SJB | Korschenbroich, 10.03.2014. Drei Spezialisten vorn auf der Bühne. Es geht um Aktien, Spekulationsblasen und Gold. In dieser Podiumsdiskussion fällt so manche Warnung, die man sich zu Herzen nehmen sollte. Ulrich Kaffarnik weiß, wie man das Herz des Hamburgers gewinnt: mit Schmeichelei. So schmettert er gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion dem Publikum ein fröhliches „Ich bin ja ein alter Hamburg-Fan“ entgegen – und bekommt erst einmal ordentlich Applaus.
Klappt zuverlässig. Leichte Buh-Rufe gibt‘s dagegen, als Podiumsmoderator Peer Reichelt etwas moralische Unterstützung für den HSV einfordert. Fußball ist in Hamburg eben doch noch Ansichtssache. Der Maklerpool Netfonds Financial Service (NFS) feiert seine Jahresauftaktveranstaltung. Ein Höhepunkt ist die Podiumsdiskussion vorn auf der Bühne. Mit dabei:
– der kurzfristig für die ausgefallene DWS-Legende Klaus Kaldemorgen eingesprungene Ulrich Kaffarnik, Vorstand bei DJE Kapital
– Manfred Schlumberger, Geschäftsführer bei BHF Trust
– Guido Bartels, Fondsmanager bei Ethenea, vor allem bekannt durch den defensiven Mischfonds Ethna Aktiv E
– und Moderator Peer Reichelt, Geschäftsführer bei NFS und mitverantwortlich für die Produktauswahl
Es geht – natürlich – um die Aktienmärkte. Ja, Aktien sind gewinntechnisch noch immer das Maß der Dinge. Woanders ist derzeit kaum ein Blumentopf zu holen. „Die Risk-on-Phase geht weiter“, zeigt sich Guido Bartels überzeugt. Aber er grenzt auch ein, dass das alles mitnichten eine Einbahnstraße wird in diesem Jahr. „Wir haben den Fuß auf der Bremse und die Hand am Hörer, um notfalls schnell aussteigen zu können.“
Auch Manfred Schlumberger hält Aktien weiter für – Achtung, Unwort! – alternativlos. „Aber sie sind eben auch nicht risikolos, wie der Januar gezeigt hat“, fügt er hinzu. Ja, der Januar mit seinen Kurseinbrüchen. „Das kam nicht unerwartet, der Optimismus war schon ein bisschen zu stark verbreitet“, weiß Ulrich Kaffarnik.
Europa muss jetzt liefern, sonst geht’s bergab
Und wie geht es weiter? „Die Bewertungen sind inzwischen nicht mehr niedrig, Unternehmen müssen nun Gewinne liefern, was mithilfe der verbesserten Konjunktur klappen dürfte“, gibt sich Schlumberger grundsätzlich optimistisch. Sollte es hier aber mal haken, wäre das ein Grund für Korrekturen, denn „die eine oder andere schwache Hand muss der Markt noch abschütteln.“ Er sieht die Geldwelle aus den Schwellenländern in Richtung europäischer Aktien noch nicht abebben, sondern das Jahr über weitergehen. „Die Geschichte hat erst im August 2013 begonnen und ist noch lange nicht vorbei. Kapitalmärkte verhalten sich meist relativ langsam“, erklärt er.
Eine ausdrückliche Warnung kommt aber vom angenehm erfahren wirkenden Ulrich Kaffarnik: „Das Ganze ist kein europäischer und erst recht kein deutscher Aufschwung“, mahnt er. „Es ist ein amerikanischer Aufschwung. Deren Institutionelle, Hedgefonds und Pensionskassen geben hier die Richtung vor – derzeit nach Norden, aber vielleicht auch bald nach Süden. Sobald die Europäer nicht liefern, was Gewinne und Aufschwung betrifft, kann das Geld ganz schnell wieder in Richtung Schwellenländer abfließen.“ An solchen Sätzen merkt man deutlich: Der Mann hat in seinem Leben schon einige Crashs miterlebt – und daraus gelernt.
