Pressemitteilung Bellevue Asset Management: Infrastruktur als Schlüssel zum Wachstumspotenzial des afrikanischen Kontinents

Bei der FondsAuswahl zählt die Unabhängigkeit vom Anbieter! Bellevue | Küsnacht, 09.10.2019.

In den 50er und 60er Jahren entsprach das Infrastrukturdefizit in Afrika in etwa dem anderer Entwicklungsländer. Durch politische Instabilität, das Vertrauen der Regierungen auf Rohstoffe als Haupteinnahmequelle und die Fehlverteilung von Mitteln (z.B. mangelhafte Finanzplanung, Korruption) ist der Kontinent von den restlichen Schwellenländern abgehängt worden. Diese Kluft hat sich durch das Missverhältnis zwischen Afrikas rasant wachsender Bevölkerung und der Infrastrukturentwicklung weiter vergrössert. Ein Hauptgrund dafür ist, dass afrikanische Regierungen bei ihren Budgetentscheidungen über Löhne oder  Subventionen häufig den Binnenkonsum stärker fördern als Investitionen.

Andy Gboka, Co-Portfoliomanager BB African Opportunities

Abgesehen von der mangelnden Unterstützung durch die öffentliche Hand ist die nur geringe Beteiligung des Privatsektors mit weniger als 10% der Infrastrukturinvestitionen insgesamt ein weiterer Grund für den geringen Kapitalstock. Aufgrund fehlender Regulierung und schwacher Institutionen fehlt Projekten in der Region im Allgemeinen die langfristige Transparenz und eine ausreichende Rendite, um privates Kapital anzulocken.

Jedoch ist nicht alles negativ. Erstens trugen ein weiterer Rohstoffaufschwung und ein besserer steuerlicher Spielraum für Investitionen dazu bei, dass sich die gesamte Infrastruktur seit 2000 leicht verbessert hat. Zweitens ist es dem Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gelungen, den Zugang zu Infrastruktur erheblich zu verbessern. Die IKT profitierten von dem Aufkommen der Mobilkommunikation Anfang der 2000er Jahre und einem allgemeinen Trend auf dem gesamten Kontinent,  den Privatsektor durch neue Rechtsvorschriften (z.B. Schaffung einer Regulierungsbehörde, Lizenzvergabe) einzubeziehen. So hat die hohe private Beteiligung und Investitionstätigkeit die Mobilfunkabdeckung mehrerer afrikanischer Länder auf das Niveau von Schwellenländern wie Indien oder China gebracht. Nach Angaben der US-basierten Brookings Institution ist Afrika der am schnellsten wachsende Mobilfunkmarkt der Welt und verzeichnet seit 2000 durchschnittlich einen Anstieg der Mobilfunkanschlüsse um 30% pro Jahr. Es hat Lateinamerika vor kurzem überholt und ist nach China der zweitgrösste Mobilfunkmarkt der Welt.

Infrastruktur als wichtiger Motor für afrikanische Unternehmen
Die IKT-Revolution hat bestehenden Unternehmen Effizienzsteigerungen beschert, z.B. durch die Beschleunigung der Durchdringungsrate im Bankensektor und gleichzeitige Senkung der Betriebskosten von Banken, und neue Unternehmen zutage gefördert. Das erfolgreichste davon ist die mobile Banking-Plattform MPESA, die von der Vodacom-Tochtergesellschaft Safaricom gegründet wurde. Seit 2007 sind mobile Geldgeschäfte auf USD 40 Mrd. gestiegen – dem 1.6-fachen des kenianischen BIP – und erfassen einen grossen Teil der Bargeldtransaktionen, die sonst in der informellen Wirtschaft geblieben wären. Im Energiebereich setzte Kenia seine börsennotierten Unternehmen Kenya Power und Kengen ein, um seine Stromzugangsrate von knapp 30% im Jahr 2013 auf  heute über 60% anzuheben und gleichzeitig den Beitrag kostengünstiger geothermischer Quellen auf 29% des Energiemixes mehr als zu verdoppeln.

Trotz des Arabischen Frühlings und der damit verbundenen sozialen Turbulenzen haben sich die derzeitigen Regierungschefs Ägptens und Marokkos weiterhin stark auf Reformen und Infrastrukturentwicklung konzentriert. Ägpten will in Zusammenarbeit mit Siemens zusätzliche Stromerzeugungskapazitäten in Höhe von 14.4 GW in knapp zwei Jahren schaffen. Ausserdem soll das Land durch das Zohr-Gasfeldprojekt mit der italienischen ENI zum Netto-Exporteur von Flüssiggas avancieren. Das zeigt, welch positive  Impulse eine Regierung durch Reformen setzen kann.

Marokko hat eine der höchsten Stromzugangsraten in Afrika (über 90%) und ein Initiative für grüne Energien mit dem Ziel, bis 2030 50% des Erzeugungsmixes aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Entscheidend war auch die erfolgreiche Reform des Hafenbetriebs, die 2006 durch die Schaffung einer neuen Regulierungsbehörde neben einem einzigen öffentlichen Hafenbetreiber eingeleitet wurde. Marsa Maroc und anderen namhaften internationalen Hafenbetreibern wurden Konzessionen für den Betrieb und die Erweiterung der Hafenanlagen des Königreichs erteilt, im Einklang mit dem Ziel, ein wichtiger Handelsplatz auf dem Kontinent zu werden. Der Flaggschiff-Umschlaghafen Tanger (Tanger Med), der 2007 in Betrieb genommen und in den Folgejahren  erweitert wurde, war massgeblich an dieser Reform beteiligt. Tanger Med rangiert nun auf Platz 2 in Bezug auf die verarbeitete Tonnage in Afrika und ist entscheidend für den Handelsverkehr Marokkos, da es mit 68 Ländern für den Containerumschlag verbunden ist.

