Pressemitteilung Invesco: Was bedeutet ein höherer Ölpreis für die Aktienmärkte?

Invesco | Frankfurt, 23.05.2018.

Marktkommentar Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist, Invesco: Seit einigen Wochen ist ein Barrel Öl so teuer wie seit mehreren Jahren nicht mehr. Ein höherer Ölpreis kann unterschiedliche Auswirkungen auf die Aktienmärkte haben. Meiner Ansicht nach sollten sich Investoren darauf einstellen, dass der Ölpreis die Aktienkurse indirekt unter Druck setzen könnte. Seit einigen Wochen ist ein Barrel Öl so teuer wie seit mehreren Jahren nicht mehr. In letzter Zeit bin ich häufiger gefragt worden, was das für die Aktienmärkte bedeutet.

Der Ölpreis kann zwar Auswirkungen auf bestimmte Marktsegmente und Branchen haben. Für erheblich bedeutender halte ich aber die potenziellen indirekten Auswirkungen — die unterschiedlicher Natur sein können.

Warum ist der Ölpreis gestiegen?

Der Ölpreis wird durch mehrere Faktoren beeinflusst. Ich werde mich hier auf einige wenige beschränken, die in jüngster Zeit besonders stark gewirkt haben. Der erste ist die vor kurzem getroffene Entscheidung der USA, das Atomabkommen mit dem Iran nicht zu verlängern. Dadurch kann der Iran jetzt kein Öl mehr an US-amerikanische Unternehmen verkaufen. Gleichzeitig drängt die US-amerikanische Regierung auch Unternehmen aus der Europäischen Union dazu, kein iranisches Öl mehr zu kaufen. Das könnte bedeuten, dass der Iran weltweit kaum noch Abnehmer für sein Öl findet, wodurch das globale Angebot schrumpfen und der Preis steigen würde. Der zweite Faktor ist die Verschlimmerung der aktuellen Krise in Venezuela, durch die sich die Ölproduktion noch weiter verringert hat. Nach OPEC-Angaben war die venezolanische Ölförderung im März 2018 mit rund 1,4 Millionen Barrel pro Tag so gering wie zuletzt vor 30 Jahren. Die Ölförderung in diesem Land ist seit mehr als einem Jahr rückläufig, da Venezuela in einen immer tieferen Sumpf von Korruption, maroder Infrastruktur, massiver Inflation und nicht mehr zu bedienenden Schuldenbergen gerutscht ist. Angesichts der Wiederwahl von Präsident Nicolas Madura am 20. Mai halte ich eine weitere Verschlechterung der Situation in Venezuela für wahrscheinlich. Sehr problematisch könnte das dadurch sein, da Venezuela einen größeren Anteil an den weltweiten Ölreserven hat als jedes andere Land.

Was bedeutet das für die Aktienmärkte?

Eine Frage, die mir in letzter Zeit häufig gestellt wurde, lautet: Was heißt das für die Aktienmärkte? Um derartige Fragen zu beantworten, schaut man sich am besten an, was in ähnlichen Situationen in der Vergangenheit passiert ist. Die Beziehung zwischen Ölpreis und globalen Aktienkursen hat in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark variiert. In manchen Phasen war die Korrelation positiv, in anderen negativ – und in den letzten drei Jahrzehnten war praktisch keine Korrelation festzustellen.1 Daraus schließe ich, dass es keine sehr ausgeprägte, allgemeingültige Beziehung gibt. Das wiederum bedeutet: Investoren sollten nicht davon ausgehen, dass ein höherer Ölpreis notwendigerweise schlecht für die Aktienmärkte ist. Die Entwicklung im Jahr 2010 verdeutlicht das sehr gut. Damals verteuerte sich Öl um rund 15% — von etwa 78 US-Dollar je Barrel für Rohöl der Sorte West Texas Intermediate im Januar 2010 bis auf 89 US-Dollar im Dezember 2010. Gleichzeitig legte der MSCI All Country World Index im Kalenderjahr 2010 um 12,67% zu.2 Zu erklären ist das dadurch, dass die Aktienkurse durch viele unterschiedliche Faktoren bestimmt werden — darunter die Geldpolitik, die sehr großen Einfluss haben kann.

Dagegen zeigte der Ölpreis eine sehr viel deutlichere Beziehung zu bestimmten Marktsegmenten und Branchen — vor allem zum Energie- und Transportsektor. Außerdem werden Aktien aus ölimportierenden Ländern tendenziell stärker durch einen höheren Ölpreis belastet, während Aktien aus ölexportierenden Nationen von höheren Ölnotierungen eher profitieren.3 Gleichzeitig dürfte ein sehr hoher Ölpreis eine erhebliche Belastung für Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen darstellen und damit auch Folgen für Teile des zyklischen Konsumsektors haben.

