Amundi | München, 18.08.2022
Vincent Mortier, Group CIO Amundi und Matteo Germano, Deputy Group CIO Amundi, haben auch für den August ihre Gedanken zu den Entwicklungen an den Märkten im aktuellen Amundi Global Investment Views Research Paper zusammengetragen. Wir haben die Kernaussagen für Sie übersetzt und wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.
Die erste Sequenz des doppelten Bärenmarktes (bei Aktien und langfristigen Anleihen), mit der Anpassung an das Ende der lockeren Geldpolitik und die steigende Inflation, ist aus unserer Sicht fast abgeschlossen. Jetzt hat sich das Narrativ geändert, und es steht nach unserer Auffassung eher die Verlangsamung des Wachstums im Fokus als die Angst vor Inflation. Drei wichtige Themen sollte man nach unserer Auffassung beobachten:
- Geringeres Wachstum, hohe Inflation
Die entwickelten Märkte befinden sich offenbar in einem Stagflationsszenario mit Divergenzen und möglichen Auswirkungen der Gasrationierung auf das europäische BIP-Wachstum. - Möglicherweise sinkende Gewinnerwartungen
Die derzeitigen Marktpreise erscheinen immer noch kohärent mit einer Rückkehr zu einem normalen Inflationsregime und preisen eine Gewinnrezession anscheinend nicht vollständig ein. In einer „Kapitulationsphase“ sollten die Märkte mit dem Schlimmsten rechnen, entweder mit einem stärkeren Gewinnrückgang oder niedrigeren Preisen, oder beidem, aber wir sind nicht der Auffassung, dass wir schon so weit sind. - Dollar-Rallye: Spielraum für eine Fortsetzung
Da sich an der Haltung der US-Notenbank Fed vermutlich nichts ändert, sehen wir Abwärtsrisiken für unsere EUR/USD-Ziele zum Jahresende, wobei ein mögliches Abwärtsniveau bei 0,94 liegt, während das Sechsmonatsziel bei der Parität bleibt. Eine Rezession bzw. eine höhere Rezessionswahrscheinlichkeit wäre positiv für den US-Dollar, solange die Fed ihre restriktive Haltung beibehält.
Vor diesem Hintergrund sollten Anleger aus unserer Sicht vorsichtig sein und sich auf den Inflationsschutz konzentrieren.
Anlageklassen-übergeordnete Perspektive
Aus einem übergreifenden Blickwinkel sprechen die höhere Unsicherheit und die zunehmenden wirtschaftlichen Abwärtsrisiken für eine relative Bevorzugung von Anleihen gegenüber Aktien nach den Kurskorrekturen im Jahr 2022. Die wirtschaftliche Dynamik hat sich offenbar nicht erholt, und die Risikostimmung ist nach wie vor negativ, was auf eine mögliche weitere Abwärtsbewegung der Märkte hindeutet. Für eine gewisse Zeit könnten Anleihen als sicherer Hafen wieder attraktiv werden, doch muss man aus unserer Sicht bei Anleihenmärkten flexibel bleiben, da der Inflationsdruck irgendwann wieder auftauchen und die Volatilität hochhalten sollte. Wir plädieren weiterhin für eine stärkere Diversifizierung und die Berücksichtigung von alternativen Strategien sowie von Währungen und Rohstoffen.
Aktien
Bei Aktien bleiben wir defensiv. Die Anleiherenditen müssen kontinuierlich sinken und die Fed muss umschwenken, bevor wir zu einer prozyklischen Haltung gegenüber Aktien zurückkehren. Wir bleiben bei unserer Ansicht, dass steigende Zinsen Value-Aktien – also wertorientierte Titel – begünstigen, halten es aber für wichtig, zusätzlich auf Qualität und Selektivität zu setzen. Regional betrachtet bevorzugen wir weiterhin die USA gegenüber der Eurozone. Jedes Signal, dass eine Rezession in den USA vermieden oder weiter
hinausgeschoben werden kann, könnte in den kommenden Monaten zu einer taktischen Erholungs-Rallye führen. Der Druck auf die Erträge dürfte jedoch bis 2023 zunehmen, da die Inflation wahrscheinlich immer noch hoch sein wird, auch wenn sie sich verlangsamt, die Finanzierungskosten nach den Zinserhöhungen höher sein dürften und sich die Wirtschaftsaussichten verschlechtert haben könnten.
Anleihen
Auf der Anleiheseite sind die Staatsanleihen der Kernländer aus unserer Sicht derzeit zumindest nominal attraktiver und können im Falle höherer Rezessionsrisiken als Diversifikator dienen. Kurzfristig behalten wir daher eine neutrale Haltung bei, bleiben aber angesichts der nach wie vor hohen Marktvolatilität flexibel, um taktische Bewegungen bei den Renditen zu nutzen. Unternehmensanleihen haben ebenfalls deutliche Kurskorrekturen erfahren, sogar noch stärker als Aktien, und die Bewertungen sollten jetzt attraktiver sein. Hier bevorzugen wir Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating, also mit hoher Bonität, insbesondere in den USA aufgrund der robusteren Wirtschaftsaussichten gegenüber Europa.
Schwellenländer
Die Aussichten für die Emerging Markets verbessern sich auf breiter Ebene, wobei chinesische Aktien bevorzugt werden, um von der Desynchronisierung des Wirtschaftszyklus zu profitieren. Bei den Aktien dürften sich die Gewinnerwartungen stabilisieren und die Talsohle erreichen. Die Revisionen sind in Lateinamerika sehr positiv, in der EMEA-Zone (Europa, naher Osten, Afrika) leicht rückläufig und in den asiatischen Schwellenländern sehr negativ, aber mit Bodenbildung. Insgesamt halten wir eine positive Haltung gegenüber Schwellenländer-Aktien noch nicht für angebracht, bleiben aber selektiv. Wir haben unseren Ausblick für chinesische Aktien angesichts der politischen Unterstützung, des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Signale einer möglichen Lockerung des Null-Toleranz-Ansatzes in Bezug auf Covid weiter angehoben. Bei Anleihen ist das derzeitige Umfeld aus unserer Sicht weiterhin ungünstig für lokale Schuldtitel, aber die nominalen Renditen könnten kurz vor dem Höchststand stehen. Hartwährungsanleihen hingegen könnten Chancen bieten, da die Ausweitung der Renditeabstände (Spreads) offenbar zu weit gegangen ist. Auch die hohen Ölpreise wirken sich weiterhin günstig aus.
Insgesamt gesehen dürften wir uns nach wie vor in einer Phase befinden, in der die Zentralbanken nach unserer Auffassung ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen müssen, und dies ist auch eine Folge des Marktdrucks. Die Anleger sollten also – wie wir meinen – der Versuchung widerstehen, allzu gewagte Schritte zu unternehmen, da die Verschärfung der Finanzbedingungen noch nicht abgeschlossen ist. Wir sind jedoch der Auffassung, dass die Zentralbanken ihre Zinserhöhungen früher als erwartet einstellen könnten, um weiteren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, und dann könnten sich weitere taktische Möglichkeiten ergeben. Langfristig gesehen wird die Inflation wahrscheinlich weiterhin über den Erwartungen der Zentralbanken liegen. Für Anleger bleibt es unserer Meinung nach daher sehr wichtig, die Inflation weiterhin in den Mittelpunkt ihrer Anlagestrategien zu stellen.
Quelleninformationen und weitere Informationen finden im Amundi Research Center.
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