Allianz | Frankfurt, 17.02.2017.
Zucker macht das Leben süß, und wer erliegt nicht regelmäßig der Versuchung von Schokolade & Co.? Man sagt Zucker nach, dem Körper schubweise Energie zuzuführen, die mitunter flüchtig ist. Was wir derzeit an den Kapitalmärkten erleben, erinnert an einen solchen kräftigen Energieschub. Die Märkte bekommen Süßigkeiten in Form von auf breiter Basis verbesserten Konjunkturdaten verabreicht, und auch neue Hoffnungen auf steuerliche Erleichterungen der US-Regierung unter Donald Trump schmecken gut. Da geraten die Sorgen zunächst in den Hintergrund. Zahlreiche Aktienindizes, vom Dow Jones über den technologielastigen Nasdaq bis hin zum deutschen Nebenwerteindex MDax, haben zuletzt neue historische Höchststän-de markiert.
Nachdem vor allem den Rentenmärkten in der Eurozone politische Sorgen zuletzt zunehmend sauer aufgestoßen waren, beruhigt sich die Lage etwas. Nach den taktischen Manövern des italienischen Ex-Premierministers Renzi erscheinen schnelle Neuwahlen in Italien über den Sommer unwahrscheinlich. Auch Befürchtungen bezüglich einer unberechenbareren US-Außenpolitik wurden zunächst zerstreut: Rund um den Staatsbesuch des japanischen Premierministers Abe bei Trump herrschte gute Stimmung. Auch das Entgegenkommen Trumps gegenüber Peking in Sachen Ein-China-Politik haben die Märkte wohlwollend aufgenommen.
Konjunkturell genießen die Kapitalmärkte gerade „la dolce vita“, das süße Leben. Nachdem das Jahr 2016 einen starken Endspurt hingelegt hat, konnten sich globale Konjunkturdaten auch zum Start ins Jahr 2017 in der Breite weiter befestigen. Die Daten in der abgelaufenen Woche haben diesen Trend grundsätzlich bestätigt, auch wenn hier und da der Zuckerguss gefehlt hat: Die Steigerung des japanischen Bruttoinlandsprodukts von 0,2% im vierten Quartal blieb leicht unter den Erwartungen zurück, ebenso wie das Q4-Wachstum in der Eurozone mit 0,4%. Trotzdem expandieren beide Regionen robust und jeweils über dem geschätzten Potentialwachstum. Einhergehend mit einem Wachstum über Potential erwarten wir, dass die Reflationie-rung der Weltwirtschaft langsam aber stetig voranschreitet. Weiter merklich gestiegene Jahresraten der Konsumentenpreisinflation in den USA und global steigende Produzentenpreise bestätigen unsere Einschätzung.
Zusätzlich können die Aktienmärkte aus der verbesserten Gewinn-dynamik Honig saugen: Die bisherige Steigerung der Gewinne in der laufenden Gewinnsaison liegt in den USA über 8%, in Europa sogar über 15% über dem Vorjahr. Auch in Japan nehmen die Gewinnschät-zungen neue Dynamik auf. Das tut gut nach der schwachen oder sogar negativen Gewinndynamik über weite Teile der Jahre 2015 und 2016. Somit steigen die Aktienmärkte wieder untermauert durch Gewinne, nicht nur über die Ausweitung von Bewertungsvielfachen.
In diesem Umfeld verliert die Geldpolitik, der unbestrittene Taktgeber der Kapitalmärkte der letzten beiden Jahre, ein wenig an Strahlkraft, bleibt aber natürlich wichtig. Die Rede der Fed-Vorsitzenden Janet Yellen vor dem Bankenausschuss des US-Senats brachte keine wesentlichen Neuigkeiten. Sie betonte die Robustheit der US-Konjunktur, die weiter vorhandene Unklarheit über die Stimulusmaß-nahmen der neuen Regierung Trump und die verstärkte Wachsam-keit der Notenbank, nicht „hinter die Kurve“ geraten zu wollen.
Wie bereits angedeutet, hält die durch zuckrige Speisen zugeführte Energie für gewöhnlich nicht ewig an. Für die kommenden Wochen wird die Anleger daher vor allem eine Frage begleiten: Wie lange können sich der konjunkturelle Schwung und die süßen Verspre-chungen der neuen US-Regierung über die im Hintergrund aufkommenden Gegenwinde hinwegsetzen? Wir behalten unsere konstruktive Sicht auf die Märkte zunächst bei, solange die Konjunk-turdynamik stimmt. Klar ist aber, dass man sich auf ein schwächeres Überraschungsmomentum bei den harten Daten einstellen sollte, wenn auch die Richtung positiv bleiben dürfte.
Bei der Beurteilung werden in der kommenden Woche vor allem
die Vorabschätzung der Einkaufsmanagerindizes für die USA und die Eurozone
sowie verschiedene Erhebungen zum Verbrauchervertrauen helfen (siehe Datenkalender).
Ein potentielles Störfeuer könnte Griechenland darstellen.
Das Treffen der Eurozonen-Finanzminister am 20. Februar stellt eine weitere Episode in der Schuldentragödie dar, in der zuneh-mend Risse zwischen den beiden großen Gläubigern IWF and Eurozone zu Tage treten.
Möge „la dolce vita“ anhalten,