bekämpfung des Coronavirus erprobt werden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Menschheit eine allumfassende Lösung für seine Ausrottung findet.

Was die geopolitischen Entwicklungen betrifft, so haben sich am Horizont rasch bedrohliche Wolken gebildet. Letzten Monat zog Trump den Zorn Chinas auf sich, als er das taiwanesische Wafer-Fertigungs-Unternehmen TSMC ermutigte, ein hochmodernes 5nm-Werk in Arizona zu errichten. Das Projekt soll 2024 beginnen. Und um die ganze Angelegenheit noch zu verschlimmern, hat die US-Regierung beschlossen, Huawei von den weltweiten Halbleiter-Lieferungen und dem damit verbundenen geistigen Eigentum abzuschneiden. Sie hat jedem Halbleiterhersteller, der für Huawei Chips produziert (die mit US-Software oder einem US-basierten Bausatz entworfen wurden), eine Exportlizenz auferlegt. Das Ganze setzt den bisherigen Maßnahmen, wie beispielweise die Exporteinschränkungen zahlreicher Technologien an chinesische Unternehmen mit Militärbeziehungen, die Krone auf. Denn die USA haben bereits zuvor einem ihrer 770 Milliarden US-Dollar schweren Pensionsfonds für Bundesangestellte verboten, in chinesische Aktien zu investieren. China hat mit einem Gesetz zur nationalen Sicherheit in Hongkong reagiert, dass im Grunde das Modell „ein Land, zwei Systeme“ aufhebt, dass in Hongkong seit 1997 gilt. Liegt also eine Fortsetzung des Handelskriegs von 2019 vor uns oder ist es nur ein Säbelrasseln, um von der wirtschaftlichen Realität abzulenken? Wir denken, es ist eher Letzteres, da es weder in Trumps noch in Xis Interesse liegt, die Aktienmärkte fünf Monate vor der US-Präsidentschaftswahl auf Talfahrt zu schicken. Sicher ist jedoch, dass dieses jüngste geopolitische Gerangel zwischen den USA und China für zusätzliche Unsicherheit an den Märkten sorgt und Unternehmen nur noch weiter dazu antreibt, ihre Lieferkettenstrategien anzupassen.

Da sich die Berichterstattung des ersten Quartals dem Ende zuneigt, möchten wir einige interessante Trends auf Unternehmens-/Teilsektorebene vorstellen:

Besonders interessant ist die starke Outperformance des Nasdaq Composite im Vergleich zu den meisten anderen globalen Indizes. Wie immer, wenn Technologieaktien gut abschneiden, bekommen (Privat-)Investoren Schwindelgefühle, weil dies „sicherlich eine weitere Technologieblase sein muss“. Für ein klares Bild muss jedoch ein entscheidender Trend hinter dieser Outperformance abgewogen werden: Und zwar die digitale Transformation der Weltwirtschaft, die seit vielen Jahren an vielen Fronten im Gange ist. Unternehmen setzen zunehmend Software ein, um ihre Produktivität zu steigern, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen oder Kosten zu sparen. Inzwischen nehmen auch die Verbraucher Technologien in einem bisher nicht gekannten Tempo an: Von der verstärkten Nutzung des E-Commerce bis hin zu digitalen Lösungen im Zahlungsverkehr oder im Gesundheitswesen. All dies wiederum erfordert größere, bessere und schnellere Netzwerk- und Cloud-Kapazitäten (siehe Grafik unten zur verstärkten Nutzung von Cloud-Technologien in den USA und China). Covid-19 hat die Welt grundlegend erschüttert, und die etablierten Unternehmen müssen erkennen, dass Veränderungen notwendig sind, um zu überleben.

