Pressemitteilung Degroof Petercam (DPAM): Klima und Afrika: Ein Kontinent der Widersprüche

Degroof Petercam | Brüssel, 24.08.2021.

Ophélie Mortier, Responsible Investment Strategist bei DPAM (Degroof Petercam Asset Management), analysiert in ihrem Artikel Afrikas Einstellung zu den Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel:

Wenn es um Afrikas Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit geht, dann entbehrt dies nicht einem großen Maß an Ironie1: Afrika gehört im globalen Vergleich zu den geringsten Verursachern von Treibhausgasen.

Doch selbst wenn es dem Kontinent gelingt, seine derzeitige Emissionshöhe beizubehalten, wird Afrika den Preis für die Unachtsamkeit der übrigen Welt zahlen: Es ist einer der ersten Kontinente, der die vielfältigen Folgen des Klimawandels zu spüren bekommt.

Widersprüchlich ist in Afrika aber auch die Politik bezüglich erneuerbarer Energien. Obwohl das Land über ein ungenutztes Potenzial bei erneuerbaren Energien und zahlreiche natürliche Ressourcen verfügt, sind diese nicht immer leicht zugänglich. Tatsächlich ist die Mehrheit der Bevölkerung in den Ländern südlich der Sahara zur Stromerzeugung immer noch auf fossile Brennstoffe und Holz angewiesen. Trotz dieses Überflusses an erneuerbaren Ressourcen haben die meisten nicht einmal direkten Zugang zu Strom. Diejenigen, die Zugang haben, zahlen exorbitante Summen für eine stark umweltbelastende Energiequelle und sind mit ständigen Stromausfällen konfrontiert.

In diesem Artikel beleuchten wir die vielen klimabezogenen Widersprüche, mit denen der afrikanische Kontinent zu kämpfen hat, und auch die Chancen, die sich ihm bieten. Zunächst untersuchen wir Afrikas Rolle als geringster Mitverursacher der globalen Erwärmung, aber wahrscheinlich auch als deren größtes Opfer. Zweitens befassen wir uns mit der Diskrepanz zwischen Afrikas Reichtum an erneuerbaren Energien und seiner scheinbar widersinnigen Abhängigkeit von veralteten und unzuverlässigen fossilen Brennstoffen. Abschließend befassen wir uns mit den zahlreichen verbleibenden Herausforderungen, der globalen Antwort auf diese Problematik und Afrikas Weg in die Zukunft.

Was kann getan werden, um eine nachhaltige Zukunft mit Wachstum und Wohlstand im ärmsten Kontinent der Welt zu fördern? Gibt es einen einfachen Ausweg aus diesen Gegensätzen, oder trüben die vielen Widersprüche Afrikas das Urteilsvermögen der Anleger?

WENIGER ALS 4 % DER WELTWEITEN KOHLENSTOFFEMISSIONEN, ABER GROSSE KLIMATISCHE HERAUSFORDERUNGEN

Heute ist Afrika für weniger als 4 % der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich.. In Anbetracht seines Ranges als zweitbevölkerungsreichster Kontinent sind diese Ergebnisse äußerst beeindruckend. Darüber hinaus ist die historische Entwicklung seiner Emissionen – im Gegensatz zu einigen schnell wachsenden Ländern wie China – in den vergangenen Jahrzehnten bemerkenswert stabil geblieben . Sollte Afrika jedoch ein ähnliches Wachstumsmodell wie die meisten Industrieländer verfolgen, könnte der Kontinent bis 2050 zwischen vier und sieben Gigatonnen Kohlenstoffemissionen ausstoßen. Zum Vergleich: Diese Zahlen entsprechen der Summe des derzeitigen CO2-Ausstoßes von China, Europa und den USA zusammen.

Man würde dennoch erwarten, dass Afrika zumindest einige ökologische Vorteile aus seiner Position als einer der geringsten CO2-Emittenten der Welt zieht. Jedoch macht seine geografische Lage den Kontinents von Natur aus anfällig für den Klimawandel. Dies wird durch die schwachen sozioökonomischen Bedingungen und das Fehlen von Verwaltungsorganen noch verstärkt. Viel Wüstenbildung, Waldrodung, Wasserknappheit und Massenmigration wird die Entwicklung Afrikas in den kommenden Jahren wohl noch erschweren. Auch die COVID-Pandemie hat die Situation nicht gerade erleichtert und vielversprechende Fortschritte in Ländern wie Ghana oder dem Senegal erheblich ausgebremst.

