Das Investment: Risikoklasse 2 – die scheinbare Sicherheit

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Seit es Strafzinsen auf Konten gibt, erfreuen sich risikoarme Zinsfonds steigender Beliebtheit. Doch sind sie wirklich so sicher? Schon das gesetzlich vorgeschriebene Messinstrument, der SRRI, und das Marktumfeld lassen Zweifel aufkommen.Der Fehler steckt schon im Namen. Denn das Kunstprodukt, das Anlegern durch den Fonds-Dschungel helfen soll, nennt sich Synthetic Risk and Reward Indicator (SRRI). Das heißt wörtlich „Synthetischer Risiko-Ertrags-Indikator“. So weit, so bürokratisch. Und der Fehler? Der Ertrag taucht im SRRI gar nicht auf (siehe Kasten rechts). Stattdessen gilt die Kursschwankung, also die Volatilität in Prozent, als Risiko-Indikator. Nach ihr allein richtet es sich, ob ein Fonds als risikoarm oder -reich gilt. Und das ist tückisch.

„In dieser Katalogisierung liegt ein völlig falsches Risikoverständnis“, bemängelt Oliver Morath, der bei der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch unter anderem den Vertrieb leitet. „Dass eine Anlage nicht schwankt, sagt doch gar nichts über das Risiko aus.“ Sein Beispiel ist ein Tagesgeldkonto mit einem Zinssatz von 0 Prozent. Dort verliert das Guthaben durch die Inflation jedes Jahr an Wert. Laut SRRI gilt es aber als sicher, denn die Volatilität liegt schließlich bei null. Da ist definitiv was dran, eine erfreuliche Anlage geht aber anders.

Der SRRI bekommt jetzt ein Problem in den unteren Regionen

„Zu einfach, um wahr zu sein“, befand auch das Analysehaus Morningstar im Jahr 2011, als das Fonds-Informationsblatt KIID zur Pflicht wurde – und damit auch der SRRI, der auf einer Skala von 1 bis 7 abgebildet wird. Heute spielt die Risikoklasse (RK) eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, zu bestimmen, für welche Fonds ein Anleger geeignet ist. Und für welche eben nicht.

Doch der SRRI bekommt jetzt ein Problem in den unteren Regionen, speziell in der Risikoklasse 2 (RK 2). Um dort zu landen, darf ein Fonds aufs Jahr hochgerechnet nicht mehr als 2 Prozent schwanken. Das bekommen in der Regel geldmarktnahe Fonds hin, Fonds mit sehr kurz laufenden Anleihen und wenige, konservativ gemanagte Mischfonds mit straffem Risikomanagement. Schon eine etwas zu hohe Dosis Aktien könnte die Vola zerreißen.

Doch das durch die Europäische Zentralbank (EZB) gedrückte Renditeniveau macht es Fondsmanagern schwer, ohne Aktien und nach Kosten überhaupt noch eine schwarze Null hinzubekommen. In den 90er Jahren brachten Bundesanleihen noch Renditen zwischen 4 und 10 Prozent – einfach nur, indem man sie liegen ließ. Heute liegt die Rendite einer fünfjährigen Bundesanleihe ziemlich genau bei null, und das ist schon wieder viel, verglichen mit dem vergangenen halben Jahr.

„Defensive Fonds leiden derzeit stark“, bestätigt auch Björn Drescher, der mit seinem Unternehmen Drescher & Cie. den Fondsmarkt genau beobachtet. „Das Grundrauschen aus den Zinskupons ist nicht mehr da, deshalb ist es eine sehr undankbare Aufgabe geworden, risikoarme Erträge zu erwirtschaften.“

Undankbar deshalb, weil Fondsmanager entweder einen jährlichen Verlust ausweisen oder höhere Risiken eingehen müssen. Letzteres kann entweder über leicht länger laufende Anleihen passieren oder aber über schwächere Kreditschuldner, die bekanntlich höhere Zinsen für Kredite zahlen müssen als Premiumschuldner. Beides bringt höhere Renditen, also wieder zählbares Grundrauschen. Stichworte: Zinskurve und Rating-Leiter. Zurzeit können sie das auch noch machen, ohne gleich in eine höhere Risikoklasse aufzusteigen. Ein beliebtes Beispiel sind sogenannte Short-Duration-High-Yield-Fonds, die Hochzinsanleihen mit kurzen Restlaufzeiten enthalten.

Das funktioniert nicht zuletzt deshalb, weil die EZB über ihre Geldpolitik und jahrelange Anleihekäufe sämtliche Anleihemärkte in ein kollektives Koma versetzt hat. Die Volatilitäten liegen historisch extrem niedrig (siehe Chart). Doch das geht vorbei. Die EZB kauft schon deutlich weniger Anleihen als noch vor einem Jahr. Die Renditen sind bereits sichtlich gestiegen, die Kurse starteten turbulent ins Jahr 2018. Und werden die Vola steigen lassen.

Rein aus schwankungstechnischen Gründen gehen zumindest Kurzläufer hoher Qualität (Investment Grade) sicherlich in Ordnung. Gemessen an einem Anleihe-Index erreichten solche Unternehmensanleihen mit Laufzeiten von einem bis drei Jahren selbst in der Finanzkrise eine Volatilität von lediglich 2,5 Prozent.

