Amundi | Frankfurt, 05.05.2020.
Pascal Blanqué, Group CIO Amundi, und Vincent Mortier, Deputy Group CIO Amundi, betrachten in den aktuellen Global Investment Views die Nachbeben von Covid-19 sowie die Folgen.
“Das zweite Quartal begann ungleich besser als das erste, das als eines der schlechtesten in die Geschichte der Aktienmärkte eingehen wird. Der S&P 500 und der Euro Stoxx 600 konnten sich deutlich von den Tiefständen des Vormonats erholen. Am Aktienmarkt ringen Bullen und Bären um die Oberhand: Einerseits sorgen die beispiellosen Eingriffe der Regierungen und Zentralbanken weiterhin für positive Stimmung, die Zahlen deuten auf abflachende Infektionskurven hin und die Wirtschaft könnte früher als erwartet wieder anlaufen.
Dem stehen die schwachen Fundamentaldaten aus der Berichtssaison gegenüber, große Gefahr geht zudem von dem wachsenden Schuldenberg aus, der sich als untragbar herausstellen könnte. Das Tauziehen zwischen Stimmung und Fundamentaldaten ist nur eine der Schlachten, die derzeit ausgefochten werden. Entscheidend ist dabei vor allem das Duell zwischen Liquidität und Solvenz. Worauf es am Ende wirklich ankommt, hängt von dem weiteren Verlauf der Pandemie ab. Wir gehen inzwischen von einer U-förmigen Erholung mit einer langen Bodenbildung und langsamen Erholung aus. Für Anleger leiten sich aus diesen Konflikten mehrere wichtige Schlüsse ab:
- Kurzfristig ist Vorsicht geboten. Die Märkte sehen innerhalb der nächsten sechs Monate zumindest etwas Licht am Ende des Tunnels. Diese Einschätzung ist jedoch zu optimistisch, denn die Wirtschaft lässt sich nicht einfach über Nacht wieder hochfahren. Außerdem ist bisher unklar, welche Verluste in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt vorübergehend sind – und welche Schäden bleiben werden.
- Eine rein pandemiebedingt Desynchronisierung des Wirtschaftszyklus gehört zu den Begleiterscheinungen dieser Krise, je nach Markt oder Region wird die Erholung daher anders verlaufen. In China, dem Ursprungsland des Coronavirus, erholt sich die Wirtschaft langsam, in Europa und den USA verschärft sich die Lage. Als Erstes dürften die Unternehmensgewinne zurückgehen, später werden dann Insolvenzen dazukommen. Bei einem längeren Lockdown könnten auch die Risikoprämien im Immobiliensektor sinken.
- Mit dynamischer Liquiditätssteuerung und ausreichenden Liquiditätsreserven können Anleger auf günstige Bewertungen reagieren; gleichzeitig geraten sie so nicht in eine Liquiditätsfalle, sollten sich die Konjunkturprognosen verschlechtern. Daraus ergibt sich ein Barbell-Risiko-Exposure mit Risikopositionen, die von einer Erholung profitieren würden, auf der einen und hohen Liquiditätsreserven auf der anderen Seite.
- Die Risiken sind ungleich verteilt. Wir bevorzugen Unternehmensanleihen, da die eingepreisten Konjunkturprognosen am Aktienmarkt zu optimistisch sind und die Maßnahmen der Regierungen und Zentralbanken eher auf die Rentenmärkte zugeschnitten sind. Bei Aktien empfehlen wir ein Exposure auf zyklische und risikoarme Unternehmen, die am ehesten gestärkt aus der Krise hervorgehen könnten. Anleger sollten mögliche Folgen der Krise für jede Branche und für jedes Unternehmen einzeln analysieren. Sektoren mit hohen Fixkosten sind besonders gefährdet; besser steht es um solche Unternehmen und Branchen, die sich flexibel an die neue Realität der Pandemie anpassen können. Bei Unternehmensanleihen kommt es vor allem auf Schuldentragfähigkeit, Liquidität und Zentralbankfähigkeit an. In Schwellenländern achten wir auf Haushaltsdefizite, Ölabhängigkeit und mögliche Risiken durch eine Aufwertung des US-Dollar.
Die Covid-19-Krise wird die Welt verändern. Weil die Nachbeben gerade erst einsetzen, ist aktive und sorgfältige Wertpapierauswahl jetzt besonders wichtig. Die Veränderungen kommen in Wellen, auf dem Weg zu einem neuen Gleichgewicht rechnen wir daher mit Volatilität. Durch immer größere Eingriffe von außen verändert sich dabei auch die Struktur der Kapitalmärkte, die Preisfindung wird chaotisch und kann Anleger auf Glatteis führen. Von einer ersten Welle könnten die Märkte profitieren, in denen die Eingriffe zu Preisverzerrungen geführt haben. So könnten etwa High Yield-Anleihen von den ersten Zentralbankinterventionen in Europa und den USA profitieren, allerdings in einer zweiten Normalisierungswelle unter Druck geraten.
Auch am Aktienmarkt könnten Überreaktionen günstige Bewertungen mit langfristigem Kurspotenzial zur Folge haben. Ein gutes Beispiel dafür ist die Luftfahrtindustrie: Von der Krise sind alle Fluggesellschaften gleichermaßen betroffen, doch Unternehmen mit soliden Bilanzen haben sehr viel bessere Chancen, die Krise auch zu überstehen. Die systemischen Verschiebungen haben außerdem erhebliche Auswirkungen auf das Tauziehen zwischen Inflation und Disinflation, das jetzt beginnt.
Der weltweite Nachfrageeinbruch spricht zunächst für Disinflation, die Konjunkturmaßnahmen (Verschuldung, Schuldenmonetarisierung, wirtschaftliche Regionalisierung statt Globalisierung) könnten dagegen die Inflation anheizen. In den vergangenen zehn Jahren haben wir uns an niedrige Zinsen und schwache Inflation gewöhnt. Jetzt steuern wir auf ein neues Gleichgewicht zu, das sich von dem alten deutlich unterscheiden wird. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Aktuell sollten Anleger vor allem auf ausreichende Liquiditätsreserven achten und aktiv in einzelne, sorgfältig ausgewählte Risikoaktiva investieren.”
Rechtliche Hinweise: Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von Amundi Asset Management und sind aktuell mit Stand 05.05.2020. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung von Amundi Asset Management. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte von Amundi Asset Management zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.
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