Das Investment: Thomas Wüst „Ich würde kurzfristig nicht auf den Dollar wetten“

sjb_werbung_das_investment_300_200Der Präsident der Europäischen Zentralbank hatte kurz vor dem Nikolaustag zwar gute Nachrichten für Aktionäre im Gepäck. Doch vielen Spekulanten fiel „Draghis Weihnachtsgeschenk“ wohl zu mickrig aus. Und auch Fed-Chefin Janet Yellen dürfte die Marktteilnehmer in einer Woche nicht zufriedenstellen.

Gute Einstiegskurse am Aktienmarkt sieht nach dem Dax-Kursrutsch infolge der EZB-Ratssitzung am Donnerstag der Stuttgarter Vermögensverwalter Thomas Wüst. Im Interview mit DAS INVESTMENT.com beantwortet er seine selbst aufgestellte Frage, ob die US-Notenbank Fed die Börsen auf eine weitere Talfahrt schicken wird:

DAS INVESTMENT.com: Wie erklären Sie sich die Turbulenzen an den Märkten nach der jüngsten Sitzung des EZB-Rats?

Thomas Wüst: Es hatte sich im Vorfeld wohl sehr viel Erwartungspotenzial aufgebaut. Doch dann kam es zu einer großen Enttäuschung für kurzfristig orientierte Anleger, die auf einen fallenden Euro gewettet hatten. In der Folge hat der US-Dollar seine fundamentale Überbewertung gegenüber dem Euro wieder ein wenig abgebaut.

DAS INVESTMENT.com: Welche Folgen hatte das für Anleger, die auf deutsche Aktien setzen?

Wüst: Damit ist jetzt ein besserer Zeitpunkt, um am deutschen Aktienmarkt einzukaufen, als vor der EZB-Sitzung. Das gilt auch für Großanleger wie uns, die bei stärkeren Rückschlägen ein Rebalancing vornehmen können. Denn zum Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Staatsanleihen und Immobilien sind Aktien, speziell in der Eurozone, noch immer vernünftig bewertet. Aber die Luft wird auch dort dünner.

DAS INVESTMENT.com: Ein großer Teil der Nachfrage am Aktienmarkt ist auf die lockere Geldpolitik der weltweiten Notenbanken zurückzuführen. Was bedeutet in diesem Zusammenhang der bald anstehende Zinsschritt der Fed?

Wüst: Ich bin mir gar nicht so sicher, dass die Fed wirklich bereits im Dezember die Zinsen wieder anheben wird. Die Zentralbanken kündigen heute eine Maßnahme zwar an, halten sich den Zeitpunkt aber offen. Aktuell hat die Fed die Chance, auf Zeit zu spielen. Denn die Rohstoffpreise sind im Keller. Das nimmt den Inflationsdruck aus der US-Wirtschaft heraus.

Wird die Zinswende verschoben?

DAS INVESTMENT.com: Wie lange dürfte die Fed denn mit der angekündigten Zinswende noch warten?

Wüst: Ich kann mir gut vorstellen, dass sie erst im neuen Jahr kommt. Denn die Rentenmärkte sind in der zweiten Dezemberhälfte erfahrungsgemäß relativ illiquide, da viele institutionelle Anleger ihre Bücher zum Jahresende hin schließen. Daher ist es fraglich, ob sich die Fed einen großen Gefallen tut, wenn sie die erste Zinsanhebung seit einem Jahrzehnt ausgerechnet im Dezember vornimmt.

DAS INVESTMENT.com: Was bedeutet das für die Devisenkurse?

Wüst: Ich würde kurzfristig nicht auf den Dollar wetten. Wenn die Fed in den kommenden Tagen nicht erwartungsgemäß liefert, dann ist der Dollarkurs gegenüber dem Euro schneller bei 1,10 als bei 1,05. Weil der Dollar ohne Zinsanhebung an Attraktivität verliert, könnte ein künftig schwächerer Dollar wieder ein günstiges Einstiegsszenario für uns sein, um neue Dollar-Positionen aufzubauen.

DAS INVESTMENT.com: Setzen Sie langfristig also doch auf US-Investments?

Wüst: Wir investieren hauptsächlich aus Diversifikationsgründen auch in die US-Währung. Die Idee eines vermeintlichen Zinsvorteils in den Vereinigten Staaten ist nämlich zu kurz gesprungen. Dieser wird für ausländische Investoren durch den ungünstigeren Wechselkurs wettgemacht, wenn sich in den USA wieder eine höhere Inflation einstellen sollte. Und ein überbewerteter Dollar verringert langfristig auch die Ertragsaussichten der amerikanischen Exportwirtschaft.

DAS INVESTMENT.com: Und wann dürften Ihrer Meinung nach hierzulande die Zinsen wieder steigen?

Wüst: Das wird frühestens Ende 2018 passieren. Im kommenden Jahr erwarte ich keinerlei Zinsschritte der EZB. Und auch in 2017 wird das schwierig sein. Denn jetzt ist die Politik gefragt, neben der gestoppten Neuverschuldung auch die Staatsschuldenberge abzubauen. Die Zentralbanken kaufen ihnen lediglich Zeit, um zu handeln. Und bis es soweit ist, bleiben die Zinsen in Europa niedrig.

DAS INVESTMENT.com: Bedeutet das weiterhin niedrige Erträge für konservative Anleger?

Wüst: Nicht unbedingt. Wir bauen unseren Klienten derzeit Brücken durch das Niedrigzinstal. Da auch Dividendenstrategien, die oftmals als alternativlos bezeichnet werden, allein derzeit nicht immer aufgehen, nutzen wir flankierend dazu ausgewählte Unternehmensanleihen. Außerdem stellen auch risikogepufferte Discount-Zertifikate für den Aktienmarkt eine Alternative dar.

Von: Christian Hilmes

Quelle: DAS INVESTMENT.

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