Derzeit stimmen auffallend viele Auguren ein altbekanntes Klagelied an, über die Wiederkehr des Schreckgespenstes Inflation. Sie beschwören eine Zeit anhaltender Geldentwertung herauf. Ist diese Befürchtung jenseits öffentlichkeitswirksamer Effekthascherei berechtigt? Über drei Prozent Inflation – einer der größten Ängste besonders der Deutschen! Dafür müssen wir hierzulande über fünfundzwanzig Jahre zurückblicken, in die Zeit kurz nach der Wiedervereinigung. Schauen wir auf die Entwicklung der OECD-Inflationsrate in den letzten Jahren: Seit 2015 beobachten wir tatsächlich ein Anstieg, allerdings ausgehend von einem extrem niedrigen Niveau.
Das kommt nicht von ungefähr. Die US-Notenbank hob ihren Leitzins von null auf zuletzt maximal 2,5 Prozent. In den letzten Monaten folgten viele Zentralbanken der US-Notenbank Federal Reserve System (FED), während die Europäische Zentralbank (EZB) bisher keine Änderung ihrer Leitsätze vornahm.
Die amerikanische Notenbank reagierte mit ihrer Zinserhöhung auf die gestiegenen inflationären Gefahren. Diese resultierten zum einen aus der starken wirtschaftlichen Entwicklung und der Beinahe-Vollbeschäftigung in den USA. Zum anderen aus dem signifikanten Anstieg der Energiepreise. In Europa hingegen schoss die EZB sogar über ihr Ziel hinaus, die Inflationsrate in Richtung zwei Prozent zu bewegen – vor allem wegen des (temporär) starken Anstiegs des Ölpreises.
Eine Verlangsamung der Geldentwertung in Europa ist in diesem Jahr wahrscheinlich. Und zwar aus folgenden Gründen:
- Statistischer Basiseffekt: Bei der Berechnung der Inflationsrate (year to year) wird irgendwann der Höchststand des Ölpreises aus dem letzten Jahr von um 80 US-Dollar als Ausgangswert zugrunde gelegt. Heute liegt der Preis für einen Barrel der Sorte Brent bei knapp 60 US-Dollar. Das führt zu einer negativen Inflationsrate.
- Realwirtschaft: Ansteigende Kapazitätsauslastung oder eine beschleunigte Lohn-Preis-Spirale aufgrund angespannter Arbeitsmärkte ist die Voraussetzung für Inflation. Von beidem sind wir in Europa weit entfernt.
Und in den USA, dem Land der – Trump sei Dank – boomenden Konjunktur? Die jüngsten Anzeichen von der Wirtschaftsfront deuten eher eine Abkühlung an:
• Shutdown
• Handelskonflikte
• Zinsanstieg
• gestiegener Außenwert des Greenback in 2018
Die ursprünglich fest eingeplanten vier Zinserhöhungen durch die FED wurden auf erwartete maximal zwei reduziert. Auch der zehnjährige Zins für US-Treasuries reagierte auf dieses Szenario mit einem Rückgang von über drei auf mittlerweile um 2,75 Prozent.
Daher scheint – zumindest in diesem Jahr – die Inflation ein Schreckgespenst zu bleiben. Viele reden davon, aber keiner hat es gesehen
Von: Thomas Buckard
Quelle: Das Investment