Bellevue | Küsnacht, 29.01.2018.
Etliche Firmen haben Zulassungen für Gentherapien erhalten oder stehen vor entscheidenden klinischen Etappen. Die Produkte reparieren erblich bedingte Defekte bei körpereigenen Enzymen und Proteinen oder kommen als Immuntherapie gegen Krebserkrankungen zum Einsatz. Was Produktzulassungen angeht, war 2017 für die Gentherapien ein Schlüsseljahr. Dabei hatten sich die medizinischen Fortschritte hier über Jahrzehnte weitgehend unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung vollzogen. Zwar wurde 2012 mit Glybera von Uniqure in Europa die erste Gentherapie gegen eine erblich bedingte Stoffwechselstörung zugelassen. Weil Glybera aber kommerziell nicht erfolgreich war, hat Uniqure im Oktober 2017 keine Verlängerung der EU-Zulassung beantragt.
Marktreife Gentherapien gegen Leukämie …
Allerdings haben 2017 einige Medikamente, die das Potenzial für jährliche Milliardenumsätze mitbringen, den Durchbruch zur Marktreife geschafft. Den Anfang machte Novartis im August dieses Jahres mit der Zulassung von Kymriah. Dieses Präparat wirkt gegen Formen der akuten lymphatischen Leukämie und ist die erste in den USA zugelassene Gentherapie. Gilead Sciences setzte im Oktober das zweite Highlight und meldete im Oktober kurz nach der abgeschlossenen Übernahme von Kite Pharma die US-Zulassung für Yescarta. Diese ebenfalls auf der Basis der CAR-T-Technologie von Kite entwickelte Arznei kommt gegen Formen des Non-Hodgkin-Lymphoms zum Einsatz.
… und die nächste Produktgeneration
CAR-T war auch Gesprächsthema Nummer eins auf der Jahreskonferenz der American Society for Hematology (ASH) Anfang Dezember in Atlanta. Zu den Höhepunkten zählten die klinischen Ergebnisse, die Bluebird Biotech präsentierte. Das zusammen mit Celgene entwickelte Präparat bb2121 zeigte in der klinischen Phase I bei 94% der Patienten mit multiplem Myelom eine noch nie beobachtete Wirkung. Bereits 2018 will Partner Celgene eine klinische Studie starten, die zulassungsrelevante Ergebnisse liefern soll. Das multiple Myelom ist die zweithäufigste Form von Blutkrebs und galt bisher als unheilbar.
In den kommenden Jahren wird eine neue Generation von CAR-T-Therapien klinische Wirksamkeitsdaten präsentieren. Diese Kandidaten können auf die Erfahrungen mit den jetzt zugelassenen CAR-T-Produkten aufbauen und in Zukunft das Risiko von Nebenwirkungen verringern. Zu diesen Risiken zählen die als Reaktion auf die Behandlung auftretenden lebensbedrohlichen Überreaktionen des Immunsystems. Aus diesem Grund werden zellbasierte Krebstherapien vorerst auf einen Patientenkreis limitiert bleiben, bei dem herkömmliche Medikamente nicht mehr anschlagen. Dazu kommt der Kostenfaktor: Die Produktion und Verabreichung der Substanzen ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Dementsprechend hoch sind die Behandlungskosten. So verlangt Novartis für die Infusion von Kymriah USD 475 000, eine Behandlung mit Yescarta kostet USD 373 000.
Pioniere in weiteren Krankheitsfeldern
Die Behandlung von Bluterkrankheiten (Hämophilie) ist ein weiteres Feld für Gentherapien. Nach Schätzungen der World Federation of Hemophilia sind weltweit 150 000 Personen von Hämophilie A und etwa 30 000 Menschen von Hämophilie B betroffen. Auf der ASH-Konferenz 2017 zogen die klinischen Daten von Spark Therapeutics und Biomarin die grösste Aufmerksamkeit auf sich. Spark hat sein Gentherapie-Produkt gegen Hämophilie A bereits an Pfizer verpartnert. Weil nach Auffassung der Konferenzteilnehmer Biomarin mit seinen Daten den besseren Ansatz für Hämophilie A lieferte, geriet die Aktie von Spark während der Konferenz in Kursturbulenzen.
Allerdings legte Spark noch im Dezember mit der US-Zulassung für ein anderes Gentherapieprodukt nach. Luxturna wurde als Gentherapie zur Behandlung von genetisch bedingter Netzhautdystrophie bei Patienten mit einer bestimmten Genmutation zugelassen. Trotz des limitierten Patientenkreises hat das Produkt Blockbusterpotenzial, weil Experten davon ausgehen, dass Spark aufgrund des Heilungserfolgs einen Preis von bis zu USD 1 Mio. pro Patient festsetzen könnte.
Dass sich mit genetischen Therapieansätzen hohe Preise erzielen lassen, beweist auch die Antisense-Technologie, eine natürliche Möglichkeit der Genregulation für die Proteinbiosynthese. Mit Spinraza von Biogen/Ionis gegen spinale Muskelatrophie ist ein potenzieller Blockbuster auf dem Markt: Im 3. Quartal 2017, also neun Monate nach der Zulassung, ist der Umsatz auf USD 270.9 Mio gewachsen. Von den US-Biotech-Firmen Alnylam und Ionis befinden sich weitere Produkte in der fortgeschrittenen klinischen Entwicklung.
Dr. Cyrill Zimmermann, Head Healthcare Funds & Mandates zur Publikation im NewsCenter.