Unter Investoren herrscht weiterhin Unsicherheit. Die Märkte sind weitgehend von Richtungslosigkeit geprägt, die Konjunkturdaten weisen keine klaren Trends auf und die Unternehmensgewinne sind mäßig, allerdings nicht schwächer als erwartet. Auch der Informationsfluss zur Kursrichtung der Notenbankpolitik ist uneinheitlich. Anleger verhalten sich unentschlossen und eher vorsichtig, die Stimmung ist gedämpft. Sie halten hohe Cash Bestände, sehen jedoch die Marktperspektiven weitgehend „neutral“. Sowohl Rahmendaten als auch Anlegerverhalten signalisieren ein erhebliches Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die künftige Marktrichtung.
Die echten Unwägbarkeiten stecken allerdings zumeist in den beobachtbaren Daten. Diese Unwägbarkeiten gehen auf Ereignisse zurück, die urplötzlich in den Blickpunkt rücken und sowohl den globalen Ausblick als auch den Risikoappetit der Anlegerschaft belasten. Das sind beispielsweise die Anfälligkeit des Finanzsystems selbst, die jäh zutage tritt (Stichwort: Kreditkrise, Blitzcrash), (geo-)politische Überraschungen (unerwartete Wahlergebnisse, militärische Konflikte), Firmenpleiten mit massiven Auswirkungen auf andere Bereiche (LTCM-Krise 1998, Bilanzierungsskandale 2002/2003) oder Naturkatastrophen (Erdbeben in Japan 2011, Hurrikan Katrina 2005, Tsunami im Jahr 2004).
Da derartige Ereignisse vergleichsweise selten auftreten und entsprechend sehr viel schwieriger vorherzusagen sind, ist auch ihre Wirkung ungleich größer als die der neuesten Meldungen aus der Wirtschaft oder der jüngsten geldpolitischen Schritte. Daher sind vor allem hier die größten Unwägbarkeiten zu verorten, denen sich Investoren gegenübersehen. Gleichzeitig entziehen sich diese Faktoren weitgehend den Risikomessgrößen der Investmentbranche, denn Ereignisse dieser Art lassen sich nur schwer quantifizieren. Es ist daher wichtig, zu begreifen, dass die historische Volatilität nur bedingt als Berechnungsgrundlage für „Risiko“ taugt.
Der Mangel an branchenweiten Standards, um künftiges Marktverhalten zuverlässig einzuschätzen, sollte für Investoren indes kein Hindernis sein. Es lässt sich nicht vermeiden, dass manche Erschütterungen wie aus heiterem Himmel über die Märkte hereinbrechen. Das müssen die Märkte erst einmal hinnehmen und dann verarbeiten. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die Nassim Taleb als „Schwarze Schwäne“ bezeichnet. Andere Ereignisse lassen sich dagegen wohl besser als „Graue Schwäne“ beschreiben. Sie zeichnen sich vage am Horizont ab und es ist kaum abzusehen, in welche Richtung sie schwimmen werden. Ihre Wahrscheinlichkeit lässt sich hingegen qualitativ einschätzen, und damit ist es auch möglich, ihrer Marktwirkung zuvorzukommen.
Häufig fallen derartige Ereignisse in den (geo-)politischen Bereich, ausgelöst beispielsweise durch anstehende Wahlen, Volksabstimmungen, internationale Gipfeltreffen, Handelsgespräche, Militärkonflikte und in deren Folge Friedensverhandlungen. Hinzu kommt, dass grenzüberschreitende branchenweite Abschlüsse (OPEC) oder aufsichtsrechtliche Auseinandersetzungen über solche Abschlüsse bzw. anderweitiges unternehmerisches Verhalten (EU/Microsoft und Google) ebenfalls hochpräsente Swing-Faktoren für die Märkte darstellen können. Im Unterschied zu Schwarzen Schwänen lassen sich diese Arten von Ereignissen jedoch im Vorfeld abschätzen. Die Prognosequalität im Hinblick auf die Auswirkungen solcher Ereignisse kann durch genaue multi-dimensionale Analyse sowie ein hohes Bewusstsein für potenzielle verhaltensbezogene Fallstricke verbessert werden.
Man sollte sich hier in Bescheidenheit üben und akzeptieren, dass das bestmögliche Ergebnis einer solchen Analyse eine bessere Einschätzung der Schwimmrichtung unseres Grauen Schwans darstellt. Durch Unvoreingenommenheit, Flexibilität im Umgang mit neuen Fakten und indem man eine Vogelperspektive über die Antriebsfaktoren einnimmt, lässt sich die Prognosegenauigkeit bei „Grey Swan“-Ereignissen verbessern. Dazu bedarf es einer Kultur innerhalb des Investmentteams, in der Annahmen und Überzeugungen – mit allem Respekt – hinterfragt werden. Dabei kommen unter Berücksichtigung der beobachtbaren „Weisheit der Vielen“ (Buchmacher, Prognosen sachkundiger Gruppen*) wertneutrale historische Wahrscheinlichkeiten für ähnliche Ereignisse zur Anwendung. Anstatt Tunnelblick wird die Außenperspektive gepflegt.
Doch selbst mit all diesen Leitprinzipien ist die praktische Umsetzung alles andere als einfach, wie etwa die Überzeugung, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Brexit kommt, dass aus den anstehenden Wahlen in Spanien eine linksgerichtete Koalitionsregierung hervorgeht oder dass Trump die amerikanischen Präsidentschaftswahlen gewinnt. Keines dieser Szenarios ist völlig unwahrscheinlich, doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ihre Eintrittswahrscheinlichkeit eher gering. Auf jeden Fall sind sie noch nicht völlig von den Märkten eingepreist. Insofern besteht immer noch das Risiko, dass sie – sofern sie denn eintreten – erhebliche Wellen am Markt schlagen werden.
All das zeigt, dass man 100%ige Sicherheit nie erreichen kann. So sehr wir auch analysieren, nachdenken und diskutieren, ein Restrisiko bleibt. Doch durch gezielte Maßnahmen lässt sich dieses Restrisiko weitgehend minimieren. Es wird zwar Investoren nicht allen Widrigkeiten zum Trotz Schutz bieten, doch können durch fundierte Analyse robuste Portfolien strukturiert werden. Und das ist sicherlich die Energie wert, die man andernfalls darauf verwenden würde, den Kurs dieser rätselhaften Grauen Schwäne zu kartieren.
Autor: Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Multi-Asset bei NN Investment Partners, Den Haag
*Quelle: https://www.gjopen.com/challenges/3-gjp-classic-geopolitical-challenge-2016
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