Das Investment: Niedrigzinsumfeld: Stehen Bruttobeitrags-Garantien in der Lebensversicherung vor dem Aus?

sjb_werbung_das_investment_300_200Eine Lebensversicherung ohne Garantie? Eigentlich undenkbar – zumindest noch vor einigen Jahren. Doch im aktuellen Nullzinsumfeld scheint es an der Zeit, sich von diesem lieb gewordenen Merkmal in der Altersvorsorge zu verabschieden.

Norbert Porazik ist sauer. Der Chef des Maklerpools Fonds Finanz regt sich über den Gesetzgeber auf. Genauer gesagt über die Entscheidung des Bundesfinanzministeriums, den Höchstrechnungszins für neu abgeschlossene Lebensversicherungen zum 1. Januar 2017 von jetzt 1,25 auf dann nur noch 0,9 Prozent herunterzuschrauben. Auf Facebook schreibt Porazik: „Lieber Gesetzgeber, wenn du den Garantiezins auf 0,9 Prozent senkst, dann musst du auch die Bruttobeitragsgarantie in der Riester-Rente abschaffen, oder kannst du nicht rechnen? Gerne rechne ich es dir bei Gelegenheit vor. LG, Dein Norbert.“

Der Facebook-Post vom Fonds-Finanz-Chef ist eine herrliche Zusammenfassung dessen, was Versicherer und Vertriebler gerade umtreibt. Die Kapitalmarktzinsen sind niedrig, daher muss auch der Garantiezins sinken. Der vom Bundesfinanzministerium vorgegebene Satz orientiert sich nämlich an der Umlaufrendite zehnjähriger Bundesanleihen, und die befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Momentan liegt sie bei 0,03 Prozent. Die niedrigen Zinsen beeinflussen aber nicht nur die Höhe des Garantiezinses. Alle Produkte, die eine Garantie bieten – auch Fondspolicen also – sind betroffen.

Überschüsse sinken

Bei der klassischen Lebensversicherung garantieren die Anbieter ihren Kunden eine Mindestrente, die sie ihr Leben lang bekommen. Dazu fließt der Kundenbeitrag nach Abzug der Kosten in das Sicherungsvermögen des jeweiligen Versicherers. Er legt das Geld am Kapitalmarkt an und verspricht, jedes Jahr den Garantiezins zu erwirtschaften. Weil die Anbieter vom Gesetz her dazu angehalten sind, das ihnen anvertraute Geld vorsichtig anzulegen, wandert das meiste davon in festverzinsliche Wertpapiere. Macht der Anbieter seine Sache gut, erwirtschaftet er Überschüsse, die die garantierte Rente aufpeppen.

Wegen der niedrigen Kapitalmarktzinsen fällt es den Versicherern aber immer schwerer, jedes Jahr aufs Neue diesen Satz zu erwirtschaften. Schließlich gibt es selbst auf Unternehmensanleihen mittlerweile negative Zinsen. Hinzu kommt, dass die Versicherer für Bestände mit höheren Garantiezinsen – in der Spitze liegen sie bei 4 Prozent – Reserven bilden müssen. Seit 2011 hat die Branche hierfür bereits mehr als 30 Milliarden Euro zurückgelegt, in diesem Jahr kommen wohl weitere 12 Milliarden hinzu.

Nicht selten müssen die Anbieter dabei höher verzinste ältere Wertpapiere verkaufen und das frei gewordene Geld dann zu schlechteren Konditionen wieder anlegen. Das ganze System beschleunigt also die Spirale der abnehmenden Renditen für den Kunden. Viele Versicherer empfehlen die klassischen Policen deshalb schon selbst gar nicht mehr. Und auch Berater werden wohl Schwierigkeiten damit haben, die Klassiker loszuwerden, wenn man in Zukunft nicht mal mehr ein Prozent garantierte Rendite versprechen kann.

Keine jährliche Zinsgarantie mehr

Um die Garantie zu lockern und mehr Spielraum bei der Kapitalanlage zu schaffen, haben die Versicherer mittlerweile eine Reihe von Produkten der „Neuen Klassik“ auf den Markt gebracht. Eine häufige Eigenschaft ist, dass sie auf die jährliche Zinsgarantie verzichten. „Dennoch haben die Produkte nach wie vor eine garantierte Ablaufleistung, etwa in Höhe der Bruttobeiträge, sowie eine garantierte Rente“, sagt Alexander Kling, Partner am Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften in Ulm.

