SJB | Korschenbroich, 26.05.2015. Die Steuerverwaltung der Schweiz hat die Namen möglicher Steuersünder im Internet veröffentlicht. Mit dieser ungewöhnlichen Maßnahme möchte das Alpenland diejenigen Personen über die gegen sie angestrengten Fahndungsverfahren informieren, die anderweitig nicht ermittelt werden konnten.
Die Schweizer Steuerverwaltung ist momentan ein begehrter Anlaufpunkt. Ausländische Behörden treten mit Amtshilfegesuchen an sie heran und verlangen Auskunft über steuerliche Unregelmäßigkeiten, die ausländische Staatsangehörige betreffen. Die Schweiz ist gesetzlich verpflichtet, die betroffenen Personen über ihre Hilfeleistung an ausländische Behörden zu informieren.
In Fällen, in denen der Aufenthaltsort einer Person nicht ermittelt werden konnte, greift die Schweiz jetzt zu einer unkonventionellen Maßnahme: Sie veröffentlicht die Daten im Internet. Im Schweizer Bundesblatt zu lesen sind jeweils die Namen, Geburtsdaten und das Aufenthaltsland der Gesuchten. Bei amerikanischen Staatsbürgern werden lediglich Initialen, bei anderen auch volle Namen genannt.
Auch prominente Namen unter den Gesuchten
Auch bekannte Namen finden sich in der Auflistung wieder: Unter anderem ist der Ur-Ur-Enkel des ehemaligen deutschen Reichskanzlers Francisco José Ortiz von Bismarck unter den wegen möglicher Steuervergehen Gesuchten.
Bislang macht die Schweiz nur diejenigen Namen von Personen öffentlich, an die die ersuchenden Behörden nicht über gestohlene Datenbeständen gekommen sind. Doch auch das soll sich in Zukunft ändern.
Alexandre Dumas von der Eidgnössischen Steuerverwaltung räumte laut Schweizer Sonntagszeitung ein: „Es ist schon speziell, dass man den Namen einer von einem Amtshilfeersuchen betroffenen Person outet.“ Viele Länder ließen jedoch eine direkte Kontaktaufnahme nicht zu. Die Banken hätten offenbar wenig Interesse daran, die betroffenen Kunden zu suchen – zumal viele kein Konto mehr in der Schweiz hätten.
Das Echo in Deutschland
In Deutschland stößt die Praxis der Schweizer Behörde auf gemischte Reaktionen. Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) äußerte laut Handelsblatt sein Unverständnis: Da die Schweiz in der Vergangenheit nicht eben für Transparenz berühmt gewesen sei, scheine die neue Praxis verwunderlich. „Beim Kampf gegen Steuerhinterziehung geht es nicht darum, einzelne an den Pranger zu stellen, sondern darum, Gerechtigkeit im Sinne der großen Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler herzustellen“.
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) ließ dpa-Angaben zufolge verlauten: „Der Weg, den die Schweizer Steuerbehörde jetzt beschreitet, ist in der Tat speziell. Wenn die Schweiz Namen von Bundesbürgern im Zusammenhang mit möglichen steuerlichen Unregelmäßigkeiten nennt, müssen und werden unsere Behörden dem aber nachgehen.“ Es sei nicht zu bedauern, dass die Schweizer Veröffentlichungen Unruhe bei den Steuerhinterziehern ausgelöst haben, „die alle bisherigen Angebote zur Rückkehr zu gesetzestreuem Verhalten haben verstreichen lassen“, so Walter-Borjans weiter. „In Deutschland gelten allerdings Steuergeheimnis und Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Das wird sich auch nicht ändern.“
„Ein Schritt zu weit“
Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, hat in der Berliner Zeitung sein Befremden zum Ausdruck gebracht: „In Deutschland wäre so etwas nicht möglich.“ Eigenthaler findet das Vorgehen aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich. Dennoch verspüre er kein Mitleid mit den Betroffenen. Die Menschen seien mit der Geldanlage auf einem ausländischen Konto ein bewusstes Risiko eingegangen. Die Schweizer Geldhäuser versuchten mittlerweile Kunden loszuwerden, die ihre Einkünfte den Finanzämtern nicht offenlegen. „Nun erhalten sie von ihrer Schweizer Bank einen letzten Abschiedsgruß“, so Eigenthaler.
Als „einen Schritt zu weit“ bezeichnet Sven Giegold, Europa-Parlamentarier der Grünen, die neue eidgenössische Praxis. „Die Schweiz soll die ausländischen Behörden korrekt und vollständig informieren statt auf diese Weise in die Bürgerrechte einzugreifen“, wird Giegold in der Berliner Zeitung zitiert. Die Betroffenen seien schließlich nicht verurteilt.
Von: Iris Bülow
Quelle: DAS INVESTMENT.