Das lässt er auch an einer anderen Stelle durchblitzen, nämlich bei der Facebook-Frage. „Was Facebook mit der WhatsApp-Übernahme gemacht hat, ist Neuer Markt pur. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich so etwas noch einmal erlebe“, sagt er.
An dieser Stelle erinnern wir uns: In den Jahren 1998 bis 2001 gab es eine Phase, in der Anleger gierig nach Aktien waren und jede Internet-Bude zu fast jedem Preis kauften. Viele schrieben nie Gewinne und verschwanden vom Markt – genau wie das Geld der Anleger. Waren die Firmen profitabel, rangierten ihre Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) in dreistelligen Regionen oder höher. Der Dax dagegen ist im Durchschnitt schon bei einem KGV von 20 teuer.
Einfach mal Intel und IBM betrachten
Auch Kaffarnik hatte diese Zeit miterlebt. Für ihn sind aufgeblähte Titel wie Facebook oder Amazon eine Spekulationsblase und unter Bewertungsgesichtspunkten ein glattes „No Go“, wie er auf Neudeutsch formuliert. Geht also echt nicht. Stattdessen erinnert er an unentdeckte Value-Aktien wie IBM oder Intel. Trotz Probleme und Margendruck: „Deren Bewertungen sind ein Witz.“
Irgendwann ist es Zeit für das nächste große Thema. Wobei es vor zwei Jahren noch Thema Nummer 1 gewesen wäre, wie Moderator Reichelt sehr treffend bemerkt: Gold und Rohstoffe, „lange Zeit der Krisenjoker“.
„Der Superzyklus ist definitiv zu Ende und kommt so schnell nicht wieder“, stellt Schlumberger nüchtern fest. Die Gründe seien günstige Energie durch die neuen Fördermethoden in den USA und nachlassendes Wachstum in China, was die Rohstoffnachfrage dämpft. Keiner der beiden anderen widerspricht. Allerdings seien die entsprechenden Aktien einen Blick wert, so Schlumberger weiter: „Es ist die schlechteste Branche in den letzten zwei Jahren.“
Beim Goldstandard verbieten Staaten Goldbesitz
Gold hält er weiter für eine Glaubensfrage. „Ein bisschen sollte man vielleicht immer haben. Sollten allerdings Staaten irgendwann tatsächlich den Goldstandard einführen, würden sie den privaten Goldbesitz sicher verbieten“, meint er sehr treffend. Die anderen nicken, und auch wir lassen das an dieser Stelle einfach mal wirken. Aber auch hier werden die Aktien interessant. Schlumberger: „Sie sind um 70 bis 80 Prozent eingebrochen, da reicht ein stabiler Goldpreis für eine ordentliche Kurserholung schon aus.“
Generell lässt sich feststellen, dass dort vorn drei Goldskeptiker sitzen, sogar DJE-Mann Kaffarnik. Dort hat man sich vor einem Jahr von Gold getrennt. Kaffarnik hält Gold nun für einen Trading-Markt in einer Spanne zwischen 1.200 und 1.400 Dollar.
Guido Bartels hat noch nie was von Gold und Rohstoffen gehalten: „Wir haben vielleicht den einen oder anderen Wert in homöopathischen Dosen, aber ansonsten halten wir uns aus diesem hochspekulativen Markt lieber raus.“ Und Gold sei sowieso nur etwas „für den Spaß an der Freud“, Schutz vor Inflation sei dagegen statistisch einfach nicht nachzuweisen.
Eine interessante Diskussion geht zu Ende. Leider waren die Positionen nicht so gegensätzlich, dass etwas Pfeffer in die Sache kam. Aber der sauber und ruhig durchmoderierende Peer Reichelt ließ alle gleichmäßig zu Wort kommen und sprach die wichtigsten Themen an. Passt.
Von: Andreas Harms
Quelle: DAS INVESTMENT.