Die Steuerung des Ölpreises erfolgt nahezu ausschließlich über die Angebotsseite. Und da scheint das Überangebot mittelfristig abzunehmen. Anleger könnten daher in stark gefallenen Anleihen von Energiekonzernen eine attraktive Beimischung fürs Depot finden. Eine Einschätzung von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen.
Die Erfahrung zeigt, dass die Nachfrage nach Öl relativ preisunelastisch ist. Wenn die Ölproduzierenden Länder den Ölhahn aufdrehen, dann kann die steigende Nachfrage das Überangebot nie ausgleichen.
Eine fiskalpolitische Katastrophe
Doch der Förderwettstreit zwischen den OPEC-Staaten, Russland und den USA scheint in die finale Phase zu kommen. Auch wenn die Förderkosten für einige Staaten im Mittleren Osten und in Nordafrika teilweise noch unter dem aktuellen erzielbaren Preis für den Energierohstoff liegen, so braucht man dort doch Preise von weit über 55 Dollar pro Fass, um zumindest einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu erzielen. Für die meisten OPEC-Mitglieder ist der aktuelle Rohölpreis von rund 31 Dollar eine fiskalpolitische Katastrophe.
Förderung höchst unrentabel
In den USA hat die Ölförderung den Spitzenwert der 1970er Jahre wieder erreicht. Viel Geld wurde in neue Bohrlöcher investiert, meist auf Pump finanziert. Beim aktuell niedrigen Preisniveau ist die Förderung höchst unrentabel. Dennoch muss man produzieren, um den Kapitaldienst erfüllen zu können. Eine Reduzierung der Förderung ist noch nicht möglich. Vielleicht wird die Pleite eines großen Unternehmens den Schlusspunkt des Preisverfalls darstellen. Bleibt der Preis so tief, wird man Bohrlöcher schließen müssen. In den USA kommen aktuell keine neuen Bohrlöcher im Bereich Fracking dazu. Weltweit wurden neue Investitionen gestoppt.
Preiserholung
Nun deutet sich an, dass Nachfrage und Angebot wieder in Einklang kommen könnten: Das seit sieben Quartalen bestehende weltweite Überangebot hat sich gegenüber dem Höhepunkt bereits verringert. Die meisten Experten glauben deshalb an eine Preiserholung in der zweiten Jahreshälfte 2016. Morgan Stanley schätzt, dass spätestens im vierten Quartal 2016 das Überangebot am Ölmarkt weiter reduziert wird. Die Nachfrage zieht preisbedingt bereits etwas an.
Für den Anleger
Ein möglicher Turnaround im Öl- und Rohstoffsektor kann mit Aktien oder mit Anleihen genutzt werden. Für den Privatanleger bleiben physische Rohstoffe als Investment langfristig zu riskant und damit ungeeignet. Rohstoffaktien, die zuletzt im Kurs gefallen sind und eine stabile Dividende zahlen, könnten wieder interessant sein. Aber aufgepasst, Dividendenkürzungen sind wahrscheinlich. Wobei Anleihen vielleicht sogar attraktiver sind als manche Ölaktien. Denn viele internationale Unternehmen aus diesem Bereich sind hochverschuldet, weshalb ihre Anleihen deutlich unter Druck geraten sind. Mittlere Laufzeiten bringen deshalb hohe Renditen. Die Emittenten beginnen mit Maßnahmen, ihre Kreditqualität über Kapitalmaßnahmen oder striktes Kostenmanagement deutlich zu verbessern.
Anleger können über Mischfonds, die in diesem Bereich Anleihen halten, Positionen aufbauen. Nur der risikobereite Anleger darf Direktinvestments in Anleihen von Energie- und Rohstofffirmen wagen. Die Dosis – sprich: der Depotanteil – macht auch hier das Gift.
Von: Gottfried Urban
Quelle: DAS INVESTMENT.