Das Investment: Tim Albrecht: „Deutsche Unternehmen nicht innovativ? Das ist Humbug!“

sjb_werbung_das_investment_300_200

In einem aktuellen Interview auf DAS INVESTMENT.com rechtfertigt DWS-Manager Tim Albrecht das aktuelle Rekordhoch im Dax und erläutert, warum er seinem Fonds auch in den kommenden 15 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 9 Prozent pro Jahr zutraut.

 

DAS INVESTMENT: Sie sind gerade aus dem Urlaub zurück. Sind Sie da zum Lesen gekommen?

Tim Albrecht: Nur E-Mails.

Wirklich? Ihre Mutter ist Germanistin.

Meine Frau hat Bücher gelesen. Bei mir hat es nur für E-Mails gereicht. Das ist der Fluch und Segen des Blackberrys. Früher, als es das noch nicht gab, war man abgeschnitten, konnte lesen und kam mit Bauchschmerzen zurück ins Büro, um 14 Tage lang alles abzuarbeiten. Heute sitze ich zwei Stunden am Tag an meinen Mails und komme zurück, und alles ist relativ sauber.

Gibt es Buch-Tipps von Ihrer Mutter?

Meine Mutter erzählt mir, was sie liest. Sie ist auch in einem Buchclub, diskutiert und stellt vor. Aber ich muss leider passen. Es reicht nur zur Fachpresse.

Überrascht Sie das Diesel-Gate deutscher Automobilkonzerne?

Ich habe während der Finanzkrise hautnah mitbekommen, wie die Banken durchleuchtet wurden. Wenn man wirklich jeden Stein umdreht, stößt man in vielen Branchen auf Vorgänge, die man als fragwürdig ansehen könnte. Das Thema gab es im Technologie-Sektor, dann bei den Banken, jetzt ist es der Auto-Sektor. Es gab das Schienen-Kartell und Absprachen im LKW-Bereich. Die Entwicklung jetzt muss man mal abwarten. Komplett überrascht hat sie mich nicht.

DWS Deutschland LC

ISIN: DE0008490962
Performance 1 Jahr: 25,9%
Volatilität 1 Jahr: 12,6%

Sie hielten den Auto-Sektor jüngst für unterbewertet.

So ist es auch nach wie vor. Es gibt einen deutlichen Bewertungsabschlag zum Gesamtmarkt. Gerade die Zulieferer haben wir übergewichtet. Wir wollen zwar nicht den Helden spielen und uns gegen den Gesamtmarkt stellen, glauben jedoch an Zukunftstechnologien.

Wünschen Sie sich in der deutschen Industrie mehr Innovationskraft, Stichwort Tesla?

Ich wehre mich gegen den Eindruck, Deutschland und deutsche Unternehmen seien nicht innovativ. Das ist Humbug. Es gibt Statistiken über Patentanmeldungen. Da läuft es gerade in unseren Schlüsselindustrien wie dem Maschinen- und Anlagenbau, der chemischen Industrie oder dem Automobilsektor gut. Auch im deutschen Automobilbau gab es in den vergangenen Jahren eine hohe Zahl an Innovationen, zum Beispiel in der Fahrzeugelektronik. Unternehmen wie SAP oder Siemens haben sich darüber hinaus frühzeitig mit den Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 beschäftigt. Da sollten wir also nicht zu streng mit uns selbst sein.

Sie sind seit 15 Jahren für den DWS Deutschland verantwortlich – und haben jüngst verkündet, dass wir in der besten aller Zeiten leben.

Das wiederhole ich auch heute gern. Wir haben im Grunde eine sehr gute Stimmung in der deutschen Wirtschaft, ein ordentliches Wachstum, gute Konsumentenstimmung, nach wie vor eine Geldschwemme, Niedrigzinsen, Anlagedruck, Finanzrepression. Die Bewertungen deutscher Unternehmen sind noch günstiger geworden durch die kleine Korrektur an den Märkten. Wir haben attraktive Dividendenrenditen. Das ist nach wie vor ein sehr interessantes Umfeld für Aktienanlagen, auch wenn es sich zurzeit etwas nach Sommerloch und Nervosität anfühlt.

Nun hatten wir bereits vor zwei Jahren einen Dax-Stand von 12.000 Punkten. Fühlen Sie sich mit dem heutigen Stand wohler?

Absolut. Damals hatten sich die Aktienkurse von der Gewinnentwicklung abgekoppelt und sind innerhalb kurzer Zeit sehr stark gestiegen – in der Hoffnung, dass die Gewinne bei damals schwachem Euro nachziehen. Wir haben da schon gewarnt, dass das Währungsthema oft überschätzt wird. Die deutschen Unternehmen exportieren nicht mehr alles von der Heimat aus in die Welt, stattdessen haben sie viele Produktionsstätten vor Ort aufgebaut. Anleger sollten sich deshalb nicht ins Bockshorn jagen lassen, nur weil wir gerade auf der Währungsseite einen entgegengesetzten Trend haben. Die Gewinnentwicklung rechtfertigt Rekordhochs. Aber das eine ist das Fundamentale, das andere die Psychologie. Und zurzeit kommt jede Woche ein neues Thema auf, sei es der Dollar oder Nordkorea. Mich überrascht es, dass wir keine stärkeren Zuflüsse am Aktienmarkt sehen. Wir müssen akzeptieren, dass Aktien trotz der Volatilität langfristig einfach die beste Anlageklasse sind.

