SJB | Korschenbroich, 10.02.2015. Knackt der Ölpreis die 100-Dollar-Marke noch dieses Jahr? 2016? Oder erst noch später? Vermögensverwalter geben Antwort und verraten, auf welche Investments Anleger jetzt setzen sollten. In den vergangenen Monaten brach der Ölpreis ein. Am 27. November des vergangenen Jahres tagte die Opec, die Organisation der führenden Erdöl exportierenden Länder.Überraschenderweise konnten sich die Mitglieder nicht auf eine Drosselung der Öl-Fördermenge einigen und beließen die Obergrenze bei rund 30 Millionen Barrel (159 Liter) Öl pro Tag.Und das, obwohl der Ölpreis zuvor in nur wenigen Monaten um über 30 Prozent von 106 auf rund 74 US-Dollar pro Barrel gefallen war.
Seitdem fiel er um weitere 15 Prozentpunkte auf rund 55 Dollar das Barrel (Stichtag: 18. Dezember 2014).Auch 2015 ging der Preisverfall weiter – bis zu einem Tief unter 46 Euro pro Barrel im Januar. Zum Monatswechsel nahm er dann wieder etwas Fahrt auf, zeigt sich jedoch weiterhin nicht stabil. So fiel der Ölpreis Mitte dieser Woche nach einem Wochenhoch von gut 89 Euro pro Barrel wieder auf 44 Euro. Doch wie geht es mit ihm weiter.
?Philipp Vorndran, Chefstratege von Flossbach von Storch
„Uns würde es nicht überraschen, wenn sich die Notierungen in den kommenden 24 Monaten zwischen 35 und 65 US-Dollar bewegen würden“, sagt Philipp Vorndran, Chefstratege von Flossbach von Storch. „Der Ölpreis könnte sehr viel länger niedrig bleiben, als viele das heute vermuten.“ So habe Ali al Naimi, Ölminister Saudi-Arabiens, sogar kürzlich behauptet, die Welt würde nie wieder einen Ölpreis von 100 Dollar sehen, erklärt Vorndran.
„Die beste Möglichkeit für Anleger, von den niedrigen Preisen zu profitieren, besteht derzeit darin, den Tank seiner Ölheizung aufzufüllen“, rät der Chefstratege von Flossbach von Storch.
Dirk Arning, Geschäftsführer von Drescher & Cie
„Wir gehen für 2015 lediglich von einer Stabilisierung und einem Jahresdurchschnittspreis von rund 50 Dollar pro Barrel aus“, sagt Dirk Arning, Geschäftsführer von Drescher & Cie, zum Ölpreis. „Für 2016 rechnen wir dann mit einer Annäherung in Richtung der 100-Dollar-Marke, der Gleichgewichtspreis dürfte allerdings auch 2016 noch unter 100 Dollar liegen.“
Anlegern empfiehlt Arning zu indirekten Investments, also Aktien von Unternehmen, die von höheren Ölpreisen profitieren würden. „Gegenüber eher konservativen Aktien der großen Ölkonzerne haben kleinere Dienstleister und Explorer eine Hebelwirkung“, so der Geschäftsführer von Drescher & Cie weiter. „Neben aktiv gemanagten Energiefonds kommen Indexfonds in Frage, beispielsweise ein ETF auf den europäischen Branchenindex Stoxx Europe 600 Oil & Gas – zum Beispiel von Comstage oder iShares – oder auf den World Energy Index – zum Beispiel db x-trackers oder Lyxor.“
Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen
„Wir sehen die Entwicklung in den nächsten Monaten schwankend zwischen 40 und 60 US-Dollar pro Barrel und erst gegen Jahresende mit einem Anziehen der Nachfrage auch darüber hinausgehend“, sagt Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen, zur Entwicklung des Ölpreises. „Ein starker Anstieg ist unserer Ansicht nach unwahrscheinlich, da dies erst durch die künstliche Verknappung der Förderung zustande käme.“
