SJB | Korschenbroich, 28.10.2014. Mit Scheinlösungen und statistischen Tricks versuchen Europas Politiker das wahre Ausmaß der Schuldenkrise zu verschleiern, sagt Holger Schmitz, Vorstand von Schmitz & Partner. Und das auf dem Rücken der Sparer.
Um das wahre Ausmaß der Schuldenkrise im Euroraum zu verschleiern, ist den verantwortlichen Politikern offenbar jedes Mittel recht – da wird auch schon einmal zum sprichwörtlichen Zauberstab gegriffen. Ein aktuelles Beispiel liefert das im September eingeführte Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 2010). Indem alle Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter Anwendung zumindest zweifelhafter Kriterien rückwirkend ab 1991 nach oben revidiert wurden, hat man quasi über Nacht allein für Deutschland 80 Milliarden Euro herbeigerechnet.
Fortan weist man die gesamte Wirtschaftsleistung 3 Prozent höher aus. Laut Schätzung aller EU-Länder wird das BIP-Niveau in der EU auf diese Weise um durchschnittlich 2,4 Prozent steigen
Dabei geht es gar nicht um die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes. Ziel ist einzig und allein die Schuldenquote als Quotient aus Schulden (Zähler) und nominalem Bruttoinlandsprodukt (Nenner) zu senken, indem man einfach den Nenner erhöht.
Statt wirksame Maßnahmen zur Senkung der Schuldenquoten zu ergreifen, wird hier ganz offensichtlich Schönrechnerei betrieben – die Schuldenkrise lässt sich jedoch nicht einfach wegrechnen.
Das Bruttoinlandsprodukt rechnerisch anzuheben ist nur eine der zu kritisierenden Maßnahmen. Auch die lockere Geldpolitik ist Mittel zum Zweck. Die Niedrigzinspolitik ist dabei nur das Symptom einer viel wesentlicheren Ursache – dem Ungleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen.
Denn statt zu investieren wird konsumiert. Die Folge ist eine viel zu hohe Staatsverschuldung. Die Politik wird sich das jedoch nicht eingestehen und versucht andere Schuldige zu finden oder notwendige Konsequenzen aus der Misere – wie zum Beispiel einen unvermeidbaren Schuldenschnitt – möglichst lange hinauszuzögern.
Griff in die Taschen der Sparer kein Tabu mehr
Der direkte Zugriff auf das Vermögen der Sparer stand bei der Bewältigung der Schuldenkrise lange Zeit nur als unvorstellbare Drohkulisse im Raum. Mittlerweile ist diese Form der Enteignung Realität.
Spanien erhebt rückwirkend zum 1. Januar eine Sparersteuer in Höhe von 0,03 Prozent auf das Sparguthaben seiner Bürger. Mit den Einnahmen sollen jedoch Schulden beglichen werden – in Madrid geht man von Einnahmen in Höhe von etwa 400 Millionen Euro aus.
Nachdem Zypern im letzten Jahr eine sogenannte einmalige fiskalische Maßnahme durchgeführt hat, bei der Guthaben über 100.000 Euro um mindestens 20 Prozent vermindert wurden, legt Spanien damit eine weitere Blaupause zur Schröpfung der Sparer vor.
Doch dabei soll es nicht bleiben: Die Politik und auch Institutionen wie der Internationale Währungsfonds oder die Europäische Zentralbank haben bereits verschiedene Ideen vorgestellt, wie auf Sparvermögen zugegriffen werden könnte, um damit Schuldenberge abzubauen.
Wir vermissen einen wahrnehmbaren Aufschrei in Öffentlichkeit und Medien: Offenbar erfüllen die beruhigenden Worte der Politik ihren Zweck. Dabei sollten sich die Sparer bewusst machen, dass potenziell jede Bankeinlage gefährdet ist.
Vorschläge, die sogar eine Abschaffung des Bargelds vorsehen – was einer staatlichen Erfassung nahezu aller Vermögenswerte darstellen würde – sind längst mehr als reine Vision.