ERNEUERBARE RESSOURCEN: UNGENUTZTES POTENZIAL MIT VIELEN HINDERNISSEN

In puncto erneuerbare Ressourcen besitzt der afrikanische Kontinent zahllose Möglichkeiten. Vor allem die Solarenergie besitzt das Potenzial, den afrikanischen Energiesektor zu revolutionieren. Es gibt auch viele unerschlossene Quellen für Windenergie, Wasserkraft und zahlreiche geothermische Ressourcen, aber der eigentliche Bau und die Implementierung der notwendigen Anlagen zur Nutzung dieser Ressourcen ist eine gewaltige Herausforderung. Diese Schwierigkeiten lassen sich überall auf dem Kontinent beobachten: Obwohl Afrika eines der größten Reservoirs für Solarenergie in der Welt ist, macht es kaum 1 % der weltweit installierten Kapazität aus. Heute ist Holz die wichtigste Energiequelle in den Ländern südlich der Sahara. Hinzu kommen weitere Probleme wie politische Unwägbarkeiten, unzureichende Infrastruktur, instabile finanzielle Ressourcen und ein begrenzter Zugang zu ausländischen und privaten Finanzmitteln. Rasch wird klar, dass eine ganze Reihe von Herausforderungen bewältigt werden muss, bevor erneuerbare Energien den afrikanischen Kontinent zuverlässig mit Energie versorgen können. Die internationale Investorengemeinschaft könnte darüber nachdenken, wie sie hier eine Rolle übernehmen kann.

Dennoch gibt es für die Regierungen genügend Anreize zum Handeln: Mit Blick auf die Kosten sind erneuerbare Energien heute genauso wettbewerbsfähig wie fossile Brennstoffe. Darüber hinaus muss die derzeitige Strominfrastruktur in Afrika dringend erneuert werden: Die Kosten von Stromausfällen allein werden auf 2 % bis 4 % des afrikanischen BIP geschätzt . Außerdem müssen die afrikanischen Regierungen ihre Industrie ständig subventionieren, um sie am Laufen zu halten. Diese Subventionen für fossile Brennstoffe belaufen sich in den Ländern südlich der Sahara auf fast 5,6 % des BIP und belasten die Staatsverschuldung erheblich. Dies führt zu einem gefährlichen Teufelskreis, bei dem Geld auf Kosten von Nachhaltigkeitsthemen wie Gesundheit und Bildung verschwendet wird. Darüber hinaus hat die enge Einbindung der Regierungen zu einer erheblichen politischen Einmischung geführt, die der Entwicklung des Sektors abträglich ist. Eine Teilprivatisierung könnte ins Auge gefasst werden. Eine vollständige Liberalisierung des Systems könnte sich jedoch nachteilig auf die Preise auswirken. So hat Südafrika beispielsweise der Electricity Supply Commission, die ein Monopol auf die Stromerzeugung hatte, Investitionen im Energiesektor abgenommen. Da Südafrika der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen in Afrika ist, könnte die Zulassung privater Investitionen in einem Land, das in den vergangenen Jahren mit Engpässen zu kämpfen hatte, einen Wendepunkt darstellen.

Apropos Kosten: Die afrikanischen Verbraucher müssen einige der höchsten Stromtarife der Welt zahlen. Dennoch befinden sich die Stromversorger in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara in großer finanzieller Bedrängnis. Die Stromversorgungsunternehmen können sich kaum über Wasser halten und haben Mühe, die Kosten für die Wartung und den Ausbau ihrer Netze zu decken. Es überrascht wenig, dass Investoren und Regierungen bei kapitalintensiven Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien nach wie vor eine ausgesprochene Risikoscheu an den Tag legen.

Kurz gesagt, Afrikas Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien scheint – zumindest auf dem Papier – angesichts der erschwinglichen Stromkosten und des Überflusses an Ressourcen ein Kinderspiel zu sein. Eine sofortige Reform der öffentlichen Versorgungsunternehmen Afrikas spricht daher für sich selbst, denn jede Verzögerung wird die finanziellen und ökologischen Kosten nur erhöhen. Die tatsächliche Schaffung der erforderlichen Infrastruktur, die Entflechtung des tief verwurzelten Netzwerkes im Bereich der fossilen Brennstoffe sowie die Auflösung der zahlreichen politischen Verflechtungen sind jedoch eine gewaltige Herausforderung.

