Wie geht es weiter mit dem Ölpreis, fragte DAS INVESTMENT.com fünf Vermögensverwalter. Die Meinungen gehen weit auseinander, von weiteren massiven Einbrüchen bis hin zu einer baldigen Stabilisierung ist die Rede. Aber lesen Sie selbst.
Der Ölpreis ist derzeit so niedrig wie in der zweiten Ölkrise. Hatte Ed Morse, Chef der Rohstoffanalyse bei Citigroup, mit seiner Prognose, der Ölpreis werde in Kürze auf 20 US-Dollar pro Barrel fallen, Recht? Oder steht ein Aufschwung unmittelbar bevor? DAS INVESTMENT.com fragte bei fünf Vermögensverwaltern nach.
„Noch ist die Talfahrt beim Ölpreis nicht beendet und kurzfristig sind 20 Dollar pro Fass möglich. Dahinter dürfte politisches Interesse stecken, die Entwicklung der Frackingtechnik zu behindern. Denn während in Saudi Arabien die Förderkosten bei rund 10 Dollar das Fass liegen, müssen US-Fracking-Unternehmen das schwarze Gold für mindestens 30 bis 35 Dollar das Barrel aus der Erde pressen. Die OPEC hat ein starkes Interesse der aufkommenden Konkurrenz das Geschäft zu verhageln.
In 2016 ist mit einer Stabilisierung des Ölpreis zu rechnen, denn der politische Druck auf die OPEC wird zunehmen, die Förderkapazitäten anzupassen. Die Staatshaushalte von anderen Förderländern wie Russland, Brasilien oder Norwegen leiden jetzt schon erheblich unter dem niedrigen Preisniveau.“
“Das Hauptproblem ist in der Zerstrittenheit der Organisation Erdöl exportierender Länder zu sehen. Den Höhepunkt stellte der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran dar, die letztlich praktisch zu einer Handlungsunfähigkeit der Organisation führt.
Saudi-Arabien als Hauptinitiator der Niedrigpreispolitik versucht Marktanteile zu halten bzw. zu vergrößern. Allerdings darf man die Frage stellen, wie sinnvoll diese Strategie ist, wenn die Einnahmen selbst bei Marktanteilsgewinnen nicht mehr ausreichen, um den Staatshaushalt damit zu finanzieren und damit die politische Stabilität im Land zu erhalten? Solange hier keine Einigkeit herrscht, muss man von weiter fallenden Ölpreisen ausgehen.
Im Moment sieht es danach aus, dass sich die Ölminister der OPEC-Staaten erst wieder zur planmäßigen Sitzung im Juni zu Gesprächen treffen und nicht früher. Das lässt zumindest bis zur Jahresmitte keine signifikanten Änderungen erwarten.
Trotz aller politischen und religiösen Differenzen werden die beteiligten Staaten letztlich eine gemeinsame Strategie erarbeiten müssen, da es sich letztlich um die Haupteinnahmequelle handelt. Die offene Kommunikation des britischen Finanzunternehmens Standard Chartered, „der Ölpreis könnte auch wieder auf 10 US-Dollar fallen, erzeugt einen gewissen Druck. Häufig ist das dann das Ende einer Baisse“.
„Derzeit spricht nichts für eine Stabilisierung oder Erholung des Ölpreises.
Drei Faktoren üben Druck auf den Ölpreis aus: zum einen kann man sich derzeit aufgrund der vielen politischen Krisen kaum vorstellen, dass alle Ölförderländer sich wirtschaftlich auf neue Förderquoten einigen – zu gegenläufig sind derzeit die politischen Interessen.
Der Energiehunger Chinas hat sich deutlich abgekühlt. Trotz aller Vorsicht mit chinesischen Statistiken sprechen Experten davon, dass der Energieverbrauch Chinas im letzten halben Jahr deutlich zurückgegangen ist. Es gibt Schätzungen, die von einem Rückgang von bis zu 10 Prozent sprechen. Bei einem Land dieser wirtschaftlichen Dimension muss das Auswirkungen auf den Ölpreis haben.
Außerdem werden die Folgen des Frackings immer noch unterschätzt. Obwohl es sich um eine noch junge Technologie handelt, hat sie doch in großen Teilen die USA von Importen unabhängig gemacht. Beim Fracking kommt hinzu, dass – gerade weil die Technologie noch am Anfang steht – weiterhin enorme Effizienzverbesserungen auftreten werden. Das aus Fracking gewonnene Öl dürfte also immer billiger werden, der Druck auf die normalen Ölpreise bleibt somit bestehen.“
„Wer heute weiter fallenden Ölpreis prognostiziert, befindet sich in bester Gesellschaft. Fast alle bekannten Häuser sagen tiefere Kurse voraus. Das reizt, antizyklisch zu denken, zumal diese Banken aber auch Hedgefonds extrem hohe Short-Positionen halten. Und das nach über 70% Kursrückgang. Ich glaube, der Ölpreis ist weitestgehend „unten“.
Ich denke eine Stabilisierung steht vor der Tür. Zunächst darf man festhalten, dass nicht die Nachfrage eingebrochen sondern das Angebot gestiegen ist und mit dem Iran weiter steigen soll. In der Einschätzung der Ausweitung der Iranförderungen scheiden sich allerdings die Geister. Der Iran würde zwar gerne, kann aber nicht. Durch die Sanktionen fehlten der Ölindustrie Investitionen, d.h. die gesamte Ölinfrastruktur ist in einem schlechten evtl. sogar erbärmlichen Zustand. Das zuständige Ministerium schätzt den Finanzierungsbedarf für Wartungen und Erneuerungen auf bis zu 500 Milliarden US-Dollar.
Diese Investitionen erscheinen bei dem heutigen Ölpreis wenig lukrativ. Zumal das Geld nicht vorhanden ist. Ausländisches Kapital wird aufgrund der politischen Entwicklungen schwer zu gewinnen sein. Statt der geschätzten 1 Million Barrel pro Tag zusätzlicher Förderung dürften dann eher ca. 300.000 realistisch sein.“
“Zunächst kam der Ölpreis unter Druck, weil Saudi Arabien die USA und den Iran unter Druck setzen wollten. Mittlerweile sind viele Spekulanten eingestiegen und wetten mit großen Summen auf fallende Preise. Dadurch ist eine Eigendynamik entstanden, die nichts mehr mit Angebot und Nachfrage zu tun hat. Genau das gleiche Szenario hatten wir im Sommer 2008, wie der Preis Richtung 150 stieg. Ich vermute, dass die Spekulanten bei spätestens 20 Dollar/Barrel aussteigen.
Wenn die Spekulanten aussteigen und ihre Positionen eindecken, wird der Preis innerhalb von 3 Monaten oder weniger auf 45-50 Dollar steigen”.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.