Warburg | Hamburg, 31.10.2014.
Am vergangenen Sonntag hat die Europäische Zentralbank die Ergebnisse der ein Jahr andauernden “umfassenden Bankenprüfung” veröffentlicht. Die 130 größten europäischen Banken mussten sich im Vorfeld der Übernahme der europäischen Bankenaufsicht durch die EZB ab dem 4. November 2014 zum einen einer Bewertung unterziehen, die die Exaktheit des Buchwertes der Bankaktiva zum 31. Dezember 2013 überprüft hat (“Asset Quality Review”, AQR)
Zum anderen wurden die Banken einem Stresstest ausgesetzt, der die Widerstandsfähigkeit der Bankensolvabilität für zwei hypothetische Szenarien beleuchten sollte. Mit dem AQR gibt es nun erstmals klare, einheitliche und transparente Standards bei der länderübergreifenden Bewertung von Vermögenspositionen in den Bankbilanzen.
Auch wenn die geringe Profitabilität der europäischen Banken das größte Problem ist (und bleibt), sollte der Bankenstresstest dazu führen, verloren gegangenes Vertrauen der Anleger in die Banken zurückzugewinnen. Das Misstrauen der Anleger in die Bilanzqualität der europäischen Banken zeigt sich vor allem an der Bewertungskennzahl Preis zu Buchwert (PBV). Diese Verhältniszahl liegt derzeit für die Banken der Eurozone (gemessen am Sektorindex Euro Stoxx Banks) bei einem Wert von 0,8, d.h. der Kurswert der europäischen Banken ist 20% niedriger als ihr Buchwert. Diesen Abschlag halten wir nun nicht mehr für gerechtfertigt.
Wird das Ende des Stresstests nun dazu führen, dass die Banken zukünftig wieder mehr Kredite vergeben werden? Dass sich Banken im Vorfeld der Stresstestergebnisse mit neuen Kreditengagements zurückgehalten haben, ist ein nachvollziehbares Argument. Nun ist jedoch klar, wie die EZB die Qualität der Kredite und der Wertpapiere in den Bankbilanzen beurteilt, so dass dieser potenzielle Hemmschuh für die Kreditvergabe wegfällt. Angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds mit ungewissen konjunkturellen Perspektiven und weiterhin gering ausgelasteten Kapazitäten ist nicht davon auszugehen, dass die Nachfrage nach neuen Krediten in der nächsten Zeit rasant zunehmen wird. Die Ergebnisse des jüngsten Bank Lending Surveys der EZB zeigen jedoch, dass die Kreditvergabestandards zuletzt etwas gelockert wurden. Zudem berichten die Banken, dass die Kreditnachfrage etwas zugenommen hat und sich diese Entwicklung auch im vierten Quartal fortsetzen soll. Was die Einschätzung der zukünftigen Kreditnachfrage erschwert, ist die Tatsache, dass diese auch von der Entwicklung der Zinsen für Unternehmenskredite abhängig sind. Sollten die Zinsen in Italien und Spanien auf oder zumindest in Richtung des deutschen Niveaus sinken, könnet die Kreditnachfrage gerade in diesen Ländern deutlich zunehmen.