Allianz | Frankfurt, 04.12.2015.
Was tun, um die eigene Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen? In einem Umfeld, in dem die Fiskalpolitik vor allem in den Industriestaaten ausgeschöpft ist? Und in dem strukturelle Reformen schwierig umsetzbar sind sowie eines langen zeitlichen Anlaufs bedürfen, bevor sie wirksam werden?
Bleibt der Wechselkurs. Die Importe des einen sind die Exporte des anderen. Wer es schafft, seinen Wechselkurs zu schwächen, darf Exportzuwächse erwarten – es sei denn, auch die Gegenseite setzt auf dieses Instrument. Da Geldpolitik in ihrer Konsequenz, ob gewollt oder ungewollt, aber immer auch Wechselkurspolitik ist, gerät die Geldpolitik schnell in die Situation eines Gefangenendilemmas.
Beim Gefangenendilemma geht es um Kooperieren oder Ausscheren zu Lasten des anderen. Die Parallelen zur Geldpolitik liegen auf der Hand. Wenn die Zentralbanken davon ausgehen, dass Abwertungswettläufe auf Dauer bestenfalls ein Null-, eher aber ein Minussummenspiel sind, ist die Empfehlung klar: am besten gar nicht erst damit beginnen. Der Nachteil ist nur: Anreize, aus diesem Stillhalten auszubrechen, gibt es immer wieder. Die anderen Zentralbanken könnten ja trotzdem länger stillhalten.
Hat der Abwertungswettlauf aber erst einmal begonnen, was argumentativ umso leichter fällt, wenn sich die Inflationsraten etwa in der Nähe der Nullgrenze oder darunter bewegen, dann ist es schwer, wieder auszusteigen. Die Zentralbanken dürften sich also dazu veranlasst sehen, die Abwertungsspirale lieber weiter nach unten zu drehen, als Gefahr zu laufen, zu früh auszusteigen und dann den hohen Preis einer Aufwertung „allein“ zu zahlen.
Das Paradigma des Gefangenendilemmas der Zentralbanken sollten nicht nur bei den über 700 Zinssenkungen, welche die Zentralbanken seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 rund um den Globus vorgenommen haben, mitgedacht werden, sondern dürfte u.a. auch die zögerliche Haltung der US-Notenbank Fed, trotz eines stabilen US-Arbeitsmarktes die Leitzinsanhebung immer weiter hinauszuzögern, erklären. Motto: Wenn eine Änderung der Geldpolitik schon sein muss, dann lieber später und lieber zögerlicher.
Zinsanhebung der Fed hin oder her, das Gefangenendilemma der Zentralbanken sollte auch im neuen Jahr nicht an Erklärungskraft verlieren – mit allen Implikationen für die Wechselkurse, für die Kapitalmärkte und sicher auch für die globale Konjunktur.
Eine Dilemmata freie neue Woche wünscht Ihnen
Hans-Jörg Naumer