Das Investment: Der Stress bei Europas Banken geht weiter

sjb_werbung_das_investment_300_200Die Ergebnisse des jüngsten Stresstests für europäische Banken überzeugen DER-FONDS-Kolumnist Kai Heinrich nicht. Im Gegenteil: Der Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung sieht keine Trendwende in der von vielen grundsätzlichen Problemen gebeutelten Branche und rät vom Kauf entsprechender Aktien ab.

Eigentlich sollte sich mittlerweile jeder darüber im Klaren sein, dass es um Europas Banken nicht gerade gut steht. Ende Juli wurden die Ergebnisse des groß angelegten Banken-Stresstests veröffentlicht. Wie sie ausfallen, hätte man letztlich schon an den Aktienkursen der Banken erahnen können. Auch die beiden deutschen Großbanken Commerzbank und Deutsche Bank haben zwar den Test grundsätzlich bestanden, gehören aber zu den zehn schwächsten europäischen Geldhäusern.

Streiten lässt sich natürlich darüber, inwiefern der Stresstest ein realistisches Szenario wiedergibt. Doch steckt die Gefahr meist in dem, womit keiner rechnet. Im Durchschnitt lagen die deutschen Banken sogar hinter den irischen Banken. Zwar waren die meisten Institute in den vergangenen Jahren nicht untätig und haben über verschiedene Maßnahmen versucht, ihre Kapitalbasis zu erhöhen. Allerdings ist die Suche nach neuen, lukrativen Geschäftsmodellen schwieriger geworden. Die Rückkehr zu nachhaltiger Profitabilität wird für die Banken eine große Herausforderung sein.

Nach der Entscheidung der Briten für den Brexit kamen vor allem Bankaktien unter Druck. Der Druck wuchs nur wenige Tage später, als sich die negativen Meldungen rund um die italienischen Banken überschlugen. Auch hier überraschen die Meldungen niemanden so richtig, allerdings haben sie die Misere diesmal amtlich gemacht: Aufgrund der hohen Anzahl notleidender Kredite drohen italienischen Banken Ausfälle in Höhe von bis zu 350 Milliarden Euro. Diese Summe entspricht in etwa 21 Prozent aller in Italien vergebenen Kredite.

Wurde erst 2014 die Bankenunion beschlossen, die unter anderem die Abwicklung notleidender Großbanken regelt, wird diese nun schon beinahe wieder zu Grabe getragen. Ein Rettungsschirm muss mal wieder herhalten, um das marode Bankensystem weiter am Leben zu halten. Die ständigen Stützungsmaßnahmen erinnern doch stark an eine Art Konkursverschleppung.

Es ist in etwa so, als würde man einen Alkoholiker mit mehr Alkohol versorgen. Kurzfristig macht ihn der Alkohol glücklich, aber sein eigentliches Problem ist damit nicht gelöst. Im Gegenteil, es wird schlimmer. Das marode Bankensystem zu stützen ist natürlich für die Politik die bequemste und am wenigsten Aufsehen erregende Möglichkeit. Die Alternative wäre eine harte Marktbereinigung, in dem man angeschlagene Banken abwickelt und Platz für solidere Wettbewerber macht. Gläubiger der notleidenden Bank – Aktionäre, Anleihebesitzer und Sparer – müssten in diesem Falle für den Schaden aufkommen, bevor auf den Steuerzahler zurückgegriffen wird.

Die Gründung einer Bad Bank und die damit verbundene Auslagerung der notleidenden Kredite in ein solches Institut ist auch keine Lösung des Problems. Die Probleme werden lediglich in die Zukunft verlagert und auf den Steuerzahler abgewälzt. Die Sorge der Politiker, sich dem Aufschrei der Sparer im Falle einer Gläubigerbeteiligung stellen zu müssen, lässt sie den wohl bequemeren Weg gehen.

Ähnlich wie bei den Banken stellen sich die Probleme auf Staatsebene dar. Italiens Wirtschaft befindet sich im Abschwung, die Jugendarbeitslosigkeit erreicht Werte von über 40 Prozent und die Verschuldung liegt bei mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wie soll der Staat dem Bankensystem da den nötigen Rückenwind geben?

Landsmann Mario Draghi versucht schon alles in seiner Macht stehende zu tun. Durch den monatlichen Aufkauf von Staatsanleihen und dem schon seit längerer Zeit historisch niedrigen Zinsniveau hat der EZB-Chef zumindest alle Voraussetzungen geschaffen, um eine weitere Verschuldung zu fördern und zu vereinfachen. Diese Maßnahmen kaufen Zeit. Sie sind allerdings kein Problemlöser. Bislang ist es den verschuldeten Staaten nicht gelungen, die ihnen gewährte Zeit für nachhaltige Reformen zu nutzen.

Die Frage, ob sich das Bankensystem mit mehr Kapital, weiteren Sparmaßnahmen und stärkeren Haftungsregeln in Zukunft festigen lässt, ist unseres Erachtens mit einem klaren Nein zu beantworten. Klare Strategien, um zu nachhaltiger Profitabilität zurückzukehren, bleiben bislang aus. Das historische Niedrigzinsumfeld wird unserer Einschätzung nach noch eine sehr lange Zeit bestehen. Die Banken müssen sich neue, lukrative Geschäftsfelder erschließen.

Der ein oder andere Schnäppchenjäger fragt sich nun sicher, ob er die gebeutelten Kurse der Bankaktien zum Einstieg nutzen soll? Dies wäre letztlich eine Wette darauf, dass es den Banken in einem schwierigen Marktumfeld und angesichts vieler ungelöster Probleme gelingt, die Basis für eine Rückkehr zur Profitabilität zu schaffen.

Wer dies glaubt, kann den Einstieg wagen. Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen aber weiter mit großer Skepsis und haben Bankaktien bislang gemieden. Stattdessen favorisieren wir Aktien von Unternehmen mit einer bereits soliden Kapitalausstattung und einem guten und nachhaltig erfolgreichen Geschäftsmodell. Die sehr expansive Geldpolitik der Notenbanken, aber auch das zunehmende Misstrauen gegenüber dem System sollte bei den Anlegern eine bestimmte Anlageform ins Gedächtnis rufen, auf die wir in früheren Beiträgen schon hingewiesen haben: die Edelmetalle.

Über den Autor: Kai Heinrich ist Vorstand der Plutos Vermögensverwaltung AG in Taunusstein. Für DER FONDS schreibt er an dieser Stelle über Themen, die ihn im täglichen Kontakt mit seinen Kunden beschäftigen.

Von: Kai Heinrich

Quelle: Das Investment

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