Appelle für mehr Aktienkultur sind die Mühe kaum wert.

Ich setze mich seit jeher für eine stärkere Aktienkultur in Deutschland ein, aber das ist wirklich ein mühseliges Thema. Man kann die Pferde zum Wasser führen, aber saufen müssen sie schon selber. In Deutschland wird einfach viel zu wenig in die eigenen Unternehmen investiert. Viele sehen am Aktienmarkt nur Gefahren. Die aktuellen Rücksetzer kann man jedoch auch positiv sehen. Ich habe das Argument gehört, dass Anleger unseren Optimismus teilen, aber die Dax-Bewertung bei 13.000 Punkten kritisch sehen. Jetzt haben wir einen Rücksetzer von fast 1.000 Punkten gesehen, doch das Anlegerverhalten hat sich wenig geändert.

Wo sehen Sie den DWS Deutschland mit Blick auf die nächsten 15 Jahre?

Wenn man sich die historischen Daten anschaut, liegt der Dax bei jährlich 8 bis 9 Prozent Zuwachs. Trotz aller Probleme in der Eurozone und auf der Schuldenseite sollten die Unternehmen in der Lage sein, ihre Gewinne in den nächsten 15 Jahren pro Jahr um 6 bis 7 Prozent zu steigern. Das lässt sich durchaus auf den Aktienmarkt übertragen. Und wenn wir unsere Arbeit weiter ordentlich machen, packen wir da hoffentlich ein bis 2 Prozentpunkte an Performance pro Jahr drauf. Also halte ich bei dieser Entwicklung 9 Prozent pro Jahr über die kommenden 15 Jahre durchaus für möglich.

War es ein Fehler, den DWS Aktien Strategie Deutschland relativ lange offen zu halten, um dann in einen Hard-Close überzugehen?

Wir hatten ein fantastisches Jahr 2015, und in einem relativ kurzen Zeitfenster floss sehr viel Geld in den Fonds, der dann seine Kapazitätsgrenze erreicht hat. Sie haben recht, man hätte vorher darüber nachdenken können. Zum Beispiel hat uns im Verkaufsprospekt ein Passus gefehlt. Etwa eine Limitierung der Auftragsgröße oder eine Offenhaltung des Fonds für Kleinanleger und Sparpläne. Das haben wir jetzt geändert.

DWS Aktien Strategie Deutschland LC

ISIN: DE0009769869
Performance 1 Jahr: 24,1%
Volatilität 1 Jahr: 12,5%

Warum haben Sie so starke Konzepte für deutsche Aktien, weniger jedoch für europäische oder sogar globale Aktien?

Natürlich haben wir auch hervorragende Konzepte für europäische oder globale Aktien. Sie sprechen ja aber gerade meine Portfolios an – da sind wir ja stark in der Beimischung von Nebenwerten. Wir haben ein großes Team mit sieben Kollegen, die mich unterstützen. Deutschland ist unser Heimatmarkt, es ist unsere Heimatsprache, wir kennen die Unternehmen und sind gut vernetzt. Das auf andere Regionen zu übertragen ist nicht ganz einfach. Wie gut kenne ich mich mit französischen Nebenwerten aus? Wie ist es mit Portugal, Norwegen? Das ist der entscheidende Punkt. Und von global möchte ich gar nicht reden. Das ist dann nochmal eine ganz andere Herausforderung.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem ehemaligen Kollegen Henning Gebhardt?

Klar. Wir sind ja befreundet.

Spielen Sie auch Golf?

Nein, noch nicht. Ich habe immer zu Henning gesagt, wenn es mit dem Fußball bei mir nicht mehr klappt, dann wechsele ich auch zu ihm auf den Golfplatz.

Hat er mit seinem neuen Deutschland-Fonds von Berenberg, der ja durchaus eine Konkurrenz zum DWS Aktien Strategie Deutschland ist, einen gewissen Vorteil? Er kann quasi von der grünen Wiese aus loslegen.

Ich glaube, beide Seiten haben ihre Vorteile. Bei uns seien hier nur die Stichworte Vertrieb, großes Aktienteam und der Zugriff auf die einzelnen Unternehmen genannt. In manchen Presseartikeln war schon von knallharter Konkurrenz unter ehemaligen Kollegen zu lesen – so verbissen sollte man es nicht sehen. Im Grunde ist diese Entwicklung ein weiteres gutes Argument für aktives Fondsmanagement.

Dürfen Sie selber deutsche Aktien kaufen?

Ja. Wir haben allerdings sehr strenge Regelungen, was Haltefristen und Beschränkungen betrifft. In meinem Portfolio habe ich rund 25 Aktien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, da gibt es ein, zwei Veränderungen pro Jahr. Ein Großteil meiner Ersparnisse liegt aber im eigenen Fonds.

Haben die Kinder einen Sparplan beim Vater?

Natürlich.

Von: Malte Dreher

Quelle: Das Investment

Siehe auch

Fundview: Jörg Held von ETHENEA: „Bei vielen Investment-Häusern ist aktives Management in Vergessenheit geraten“

Im Wettbewerb überzeugen derzeit vor allem passive Produkte mit vielen Zuflüssen. Jörg Held, Head of Portfolio Management bei ETHENEA, sieht vor allem die eigene Inflexibilität und Benchmark-Fokus vieler Mischfonds als Grund dafür.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert