Seit Anfang November 1998 schon managt Tom Stubbe Olsen den Nordea European Value Fund – so viel Kontinuität gibt es in der Fondsbranche selten. Im Interview mit DER FONDS sagt der Value-Veteran, was den Klassiker in seinen Augen auszeichnet und wie er derzeit positioniert ist.
DER FONDS: Wie beurteilen Sie derzeit die europäischen Aktienmärkte im Vergleich zu anderen Börsen?
Tom Stubbe Olsen: Im weltweiten Vergleich schneidet Europa gut ab. Vor allem sieht die Bewertung von europäischen Aktien besser aus als am US-Markt. Sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Erträge profitieren vom niedrigen Euro und von niedrigeren Energiepreisen, weil Europa ein Netto-Importeur von Öl ist. Hinzu kommt, dass die EZB ihr Programm zur quantitativen Lockerung noch für mindestens ein weiteres Jahr fortführen wird.
Welche Länder und Branchen favorisieren Sie derzeit?
Als Stockpicker investieren wir in keine bestimmten Länder oder Sektoren. Wir mögen grundsätzlich Unternehmen, die an der Börse in Ungnade gefallen sind. Ein aktuelles Beispiel dafür sind Aktien aus dem Energie- und Rohstoff-Sektor. Es gibt dort zurzeit einige interessante Entwicklungen, die die Ertragskraft dieser Unternehmen in naher Zukunft positiv beeinflussen werden. Die Erdölindustrie wird aktuell von strukturellen Veränderungen geprägt. Dadurch verschieben sich die Ertragskräfte innerhalb der Wertschöpfungskette. Wir finden das interessant.
Was ist mit ähnlich unbeliebten Märkten wie Griechenland oder Osteuropa?
Das sind alles ziemlich enge und illiquide Märkte. Mit Griechenland etwa haben wir uns zwar schon näher befasst, aber nie etwas gekauft.
Gibt es Sektoren, die Sie momentan meiden?
Das sind ganz allgemein Bereiche, die sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt haben und dadurch sehr hoch bewertet sind. Dazu gehören derzeit die meisten Hersteller von Basiskonsumgütern. Diese Unternehmen waren während der fallenden Märkte beliebt bei Investoren und haben nun ein sehr hohes Niveau erreicht.
ETFs etablieren sich mehr und mehr – alternativ rückt aber auch die Kennziffer Active Share in den Vordergrund. Warum sollten Anleger aktiv gemanagte Fonds bevorzugen?
Es gibt einen sehr klaren Grund, einem tüchtigen aktiven Manager sein hart verdientes Geld anzuvertrauen. Bevor wir das Geld des Kunden investieren, bewerten wir das Risiko, dass das Kapital verloren geht. Ein ETF kümmert sich nicht darum, was er kauft, und er macht keine Risikobewertung vor Beginn der Investition. Für die meisten Menschen ist Geld nur bedingt ersetzbar. Deshalb ist es unser erstes Ziel, dieses Geld vor einem dauerhaften Kapitalverlust zu schützen.
Sie managen den European Value Fund von Nordea bereits seit 17 Jahren, soviel Kontinuität gibt es selten. Was macht Ihren Erfolg aus?
Unsere grundlegende Überzeugung ist, dass Aktienkurse langfristig von den Unternehmenserträgen getrieben werden. Daher verbringen wir einen Großteil unserer Zeit damit, die Nachhaltigkeit der Ertragskraft der Unternehmen zu bewerten. Dieser Fokus auf die Geschäftsentwicklung und unser langfristiger Anlagehorizont erlauben es uns, Aktien zu kaufen, wenn sie aus der Gunst anderer Investoren herausfallen, um sie dann drei bis fünf Jahre lang zu halten. Wenn es überhaupt so etwas wie ein Erfolgsgeheimnis gibt, dann machen unser fundamentaler Investmentansatz und unsere disziplinierte Ausführung dieses Ansatzes über lange Jahre den Unterschied.
Funktioniert der von Ihnen verfolgte Value-Ansatz in Europa besonders gut? Der auf Asien fokussierte Nordea-Far Eastern Value Ihrer ehemaligen Kollegin Jaqueline Chen wurde bereits vor Jahren umstrukturiert, und auch Gregg Powers war mit dem Nordea North American Value nur zeitweise erfolgreich.
Ja, wir denken, dass Value in Europa besonders gut funktioniert. Wir haben seit 1998 gute und weniger gute Zeiten erlebt, aber wir haben unseren Investmentansatz weder verbogen noch verändert. Und das gibt es an den Finanzmärkten heute nur noch ganz selten oder gar nicht.
GRAFIK: Nordea 1 – European Value Fund AP – EUR
Von: Sven Stoll
Quelle: DAS INVESTMENT.