Allianz | Frankfurt, 16.10.2015.
Die zurückliegenden Wochen waren wahrhaftig keine einfachen, weder für die Investoren, noch für die Ökonomen. So schimmerte u.a. die Wachstumsfrage, verbunden mit dem unschönen „D-Wort“ immer wieder durch, getrieben hauptsächlich von der Datenlage in den aufstrebenden Staaten und dem Rohstoffpreisverfall. Wie unsere makroökonomische Tiefenanalyse zeigt, blieb die konjunkturelle Abkühlung der Emerging Markets bisher jedoch noch ohne wesentliche Auswirkungen auf die Industriestaaten – dank einer soliden Binnennachfrage, und besonders dank eines kräftigen privaten Konsums. Gleichwohl zeigt sich, dass die unruhige Indikatorenlage der letzten ca. zwei Monate der Vorgeschmack einer bevorstehenden Entkoppelung von Emerging Markets und Industriestaaten sein könnte.
Ein weiterer Abschwung der aufstrebenden Staaten würde die Risiken für die Weltwirtschaft aber insgesamt erhöhen. Es ist deshalb kaum eine Überraschung, dass der IWF seine Wachstumsschätzungen für das kommende Jahr bereits leicht nach unten revidiert hat. Er erwartet jetzt für 2015 ein Wachstum der Weltwirtschaft von real 3,1% und für 2016 von 3,6%, und bewegt sich damit exakt im Einklang mit unseren Erwartungen. Stunden der Ökonomen eben.
Die neue Woche beginnt in aller Frühe des Montags mit der Industrieproduktion und dem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im dritten Quartals in China. Am Dienstag folgen die deutschen Erzeugerpreise und die US-Baubeginne. Am Donnerstag folgt der Geschäftsklimaindex für Frankreich, das Verbrauchervertrauen für die Eurozone, sowie wir für die USA die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, der Verkauf bestehender Häuser und der Index der Frühindikatoren.
Den Wochenabschluss bilden der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in China, den USA, die EU, sowie der belgische Geschäftsklimaindex. Natürlich darf in dieser Gemengelage nicht vergessen werden, dass auch der Rat der EZB wieder tagt (Donnerstag). Mit Verweis auf die zuletzt wieder rückläufigen Inflationsraten wurden bereits Stimmen laut, die ein noch aggressiveres Vorgehen der Euro-Zentralbank erwarten. Da aber die neuen Makro-Projektionen für die kommenden drei Jahre im Dezember verkündet werden sollen, ist kaum zu erwarten, dass EZB-Präsident Mario Draghi und seine Kollegen dem vorgreifen wollen. Was aber zu erwarten ist, ist die übliche Zentralbankrhetorik zur „Flexibilität“ des QE-Programms. Wir werden dabei allerdings nicht müde zu betonen, dass die aktuelle wie die zu erwartende Entwicklung der Verbraucherpreise ein missratenes Signal für die Geldpolitik sind, da sie von den Ölpreisen nach unten gezogen werden. Unsere Simulation der EWU-Verbraucherpreise auf Grundlage aktueller Ölpreiserwartungen (entnommen den Brent Futures-Preisen) lässt erwarten, dass sich dieses Bild zu Beginn des nächsten Jahres aufgrund von Basiseffekten dreht, was sich dann auch in unserem QE-Monitor widerspiegeln dürfte.
Damit aber würde der Handlungsdruck auf die EZB nachlassen.
Neben den Konjunkturindikatoren und der Geldpolitik fordert in der neuen Woche auch die Berichtssaison ihr Recht. Der Datenkalender füllt sich zunehmend und wird auch in Europa gewichtiger. Unter die Schwergewichte bei jenen Unternehmen, deren Gewinne vom dritten Quartal anstehen, mischen sich dabei so einige sehr konjunktursensible Werte.
Der Auftakt nahm bisher nicht den glücklichsten Verlauf, allerdings ist Raum für positive Überraschungen gegeben. Besonders die Berichte für europäische Unternehmen sollten positive Impulse liefern. Die Marktentwicklung der letzten Tage erinnert an einen technisch getriebenen Markt, der auch vor dem Hintergrund der hohen Leerverkaufsquote (der höchsten seit 2008) gesehen werden muss, die zu starken Short-Eindeckungen in der vorherigen Woche führte. Dies bedarf mittelfristig der fundamentalen Unterfütterung, damit die Aktienseite zwischenzeitliche Terraingewinne festigen oder gar ausbauen kann. Das wäre auch eine gute Startbedingung für die Jahresendrallye. Unsere Experten unter den „Technikern“ weisen darauf hin, dass z.B. der S&P 500 eine kurzfristige Bodenbildung ausweist, mit dem Potential nach oben auszubrechen.
Alles in allem ist zu erwarten, dass Gewinne und EZB den Verlauf der nächsten Woche treiben und auch Vorwände für Nachkäufe auf der Aktienseite liefern.
Stunden des Investors wünscht Ihnen,
Hans-Jörg Naumer Global Head of Global Capital Markets & Thematic Research