Metropole | Paris, 11.08.2016.
Mittlerweile ist ein Monat seit dem überraschenden Ausgang des Referendums in Großbritannien vergangen. Die europäischen Aktienmärkte, die in den ersten Tagen nach dem Brexit-Votum eingebrochen waren, haben sich seitdem deutlich erholt und notieren inzwischen fast wieder auf ihren vorherigen Niveaus. Diese scheinbare Stabilität des Marktes täuscht jedoch über große Performance-Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren hinweg. Die sogenannten defensiven oder zinssensiblen Branchen entwickeln sich in dieser Marktphase weiterhin überdurchschnittlich – auf Kosten von Zyklikern und Finanztiteln -, wodurch die Bewertungsunterschiede auf extreme Niveaus gestiegen sind.
Findet die hohe Risikoaversion der weltweiten Anleger, die diese Entwicklung ausgelöst hat, ein Echo in den seit dem Brexit veröffentlichten Makro- und Unternehmensdaten? Sind die von bestimmten Titeln erreichten Bewertungsniveaus aufgrund des systemischen Risikos gerechtfertigt?
Die vorläufigen Schätzungen für die Einkaufsmanagerindizes (PMI) deuten darauf hin, dass der Brexit bisher nur geringe Auswirkungen auf das Geschäftsklima in der Eurozone hat. Lediglich in Großbritannien ist der PMI deutlich zurückgegangen und unter die Marke von 50 Punkten gefallen. Dieses Niveau deutet darauf hin, dass die britische Wirtschaft wahrscheinlich einen Rückgang verzeichnen wird, aber die Stimmung bei den Einkaufsmanagern ist immer noch deutlich besser als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2009. Auch auf die US-Wirtschaft scheint sich der Brexit nur geringfügig auszuwirken. Die Erholung der Aktivität bestätigte sich, und die Beschäftigungszahlen stiegen ebenso wie die Löhne wieder spürbar an. Die Gesamtinflation wird weiterhin durch den Rückgang der Energiepreise nach unten gedrückt, aber die Kerninflation bleibt in der Nähe des von der Fed festgelegten Zielwertes. Es wäre logisch, dass die US-Notenbank in den kommenden Monaten weitere Zinserhöhungen beschließt.
Die Unternehmensdaten für das zweite Quartal sind ebenfalls beruhigend ausgefallen. Da das Referendum gegen Quartalsende stattfand, wirkte es sich nicht auf die Quartalsergebnisse aus. Insgesamt waren die Zahlen jedoch erfreulich und haben die Erwartungen der Analysten übertroffen. Interessanter sind die Verlautbarungen der Unternehmen zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichungen. Die Geschäftsleitungen, mit denen wir uns trafen, haben in der Regel Aktionspläne erstellt, um ihre Rentabilität vor einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsaktivität zu schützen. Sie haben jedoch bisher keine negativen Entwicklungen festgestellt, abgesehen von dem Einbruch des britischen Pfund nach dem Brexit-Votum. Darüber hinaus haben die meisten Unternehmen ihre Finanzziele für das laufende Jahr bestätigt und in einigen Fällen (Atos, Capgemini, Telecom Italia, Technip, Schneider, Faurecia.) sogar angehoben. Die Kommentare in Bezug auf die Geschäftsaktivität in Großbritannien stehen ebenfalls in starkem Widerspruch zu den Einkaufsmanagerindizes. Obwohl die meisten Unternehmen in den Tagen nach dem Referendum einen vorübergehenden Umsatzrückgang festgestellt haben, scheint die Aktivität seitdem zu einem normalen Niveau zurückgefunden zu haben.
Der Unsicherheitsschock nach dem Referendum hat bisher keine katastrophalen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Unternehmen in Europa gehabt. Der Brexit bleibt ein politisches Ereignis, das keine schwere Wirtschaftskrise wie im Jahr 2009 ausgelöst hat. Wie wir bereits in unserem letzten Anlegerbrief geschrieben haben, sind die Bewertungen bestimmter europäischer Unternehmen dagegen so niedrig wie zu dieser Zeit. Dies ist insbesondere bei Finanzwerten der Fall, obwohl die von der Europäischen Bankenbehörde (EBA) und der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgeführten Stresstests die Solidität unserer wichtigsten Positionen in Banktiteln bestätigten. Zahlreiche Zykliker sind nach der Bekanntgabe des Referendumsergebnisses ebenfalls eingebrochen. Obwohl sich beide Sektoren seitdem leicht erholt haben, notieren ihre Kurse immer noch deutlich unter den Niveaus vom 24. Juni. Dagegen verzeichneten defensive und zinssensible Titel eine deutliche Outperformance und setzten die im Jahr 2014 begonnene Aufwärtsbewegung fort, begünstigt durch den massiven Rückgang der langfristigen Zinsen. Die Bewertungsunterschiede sind auf extreme Niveaus gestiegen und könnten im Falle einer weiteren Normalisierung der US-Geldpolitik schlagartig zurückgehen.
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