Unternehmen, die in ihrer digitalen Reise bereits einen Schritt voraus waren, übernehmen jetzt Marktanteile (man denke an Nike versus Adidas). Sie sind bereit, ihre digitalen Investitionen weiter zu beschleunigen, um diese Siegesserie aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sind die anderen Unternehmen nun gezwungen, eine massive digitale Aufholjagd zu starten, um sich über Wasser zu halten. Laut einer Fortune-Umfrage unter CEOs gaben lediglich 6% der Befragten an, ihre digitalen Transformationsprozesse aufgrund von Covid-19 zu verlangsamen. 63% sagten hingegen, dass sie ihre digitale Transformation beschleunigen wollen. Tatsächlich wurde in Sachen Digitalisierung der Weltwirtschaft merklich in den nächsten Gang geschaltet. Das unterstreichen die jüngste Unternehmens-Ergebnisse und Management-Kommentare. So hat beispielsweise der PayPal-CEO während der letzten Telefonkonferenz des Unternehmens erklärt: „Ich glaube, wir werden auf diese Zeit als einen Wendepunkt zurückblicken, an dem digitale Zahlungen sowohl offline als auch online zu einem wesentlichen Bestandteil unseres Lebens wurden“. Das erklärt auch, warum die Aktienkurse vieler Software- und Internetunternehmen deutlich steigen. Bis zu einem gewissen Grad, so argumentieren wir, ist dies auch auf das rationale Verhalten der Investoren zurückzuführen. In Zeiten hoher Volatilität und großer Unsicherheit ziehen Anleger es vor, bei Unternehmen Zuflucht zu suchen, die von diesen Trends profitieren und sowohl eine hohe Visibilität als auch ein gutes Momentum bieten. Solange sich Anleger über die Form des Aufschwungs oder über die Wahrscheinlichkeit einer weiteren großen Covid-Welle unsicher sind, ist es zudem unwahrscheinlich, dass sie ihre Strategien in absehbarer Zeit ändern werden. Die wahrscheinliche Fortsetzung des Niedrigzinsumfelds bestätigt diese Perspektive zusätzlich. Würden wir die USA ausschließen, liegt die Marktkapitalisierung der Nasdaq bereits nahe der Marktkapitalisierung des globalen Aktienmarktes. Seine Stärke wurde auch durch den Biotech-Sektor vorangetrieben, der ein neues Allzeithoch erreicht hat. Grund dafür sind ein Innovationsschub sowie die wachsende Anzahl neuer Medikamentenzulassungen durch die amerikanische FDA (z.B. in der Onkologie für Unternehmen wie Seattle Genetics und Incyte). Darüber hinaus werden zell- und genbasierte Therapien immer vielversprechender und könnten ebenfalls Lösungen für die Pandemie beitragen. Moderna gehört in dieser Hinsicht derzeit zu den Vorreitern.

Biotechnologie hat sich auch in vergangenen Abschwüngen als sicher erwiesen, da die Biotech-Indizes (BTK & NBI) in den letzten drei Wirtschaftsrezessionen jeweils nur um 1% gesunken sind. Begeisterung lösen derzeit auch die bekannten FANG-Aktien aus – ebenso wie Goldminen (unter dem Akronym BANG zusammengefasst: Barrick, Agnico Eagle, Newmont und Goldcorp), die seit Jahresbeginn leicht positive Renditen erzielen konnten. Anleger strömen zunehmend in Gold und goldbezogene Investitionen. Da die Zentralbanken ihre Währungen abwerten, bleibt Gold als Instrument der Wertspeicherung ohne Gegenparteienrisiko bestehen. Daher gehen wir davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Denn in absehbarer Zeit ist nicht mit einer Rücknahme der QE-Politik durch die Zentralbanken zu rechnen.

Zu guter Letzt waren wir Zeuge einer groß angelegten Schließung von US-Fleischbetrieben. Die dortige hohe Arbeiterdichte stellt während der Pandemie ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Die Folge ist eine höhere Bereitschaft, verstärkt in Automatisierungstechnologien zu investieren. Mehr noch: Es ist zu einer Überlebensfrage geworden, da das derzeitige Arbeitsregime der Fleischverpackungsbetriebe sein Verfallsdatum längst überschritten hat. Auch hier werden also wieder Unternehmen mit innovativen Technologien (z.B. 3D- oder Sensorsysteme zur Erkennung von Knochen oder Fremdmaterial) gewinnen.

Massive Liquiditätsspritzen und eine für Stabilität sorgende Finanzpolitik haben bisher eine ausgewachsene Solvenzkrise abwenden können. Gleichzeitig haben sie aber auch eine Zweiteilung zwischen der wirtschaftlichen Realität und dem Börsenverhalten geschaffen, wie wir sie selten zuvor gesehen haben. Wir lassen die Vorzüge des Diskontierungsmechanismus der Aktienmärkte nicht außer Acht. Dennoch glauben wir, dass hier bereits vorgegriffen wird – zum Teil getrieben durch massive private Zuflüsse. Unternehmen werden in Konkurs gehen, Verbraucher werden ihre Sparquoten erhöhen, und es wird mehr als ein paar Quartale dauern, bis ein wirksamer und weithin verfügbarer Impfstoff zur Verfügung steht. In diesem weitreichenden Aktienumfeld ist nicht alles zum Scheitern verurteilt. Für den aktiven Fondsmanager gibt es eindeutig noch viele Anlagemöglichkeiten.

Siehe auch

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