Heikel wird es schon bei Hochzinsanleihen. Hier gibt es einen währungsgesicherten Index für Durationen von null bis zwei Jahren, der 2008 mit mehr als 11 Prozent fieberte. Das wäre dann RK 5 und nicht mehr im Sinne einer sehr defensiven Anlage. Es ist also eine sehr wichtige Frage, wie der Fondsmanager dosiert und welche Sicherungssysteme er in der Hinterhand hat.

Von dem Zinsdilemma eher nicht betroffen sind hingegen alternative Investments, also vor allem Hedgefonds, die weniger auf Grundrauschen aus Zinsen angewiesen sind als auf ihre Managementkünste. Und die können sie in turbulenten Märkten sogar besser ausleben als in komatösen. Aber es sind eben nur wenige Fondsmanager, denen über Arbitrage oder Long-short-Strategien gleichmäßige Renditen gelingen.

Es ist schwierig, an dieser Stelle genaue Zahlen zu liefern. Niemand weiß konkret, welche Fondsmanager sich welche Risiken neu in die Portfolios geholt haben. Niemand weiß, wie sich die Märkte weiterbewegen. Obendrein verändert sich der gleitende fünfjährige Durchschnitt der Vola nur langsam, und die zählt nun mal für den SRRI. Und dann muss die Vola auch noch vier Monate in Folge über der Marke von 2 Prozent liegen, damit der Fonds in die RK 3 aufsteigt. Kurzfristig kann dann aber schon einiges im Argen liegen.

Hört man sich bei Fondsgesellschaften um, bekommt man sämtliche Eindrücke bestätigt. Da ist zum einen der Trend, Geld von mit Null- oder gar Minuszins versehenen Konten wegzuschaffen und in risikoarme Fonds zu stecken. Und die wiederum enthalten zum anderen gern kurzlaufende Unternehmensanleihen. Zumindest ein kleines Plus soll so herauskommen. „Wir sehen eine stark steigende Nachfrage nach Produkten der Risikoklasse 2. Anleger suchen nach Investments, die die Charakteristika von Cash aufweisen und mit denen sie mögliche Strafzinsen verhindern können“, berichtet Claude Hellers, der bei Fidelity International unter anderem den Vertrieb an Privatkunden leitet. In seinem Haus habe man für solche Zwecke insbesondere die Kurzläuferfonds Fidelity Euro Short Term (ISIN: LU0267388220), der zum Beispiel zu einem Fünftel Anleihen aus dem Mittelmeerraum enthält, und Fidelity Global Short Duration (LU1731833304), der zu einem Drittel aus Hochzinsanleihen besteht. Beide sollen die Rendite heben.

Bei Letzterem sollte man natürlich die gegen den US-Dollar abgesicherte Anteilsklasse wählen. Sonst ist es allein durch den Wechselkurs mit der Risikoarmut dahin. Die Papiere im ersten Fonds bringen derzeit eine Rendite von 0,9 Prozent, im globalen Gegenstück sind es 4,2 Prozent, allerdings muss man hier noch die Kosten für die gesicherte Währung abziehen. Beide Fonds machen eine gute Figur und haben Erträge geliefert und dabei die Risikoklasse gehalten. Dass sie in der Tabelle unten nicht auftauchen, liegt allein daran, dass die darin enthaltenen Fonds über drei Jahre etwas mehr Gewinn geliefert haben.

Auch bei Blackrock setzt man auf Anleihen mit kurzen Laufzeiten verschiedener Märkte. Der Leiter des Privatkundengeschäfts in Deutschland, Christian Machts, nennt als Beispiel den Blackrock Defensive Yield (IE00BF0BZ577). „Er investiert in Staats-, Unternehmens- und Hochzinsanleihen aus Europa und den USA mit Restlaufzeiten unter zwei Jahren“, erklärt er. Die Portfoliorendite liegt bei etwa ei nem Prozent, und obwohl auch US-Werte enthalten sind, ist kein Währungsrisiko drin. Der Fonds startete im Mai 2017, ist also noch recht jung.

Die Tabelle enthält die Fonds aus der Datenbank von Morningstar, die folgende Kriterien erfüllen: echte Historie über fünf Jahre, mindestens eine schwarze Null über drei und fünf Jahre, maximal 2 Prozent Verlust über ein Jahr, Risikoklasse 2 laut KIID, für Privatanleger geeignet und Basiswährung Euro. Von den Rentenfonds kamen jene mit der höchsten Wertentwicklung über drei Jahre in die Tabelle.

Etwas anderes beobachtet Florian Uleer von Columbia Threadneedle, und zwar bei den Kunden. „Wir sehen, dass Anleger zunehmend bereit sind, etwas höhere Risiken einzugehen und alternativ zu Fonds der Risikoklasse 2 auch Produkte der Kategorie 3 in Betracht zu ziehen“, so der Deutschlandchef. Insbesondere sei es in seinem Haus eine Absolute-Return-Strategie, die Unternehmensanleihen über Long- und Short-Positionen enthalten kann. Der Fondsmanager kann also auch aus fallenden Kursen Gewinne ziehen.

Wie schon angedeutet: Noch ruht der See. Aber Anleger wie auch Berater sollten in den kommenden Monaten und Jahren hellwach bleiben, ob die risikoarmen Fonds es am Ende auch in irgendwann wieder ruppig werdenden Märkten immer noch sind.

Von: Andreas Harms
Quelle: Das Investment

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