Chinas Rolle bei Infrastrukturinvestitionen
Chinas wachsender Einfluss auf den Kontinent ist nicht mehr zu leugnen: Seit Anfang 2000 hat das Land jedes fünfte Projekt finanziert und jedes dritte gebaut, so Deloitte Africa. Gemessen am eingesetzten Geld ist China mit USD 105 Mrd. (19% der Gesamtinvestitionen) die grösste Einzelnation, die in afrikanische Infrastruktur investiert. Obwohl die internationale Kritik an Chinas ressourcengestützten Darlehen an einige afrikanische Staaten oder der hohen Schuldenlast im Vergleich zu fragwürdigen wirtschaftlichen Vorteilen zugenommen hat, fördern die chinesischen Infrastrukturmassnahmen positive Spillover, insbesondere im Transportwesen. Mehr als 50% der von China bisher finanzierten Projekte entfallen auf den Schifffahrts-, Strassen- und  Eisenbahnbereich, was die Logistik, die Intra-Afrika-Konnektivität und die Integration des Kontinents in globale Wertschöpfungsketten verbessert. In Ostafrika wurden zwei Grossprojekte mit chinesischen Geldern finanziert, die Eisenbahnlinien zwischen Addis Abeba und Dschibuti sowie zwischen Nairobi und Mombasa, die USD 4.5 Mrd. bzw. USD 3.2 Mrd. gekostet haben. Die früheren logistischen Engpässe in der Region haben den Industriegütern Äthiopiens einen besseren Zugang zu den Exportmärkten verschafft und gleichzeitig die Handelsaktivitäten von Dschibuti gestärkt. Darüber hinaus nutzt China seine bilateralen Beziehungen zu den nationalen Regierungen, um seinen Einfluss über wirtschaftliche Kooperationszonen auszuweiten. Zwischen 2014 und 2016 richteten chinesische Unternehmen 56 Sonderwirtschaftszonen in mehr als 20 Ländern ein und generierten Steuereinnahmen von USD 1.1 Mrd. und 180 000 Arbeitsplätze, ein klarer Beweis dafür, dass diese Zentren positiv zum lokalen Wachstum und zur Beschäftigung beitragen.

Afrika kann sein Potenzial nur durch Industrialisierung ausschöpfen
Laut IWF-Statistik ist das Pro-Kopf-BIP in US-Dollar für die zehn grössten afrikanischen Volkswirtschaften (74% des gesamten BIP) seit 2000 (CAGR) nur knapp um 2% pro Jahr gewachsen. Das Expansionstempo sank in den letzten 5 Jahren für die gleiche Stichprobe von Ländern sogar auf 1%, was zeigt, dass die Erwartungen einer aufstrebenden Mittelschicht, die einen boomenden afrikanischen Verbrauchermarkt beflügelt, zumindest schwer fassbar waren. Die Volatilität der Rohstoff- und Agrarproduktion sowie die schleppende Umsetzung förderlicher Reformen sind die treibenden Kräfte hinter diesem Trend. Auch andere Faktoren wie die hohen Betriebskosten (z.B. Strom, Transport) und das instabile Geschäftsumfeld verhindern, dass Unternehmen vor Ort erfolgreich sind und genügend Arbeitsplätze schaffen.

Die Situation ist zwar von Land zu Land unterschiedlich, aber die grösste Herausforderung für Afrika besteht darin, den Anteil des verarbeitenden Gewerbes am BIP zu erhöhen, um von den positiven Auswirkungen auf Beschäftigung und Wohlstand zu profitieren. Mit anderen Worten, der Kontinent muss mehr Fertigerzeugnisse produzieren, um seine interne Nachfrage zu befriedigen und gleichzeitig seine globale Beschaffungskette integrieren, nach dem Vorbild einiger Schwellenländer in Asien oder Lateinamerika. Dies geschieht durch höhere Investitionen in die Infrastruktur zur Unterstützung des inländischen Produktionsinstruments, wie sie von den Schwellen- und Entwicklungsländern in Asien erzielt wurden, die seit 2000 durchschnittlich 38.1% ihres jährlichen BIP investierten. Diese Quote steht im Vergleich zu 20.9% für Afrika südlich der Sahara, was in etwa derjenigen der G7-Volkswirtschaften mit 21.3% entspricht, was eine eher schlechte Entwicklung darstellt, da die Industrieländer bereits über ein solides Infrastrukturnetz verfügen.

Das ist ein langer Weg und bedarf ständiger Bemühungen um wirtschaftsfreundliche Reformen und Infrastrukturinvestitionen. Daher behalten wir die Reformbemühungen der einzelnen afrikanischen Länder, über die wir nun seit über zehn Jahren berichten, ständig im Auge. In diesem Zeitraum haben Ägpten, Marokko und Kenia die grössten Fortschritte bei politischen Reformen und Zugang zu Infrastruktur gemacht. Sie sind unseres Erachtens am besten aufgestellt, um über Jahre hohes BIP-Wachstum zu erzielen, und haben aktuell die grössten Chancen, die an das Wachstumspotenzial in Afrika gekoppelten Hoffnungen zu erfüllen.

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