Als Ausgleich für die niedrigere Garantie versprechen die Versicherer eine höhere Überschussbeteiligung als bei den Klassikern – bei Allianz Perspektive sollen es etwa 0,3 Prozentpunkte mehr sein pro Jahr. Alternativ gibt es bei manchen Produkten die Möglichkeit, an einem Index zu partizipieren. Bei letzterer Produktgattung haben Kunden jedes Jahr die Wahl zwischen der normalen Überschussbeteiligung und der Wertentwicklung eines ausgewählten Index, etwa des Dax oder des Euro Stoxx 50.

Weit verbreitet am Markt sind auch die dynamischen Hybride. Es gibt sie in zwei Varianten, die sich vor allem in der Zahl der eingesetzten Töpfe unterscheiden, zwischen denen hin und her geschichtet wird. Beiden gemein ist das Sicherungsvermögen des Versicherers, der die Garantie der Beiträge gewährleistet. In der Zwei-Topf-Variante wird dieses mit einem Fondstopf kombiniert, den der Kunde aus dem Angebot des Versicherers zusammenstellen kann.

Barwert der Garantie ist entscheidend

Der Drei-Topf-Hybrid schaltet zwischen die Töpfe noch einen Wertsicherungsfonds, der in sich die Garantie bietet, dass der Fondswert innerhalb eines Monats um maximal 20 Prozent sinkt. Das erreicht er, indem er etwa zwischen Aktien und Anleihen hin- und herschichtet. Die Verteilung über die jeweiligen Töpfe überprüft der Versicherer täglich für jeden einzelnen Kunden.

Was ist nun aber bei diesen Produkten das Problem? Egal ob Bruttobeitragsgarantie oder Wertsicherungsfonds: Je niedriger die Zinsen sind, desto mehr Kapital muss bei sonst gleichen Bedingungen in das Sicherungsvermögen beziehungsweise die sichere Komponente innerhalb des Wertsicherungsfonds fließen, um die Garantie auch zu stellen. Versicherer orientieren den Anteil, der in das konventionelle Sicherungsvermögen investiert werden sollte, am sogenannten Barwert der Garantie.

Ihn errechnet man, indem man den Wert, den die Garantie am Ende der Ansparphase haben muss, mit dem Rechnungszins abdiskontiert. So wissen die Anbieter, wie hoch der Anteil im Deckungsstock sein muss, um den Garantiewert zu erreichen. Wenn man statt mit 1,25 Prozent nur noch mit 0,9 Prozent rechnen darf, muss der sichere Anteil steigen.

Renditekiller Garantie

„Garantien sind angesichts der niedrigen Zinsen schlicht zu teuer“, sagt Mark Ortmann, Geschäftsführer des Instituts für Transparenz. „Schon immer waren Garantien Renditekiller. Aber heute kämpfen Versicherer mit den niedrigen Zinsen, um nur die Beiträge zu garantieren.“ Daher stünden auch alle Garantiemodelle, bei denen zumindest eine Beitragsgarantie gegeben wird, derzeit unter Beobachtung.

Auch Alexander Kling pflichtet dem Trend der Überarbeitung von Garantien bei: „Die Hauptfrage wird bleiben, ob und für welche Laufzeiten eine Bruttobeitragsgarantie noch darstellbar ist.“ Beide halten dabei Anlagestrategien für interessant, die Verluste vermeiden wollen, ohne eine harte Garantie auszusprechen.

Ein Beispiel hierfür sind etwa Fonds, die bestimmte Volatilitäts-Korridore haben. Ortmann: „Es werden klare und realistische Ziele für eine Wertsicherung definiert. Dabei setzen die Anbieter alles daran, dieses Ziel einzuhalten. Aber im schlimmsten Fall kann es dazu kommen, dass ein Ziel auch mal nicht erreicht wird.“ Das scheint in Zeiten des Nullzinsumfelds einfach die neue Normalität zu sein.

Von: Karen Schmidt

Quelle: DAS INVESTMENT.

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