Die Europäische Zentralbank verzeichnet bei den Banken in der Euro-Zone Kundeneinlagen in Höhe von über 8 Billionen Euro. Eine Summe, die nahezu alle Staatsschulden der Währungsunion abdecken würde.
Dass hier Begehrlichkeiten seitens der Politik geweckt sind, verwundert wenig. Solange die Guthaben auf Konten im Euroraum liegen, können hoch verschuldete Staaten leicht darauf zugreifen. Solche zuvor noch unpopulären Entscheidungen erscheinen mittlerweile politisch durchsetzbar.
Trügerische Sicherheit festverzinslicher Anlagen
Mit der schleichenden Enteignung ihrer festverzinslichen Vermögensanlagen scheinen sich viele Sparer bereits abgefunden zu haben. Zum einen werden die Zinssätze unter die Inflationsrate manipuliert, zum anderen ein höheres Inflationsniveau angestrebt.
Zwar sind die Realzinsen dann negativ, doch eine Entwertung der Staatsschulden findet nominal so nicht statt. Stattdessen verlieren Ersparnisse an realer Kaufkraft. Festgeld und Staatsanleihen stehen beim Sparer unverständlicherweise noch immer für Sicherheit. Sicher ist jedoch nur, dass das Vermögen dabei kontinuierlich an Wert einbüßt.
Statt diese Entwicklung hinzunehmen, sollten sich Sparer fragen, welches Risiko sie eingehen möchten: Den realen Wertverlust oder die Schwankungen des Aktienmarktes? Die Antwort liegt nach unserer Ansicht auf der Hand, denn niemand verliert gerne sein Vermögen: Um den realen Wert des Vermögens zu erhalten führt am Aktienmarkt derzeit kein Weg vorbei.
Auch wenn Kurse schwanken können, so bleibt doch die Beteiligung an einem realen Unternehmen. Zahlreiche Anleihegläubiger verzeichnen derzeit reale Verluste. Mit Blick auf die schleichende Enteignung, aber auch auf staatliche Zugriffsmöglichkeiten, sind Aktien als eine Form der Krisenwährung anzusehen.
Die Politik dürfte es sich sehr wohl überlegen, bevor sie durch staatlichen Zugriff die Aktie als wichtiges Finanzierungsinstrument der Unternehmen schwächt und dadurch deren wirtschaftliche Entwicklung und die des eigenen Landes gefährdet.
Zudem liefert ein Aktienengagement langfristig die höchste Rendite. Je länger die Haltedauer von Aktien oder Aktienfonds, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass der Anleger mit seinem Engagement einen Vermögensverlust erleidet – und das ist statistisch nachweisbar.
Einstiegszeitpunkt und Schwankungsrisiken langfristig zu vernachlässigen
Aktien oder Aktienfonds sind perspektivisch insbesondere für Sparer mit einem langfristigen Anlagehorizont am besten geeignet, dem aktuellen Marktumfeld aus manipulierten Zinsen, künstlich hochgerechneten Bruttoinlandsprodukten und der Gefahr staatlicher Zugriffe auf Spareinlagen zu entkommen.
Dabei ist das Schwankungsrisiko im Vergleich zum Verlustrisiko als geringer zu bewerten. Die potenzielle Angst der Sparer vor Aktienanlagen ist selbst durch eine Korrektur, wie wir sie im Oktober gesehen haben, fundamental nicht zu erklären.
Seit der Einführung vor 26 Jahren kennt der deutsche Leitindex Dax nur eine Richtung: Nach oben. Auch die Suche nach dem „richtigen Einstiegszeitpunkt“ halte ich für einen zu vernachlässigenden Einwand: Wer kann denn mit Sicherheit sagen, dass ein Kurs fallen wird oder eine Aktie bereits ihren Höchststand erreicht hat?
Wissenschaftlich belegbar ist weder das eine noch das andere. Belegbar ist dagegen der langfristige Aufwärtstrend der Aktienmärkte.
Von: Holger Schmitz
Quelle: DAS INVESTMENT.