FÖRDERUNG DES WANDELS DURCH DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT

Die gute Nachricht ist, dass die meisten Länder südlich der Sahara keinen internationalen Verpflichtungen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen unterliegen und Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch stärker entwickelte Länder haben. Diese Unterstützung wird sehr notwendig sein: Die Anpassung Afrikas an den Klimawandel verläuft schleppend, weil es an Know-how, technologischen Lösungen und finanzieller Unterstützung mangelt. Da diese Themen derzeit auf der lokalen politischen Tagesordnung Afrikas keinen hohen Stellenwert einnehmen und es ihnen an einer gemeinsamen Vision mangelt, könnte die internationale Gemeinschaft einen Wandel herbeiführen. Auf der UN-Klimakonferenz (COP 21) in Paris wurden 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr versprochen, um die Entwicklungsländer bei ihren Klimabemühungen zu unterstützen. Diese Verpflichtung wird auf der bevorstehenden COP 26 weiter überprüft werden. Die jüngsten G7- und G20-Gipfel erwiesen sich jedoch als ein schlechtes Omen für Afrikas künftige Inanspruchnahme von Klimamitteln. Die Beibehaltung dieser Fördermittel ist von entscheidender Bedeutung. Die Afrikanische Entwicklungsbank schätzt, dass der Kontinent bis zum Jahr 2030 etwa 715 Mrd. US-Dollar benötigen wird, um die Ziele des UNFCCC (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über den Klimawandel) und des Pariser Abkommens zu erreichen.

Dies ist der Punkt, an dem wir einen kleinen Silberstreif am Horizont der ansonsten stürmischen Wolken erkennen: Bis heute haben die meisten afrikanischen Staaten das Pariser Abkommen unterzeichnet und damit ihr Engagement für eine Reduzierung der Kohlenstoffemissionen und eine Steigerung der Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien bekräftigt. Länder wie Marokko, Senegal, Südafrika und Kenia haben bereits Engagement bezüglich dieser Ziele gezeigt. Vor allem Kenia steht in der Frage der erneuerbaren Energien weit über seinen Konkurrenten und kann sich sogar mit einigen der ökologisch engagiertesten Länder des Westens messen: Fast 50 % der kenianischen Produktion stammen aus erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft), und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, insbesondere Kohle und Öl, machte im Jahr 2015 gerade einmal 13 % aus.

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sich die Bevölkerung in den Ländern südlich der Sahara bis zum Jahr 2050 fast verdoppeln und dann fast 2,1 Milliarden Menschen umfassen wird. Dieser bevorstehende Boom macht die Lösung der Energiekrise in Afrika noch dringlicher. Da die Bevölkerung Afrikas weiter wächst und die Industrie expandiert, ist es für Afrikas künftige Führungskräfte von entscheidender Bedeutung, einen klaren und einheitlichen Weg zu nachhaltigem Wachstum zu finden und umzusetzen.

Tief im verschlungenen Netz der zahlreichen Widersprüche Afrikas liegt der Samen für eine nachhaltige Zukunft verborgen. Im Moment müssen sich die Anleger fragen, was es braucht, um diesen Kontinent zum Blühen zu bringen. Vielleicht kann die kommende Klimakonferenz COP 27, die in Afrika stattfinden wird, mehr Licht in diese Thematik bringen… Aber wird der Klimawandel bis dahin anhalten?

1Dieser Artikel basiert auf mehreren Artikeln aus „HOFFNUNG UND REALITÄT: EIN GRÜNER AUFSCHWUNG FÜR AFRIKA?“ veröffentlicht vom Istituto per gli studi di politica internazionale (ISPI)
2Quelle: Institut für Internationale Politikstudien (ISPI), Wie der Klimawandel Afrika beeinflusst, Ruben David, 25.06.2021
3Quelle: When the Sun Shines, G. Schwerhoff und M. Sy, Finanzen und Entwicklung, März 2020

Siehe auch

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