Deutlich größer aber könnten die indirekten Auswirkungen auf die Aktienmärkte — und die Wirtschaft insgesamt — sein. Diese dürften zudem unterschiedlicher Natur sein. Zum einen könnte sich die US-amerikanische Notenbank (Fed) infolge eines höheren Ölpreises gezwungen sehen, die Zinsen schneller zu straffen. Bei ihren Entscheidungen über das Tempo ihrer geldpolitischen Straffung orientiert sich die Fed bekanntermaßen an der Kerninflation — die keine Lebensmittel- und Energiepreise berücksichtigt — und nicht an der Gesamtinflationsrate. Daher nehmen viele an, dass ein höherer Ölpreis keine Auswirkungen auf die für die Fed maßgebliche Inflationskennzahl hätte. Tatsächlich aber kann und wird sich ein höherer Ölpreis auch in der Kerninflation niederschlagen. Das hat die US-amerikanische Notenbank selbst bestätigt:4 „Schwankungen des Ölpreises haben begrenzte, aber langanhaltende Auswirkungen auf die Kerninflation“, hieß es 2017 in einer Fed-Erklärung. Daher könnte der höhere Ölpreis über eine höhere Kerninflation — die durch andere inflationäre Kräfte wie das Lohnwachstum und Zölle auf Güter wie Aluminium und Stahl zusätzlich befeuert wird — die Fed dazu veranlassen, auf aggressivere Zinserhöhungen zu setzen. Das würde die Wirtschaft belasten und damit die Aktienkurse unter Druck setzen. Zugegebenermaßen dürfte eine solche Entwicklung erst mit erheblicher Verzögerung eintreten. Da ihre Auswirkungen zudem gewöhnlich begrenzt sind, halte ich dies nicht für einen bedeutenden kurzfristigen Sorgenfaktor. Komplett außer Acht lassen sollten wir dieses Szenario aber auch nicht.

Dann sind da noch die potenziellen Auswirkungen eines höheren Ölpreises auf die Rendite der 10-jährigen US-amerikanischen Staatsanleihe (Treasury). Im zurückliegenden Jahr war der Ölpreis positiv mit der 10-jährigen Treasury-Rendite korreliert. Das erklärt sich dadurch, dass letztere als Barometer der globalen Wachstums- und Inflationserwartungen gilt. Angesichts der inflationären Wirkung des höheren Ölpreises dürfte die Zehn-Jahres-Rendite in den USA weiter steigen, solange das globale Wachstumsumfeld robust bleibt. Das wiederum könnte zu einer Kurskorrektur an den Aktienmärkten führen, wenn die 10-jährige Treasury-Rendite wichtige Marken überschreitet und die Bewertungen unter Druck setzt. Wie der Internationale Währungsfonds (IWF) im Januar gewarnt hat, „könnten das hohe Bewertungsniveau der Vermögenswerte und die sehr niedrigen Laufzeitenprämien für eine Kurskorrektur an den Finanzmärkten sprechen. Diese könnte das Wirtschaftswachstum und die Marktstimmung beeinträchtigen.“ In den letzten Monaten war eine solche Entwicklung gleich mehrfach zu beobachten, als die 10-jährige Treasury-Rendite neue Marken überschritt und die Aktienkurse in der Folge nachgaben.

Kernaussagen

Auf kurze Sicht wäre ich daher nicht überrascht, wenn ein steigender Ölpreis die 10-jährige Treasury-Rendite weiter unter Aufwärtsdruck setzen und zu einer erneuten Kurskorrektur an den Aktienmärkten führen könnte. Allerdings glaube ich auch, dass eine höhere Ölförderung in den USA das fehlende Angebot aus dem Iran und Venezuela teilweise kompensieren wird — wenn auch mit Verzögerung. Außerdem halte ich die fundamentale Verfassung der Aktienmärkte weiter für sehr solide. Dadurch sollten Aktien nach etwaigen, durch den Anstieg der 10-jährigen Treasury-Rendite verursachten Kurseinbrüche von einer guten fundamentalen Unterstützung profitieren. In diesem Umfeld sollten sich Investoren auf insgesamt größere Kursausschläge an den Aktienmärkten einstellen.

Quellen
1 Quelle: Bloomberg, L.P.
2 Quelle: MSCI, in US-Dollar
3 Quelle: US Energy Information Administration, “Oil Prices and Stock Markets” Researchpapier, Stavros Degiannakis, George Filis und Vipin Arora, Juni 2017
4 Quelle: FEDS Notes, Cristina Conflitti und Matteo Luciani, Oktober 2017

 

Mit freundlichen Grüßen
Valentin Jakubow

Valentin Jakubow
Public Relations Manager
Germany, Austria, Switzerland & Continental Europe
PowerShares EMEA

Invesco Asset Management Deutschland GmbH
An der Welle 5
60322 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0) 69 29807-311
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valentin.jakubow@invesco.com

Geschäftsführer: Michael Fraikin, Dr. Sybille Hofmann, Bernhard Langer, Carsten Majer, Doris Pittlinger, Alexander Taft
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