Das Investment: „Die Welt ist nun mal nicht nachhaltig“

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Wie geht man eigentlich vor, wenn man Unternehmen auf Sauberkeit überprüft? Till Jung ist bei Analysehaus Oekom Research für die Geschäftsentwicklung zuständig und spricht über widerspenstige Unternehmen, saubere Ölkonzerne und Mut zur Lücke.
DAS INVESTMENT: Warum sollte man in der so kostenbewussten heutigen Zeit auf Unternehmen setzen, die Menschen, Tiere und Umwelt fair behandeln? Das ist doch teuer.
Till Jung: Es lohnt sich trotzdem. Nehmen wir das Thema Energie-Effizienz, das rentiert sich sehr schnell.

Was man über hohe Gehälter, Kantinen und Betriebskindergärten aber nicht sagen kann.

Jung: Unterschätzen Sie bitte nicht, wie ein Unternehmen von Mitarbeitern wahrgenommen wird. Es ist schwierig geworden, gute Leute zu finden. Zumindest in den Industrieländern gewinnt Personal enorm an Bedeutung. Wenn es schlecht motiviert ist, kann das richtig teuer werden.

Manche Unternehmen springen auch mit ihren Zulieferern und Kunden nicht gerade zimperlich um.

Jung: Das führt zu Problemen bei Qualität, langfristigen Bindungen und Reputation allgemein. Ein Beispiel ist der Kleidungskonzern H&M. Er hat von Investoren und der Öffentlichkeit enormen Druck bekommen, bei seinen Lieferketten für Ordnung zu sorgen. Das Gleiche gilt für Apple. Die Konzerne sollten es sehr ernst nehmen, wie sich ein Imageverlust auf den Umsatz auswirken kann. Gerade heute geht das im Zuge der sozialen Netzwerke immer schneller.

Woher beziehen Sie Ihre Informationen, wenn Sie Unternehmen analysieren?

Jung: Wir nutzen zunächst alles, was die Unternehmen selbst veröffentlichen. Außerdem prüfen wir, ob alle Angaben der Unternehmen glaubwürdig sind. Dafür verwenden wir vor allem Berichte und Informationen von Nicht-Regierungsorganisationen und aus renommierten, vertrauenswürdigen Medien.

Was ist, wenn ein Unternehmen sauer auf Sie ist?

Jung: Wir bieten jedem Unternehmen an, den Rating-Entwurf zu besprechen. Manchmal liefert es dann weitere Informationen oder eben eine Gegendarstellung. Wir wägen dann ab, wer überzeugender ist. Bleibt es dann bei einer Gegendarstellung, kommt sie mit in den Bericht, das Rating lassen wir aber unverändert.

Wie können Sie sicher sein, dass Sie nichts übersehen. Zum Beispiel in weit verzweigten Lieferketten?

Jung: Das können wir nicht. Die 100-prozentige Gewissheit gibt es nun mal nicht. Wenn es Risiken in Lieferketten gibt, schreiben wir das zwar mit in den Bericht. Aber wenn wir es nicht konkret nachweisen können, bleibt das Rating so bestehen.

Also Mut zur Lücke?

Jung: Nicht von vornherein. Vermuten hilft nichts, wir wollen immer sicher sein.

Wurden Sie schon verklagt?

Jung: Das nicht, aber einigen Druck haben wir schon bekommen.

Kann es den Unternehmen nicht einfach egal sein, was Sie schreiben?

Jung: Früher war das noch oft der Fall. Aber jetzt nimmt die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit enorm zu, da ist es den Unternehmen nicht mehr egal, was Anleger über sie denken. Inzwischen nehmen deutlich mehr Unternehmen aktiv am Rating-Prozess teil, als das noch früher der Fall war.

Und wenn die Unternehmen es ablehnen, von Ihnen durchleuchtet zu werden?

Jung: Das ist letztlich egal. Wir arbeiten ja nicht für sie, sondern für unsere Kunden. Und die wollen die Informationen haben, sonst investieren sie eben nicht.

Viele Anleger schließen manche Branchen ohnehin aus.

Jung: Ja, das ist ein Ansatz, den viele fahren. Fast noch wichtiger finde ich aber die Frage, wie ein Unternehmen sein Geschäft betreibt, und nicht welches. Also wie es mit den Nachhaltigkeitsrisiken seiner Branche umgeht, und ob es verantwortlich handelt. Aber gerade Publikumsfonds schließen auch viele Geschäftsfelder von vornherein aus.

Warum?

Jung: Um möglichst viele Privatanleger anzusprechen. Sie versuchen bei den Kriterien, viele Nachhaltigkeitsthemen abzudecken, damit für jeden was dabei ist. Großanleger lassen sich dagegen ihre Fonds direkt auf ihre Vorstellungen zuschneidern.

Kann es überhaupt Ölunternehmen geben, die ihr Geschäft sauber ausüben?

Jung: Bei uns erreicht nur ein Ölunternehmen den Prime-Status, das ist Total mit dem Rating B-. Das Unternehmen arbeitet schon ganz gut, hat aber auch einige Kontroversen, die bei vielen unserer Kunden zum Ausschluss führen.

Hat nicht jedes Unternehmen irgendwelchen Dreck am Stecken?

Jung: Nun ja, in den konventionellen Branchen haben wir tatsächlich kein einziges Unternehmen mit einem A-Rating. Die Welt ist nun mal nicht nachhaltig.

Von: Andreas Harms
Quelle: Das Investment

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