Allianz | Frankfurt, 13.05.2016.
Überwiegend schwächelnd zeigten sich die Konjunkturdaten, die zum Beginn der abgelaufenen Woche über die Märkte schwappten, allerdings ergibt die makroökonomische Tiefenanalyse ein insgesamt freundlicheres Bild der letzten Wochen. Unser „Macro Breadth Index“, der gut 170 Konjunkturdaten rund um den Globus aggregiert, weist auf eine fortgesetzte Stabilisierung der Weltkonjunktur hin, die bereits im März einsetzte. Trotz noch bestehender Abwärtsrisiken versprechen die Früh- und Leitindikatoren ein Wachstum der Weltwirtschaft entlang ihres Potenzials. Die Erholungsbewegung kommt dabei vor allem von den aufstrebenden Ländern, während der aggregierte Datensatz für die Industriestaaten wenig Verbesserung aufzeigt.
Die Tiefenanalyse zeigt: Deflationäre Tendenzen sind nicht in Sicht, wenn auch Risiken bleiben. Ein entsprechendes Bild gibt auch das Modell der St- Louis Fed für die US-Wirtschaft: Das Rezessionsrisiko ist leicht erhöht – aber eben nur leicht. In der kommenden Woche dürfte die Tiefenanalyse aus mehreren Blickwinkeln heraus fortgeführt werden:
1. Die Berichtssaison ist dabei weitestgehend abgeschlossen, zumindest in den USA. Zwar haben 74% der Firmen die Analystenschätzungen übertroffen, die Gewinnentwicklung im Vorjahresvergleich ist mit durchschnittlich -8% aber dennoch merklich im negativen Terrain, wobei der Energiesektor das gesamte Bild nach unten zieht. Ohne diesen läge der Gewinnrückgang nur bei -1%. In Europa ist die Berichtssaison in der Reifephase angekommen. Gemessen am STOXX 600 haben hier lediglich 44% der Unternehmen die Erwartungen übertroffen. Die Gewinnentwicklung war aber ebenfalls im Vorjahresvergleich rückläufig. Besonders die Energie- und Finanzwerte zogen das Bild nach unten. Nach einer bisher insgesamt unerquicklichen Berichtssaison ist jetzt kaum noch zu erwarten, dass sich das Bild ändert. Daher bleibt Tiefenanalyse 2 umso bedeutungsvoller:
2. Das Konjunkturbild. Es schreibt sich am Montag und Dienstag vornehmlich mit US-Konjunkturdaten fort. U.a. die Baubeginne, sowie die Industrieproduktion und die Kapazitätsauslastung sind hier zu nennen. Zahl der Woche aus dem Euroraum werden die Verbraucherpreise (Mittwoch), wobei diese nur eingeschränkt für Überraschungen gut sind, vermelden die Euro-Länder doch im Vorfeld bereits ihre nationalen Verbraucherpreise. Am Donnerstag liegt der Schwerpunkt dann wieder ganz auf den USA. Die Konjunkturindizes der Chicago- und Philadelphia-Fed stehen an. Dazu die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe. Die Erzeugerpreise (April) aus Deutschland schließen am Freitag den Reigen ab.
3. Was wäre die Konjunktur ohne die Geldpolitik. Von dieser Seite bleibt es in der kommenden Woche vergleichsweise ruhig, aber die Freunde des Kleingedruckten dürften ihre Freude an dem einen oder anderen Statement haben. Am Mittwoch stehen die Protokolle der FOMC-Sitzung von Ende April an, umringt von Statements mehrerer Chefs der föderalen Notenbanken. Am Donnerstag dann folgt die Zusammenfassung der geldpolitischen EZB-Ratssitzung. Das große Bild der Liquiditätsflut sollte unverändert bleiben. Die Auguren dürften aber die Ohren spitzen, ob z.B. leichte Schwächen am US-Arbeitsmarkt akzentuiert werden, oder ob aus dem Eurotower Bereitschaft für ein „im Zweifel noch mehr“ signalisiert wird.
4. Das Konzentrat aus Geldpolitik und Konjunkturverlauf dürfte am Freitag auf der Agenda der G-7 Finanzminister und Notenbankchefs stehen. Die Ouvertüre dazu könnte die BIZ („Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“) geschrieben haben. In ihrer jüngsten Analyse ruft sie nach einem koordinierten Vorgehen der großen Zentralbanken. Vielleicht kommt es am Ende ja doch zu einem „Louvre Accord 2.0“ und damit zu einem Ausbruch aus dem Gefangenendilemma der Geldpolitik. Bereits im Februar hatten die G-20 vereinbart „to consult closely on policy spill-overeffects“. Passiert ist seither nichts. Eher im Gegenteil.
5. Technik: Technisch betrachtet bleibt die Lage angespannt, was sich u.a. in der Divergenz der Sektoren abzeichnet. Am USAktienmarkt stehlen die defensiven den zyklischen Titeln die Schau, ebenso wie der breite S&P 500 relativ besser abschneidet als der NASDAQ und der Transportsektor. Während die Aufwärtsbewegung an Breite verliert, nehmen die Zeichen für steigende Volatilität zu. Gut nur: Der Anteil der „Bullen“ unter den USamerikanischen Privatinvestoren bewegt sich unverändert auf einem äußerst niedrigen Niveau. Was gegen eine Überhitzung spricht. Die Staatsanleihen bewegen sich in technisch abgesichertem Terrain. Öl zeigt sich gemessen an den Long-Positionen als überkauft.
Verstehen. Handeln.
Was lassen die „Tiefenbohrungen“ erwarten? Keine Rezession, keine Deflation und üppige Liquidität. Dazu sollten Überraschungen von der G-7 nicht ausgeschlossen werden, während die Technik ein wenig erfreuliches Bild zeichnet. Kurz: „Volatilität“ heißt das Zeichen der Zeit weiterhin.
Eine tiefenanalytische Woche wünscht Ihnen,
Hans-Jörg Naumer