Urban rät Investoren, in Ölförderer zu investieren und nicht in Öl direkt. „Dadurch haben Sie einen Risikopuffer nach unten und gute Unternehmen mit hohen Dividendenausschüttungen“, so der Vorstand der Bayerische Vermögen weiter. „Wegen der Korrelation vom Rohölpreis und der Entwicklung des US-Dollar sollten Dollar-Aktien nicht bevorzugt werden, da sonst der Gewinn im Kurs durch einen Währungsverlust vernichtet werden könnte.“ Risikofreudigen Anlegern empfiehlt er die OMV-Aktie. „OMV ist ein grundsolides Unternehmen, welches zwar zusätzlich zum niedrigen Ölpreis mit einigen operativen Problemen – Vorstandsfrage und Ausfälle in Libyen – zu tun hat, ist aber gleichzeitig gut aufgestellt und extrem unterbewertet“ erklärt Urban. „Weitere Kaufkandidaten sind ENI und Total.“
Außerhalb des Euros rät er zu Statoil oder Royal Dutch Shell. Bei Fonds könnten Anleger zum BGF World Energy oder Lyxor ETF Stoxx Europe 600 Oil & Gas greifen. „Der Markt für Ölunternehmen ist starken Schwankungen unterworfen, das sollten sich Investoren immer bewusst sein“, warnt Urban jedoch. „Von gehebelten Produkten auf das Rohöl raten wir ab, da die Schwankungen im Ölkurs traditionell hoch sind und der Anstieg noch dauern könnte.“
Arnim Kogge, Geschäftsführender Gesellschafter Vertiva
„Die 100-Dollar-Marke ist in weiter Ferne“, sagt Arnim Kogge, Geschäftsführender Gesellschafter Vertiva, zum Ölpreis. „Mittelfristig ist aber durchaus wieder mit einem Preis zwischen 70 bis 80 Dollar zu rechnen.“
Anleger sollten sich mit Branchen und Sektoren beschäftigen, die vom stark gefallenen Ölpreis profitieren, rät Kogge. „Dies sind die Automobilindustrie, die Basischemie, der Bergbau und der Logistiksektor.“ Auf steigende Ölnotierungen sollten Anleger lieber nicht setzen. „Bei Investmentfonds sollten diejenigen gewählt werden, die sich in den Ländern, die davon profitieren, bewegen“, so der geschäftsführender Gesellschafter von Vertiva weiter. „Zum Beispiel Nettoexporteure von Rohöl wie Sri Lanka, Bangladesch, Kenia und Nigeria.“
Michael Thaler, Top Vermögen
„Obwohl die Terminkurve für Öl für die nächsten Monate steigende Kurse anzeigt, bin ich eher Mr. Doom für den Ölpreis“, sagt Michael Thaler, Top Vermögen. „In Cushing wird so viel Öl gelagert, wie die letzten 30 Jahre nicht.“
Thaler rät Anlegern aktuell zunächst zur Norwegischen Krone, zweite Wahl seien ausgewählte westliche Ölkonzerne mit wichtigen Produktionsstätten im Golf von Mexiko. „Langfristig gefällt mir die Lieferkette um Elektroautos am Besten“, so Thaler weiter. „In Deutschland haben Elektroautos keine Chance, alleine der Staat wird nicht auf die sprudelnden Einnahmen aus der Mineralölsteuer verzichten wollen.“ In China sei das anders. Hier gebe die Bekämpfung des Smog in den Städten den Elektroautos eine echte Existenzberechtigung.
„Von direkten Investitionen in den Ölpreis rate ich derzeit noch ab, da die Terminkurve bei gleichbleibenden Ölpreisen zu empfindlichen Verlusten führt“, sagt Thaler. „Umgehen lässt sich dies nur, wenn man bereit ist, dass Öl, zum Beispiel in schwimmenden Öltankern zu lagern.“ Dann würden die täglichen Charterraten die meisten Anleger aber wohl finanziell überfordern.
Von: Annika Teerling
Quelle: DAS INVESTMENT.