Wie weit die Gesetzgeber derzeit mit Mifid II sind und wie es weiter geht, erklärt Markus Lange, Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG
Die EU Kommission hat im April und Mai die lange erwarteten „Delegierten Rechtsakte“ zur Konkretisierung von MiFID2 und MiFIR vorgelegt. Mit einer Delegierten Richtlinie vom 7. April 2016 und einer Delegierten Verordnung vom 25. April 2016 wurden wesentliche Bestimmungen der MiFID2 ausgeformt. Eine weitere Delegierte Verordnung vom 18. Mai 2016 enthält konkrete Einzelheiten zu Vorgaben der MiFIR. Neben einigen Aspekten der Marktinfrastruktur und Markttransparenz sind damit insbesondere die wesentlichen Anlegerschutzthemen im Detail behandelt worden.
Das Europäische Parlament hat jeweils die Möglichkeit, zu dem betreffenden Rechtsakt innerhalb von drei Monaten Einwände zu erheben oder sich auch weitere drei Monate zur Prüfung auszubedingen. Mit Blick auf die den Veröffentlichungen vorausgegangenen längeren Diskussionen zwischen den EU Institutionen erscheint es derzeit eher unwahrscheinlich, dass es noch zu einem weiteren Aufschub oder inhaltlichen Kontroversen kommt. In wenigen Wochen werden wir insoweit mehr wissen.
Auf dem sog. Level 2 stehen damit (nur) noch weitere Einzelheiten hinsichtlich der künftigen Rahmenbedingungen für die Marktinfrastruktur und Markttransparenz aus. Die entsprechenden Technischen Standards werden derzeit von der EU Kommission fertiggestellt, wobei die ESMA zum Teil Nachbesserungen an den geleisteten Vorarbeiten vornehmen musste. Aufgrund der auch insoweit verursachten weiteren Verzögerung wird die Veröffentlichung dieser Dokumente in den nächsten Wochen erwartet.
Für die in der eingangs erwähnten Delegierten Richtlinie näher geregelten wichtigen Anlegerschutzthemen Product Governance sowie Anreize (Zuwendungen) bedarf es jetzt noch der Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber. Im Hinblick auf alle anderen einschlägigen Themen, d.h. insbesondere Compliance, Vergütungsgrundsätze, Interessenkonflikte, Kundeninformationen, Kostentransparenz, unabhängige Anlageberatung, Geeignetheit/Angemessenheit/Execution-only, Reportingpflichten gegenüber Kunden, Best Execution, Aufzeichnungspflichten oder Product Intervention, enthalten die vorliegenden beiden Delegierten Verordnungen unmittelbar anwendbare Regeln, deren Inhalt sich (vorbehaltlich der erwähnten noch andauernden Prüfung durch das Europäische Parlament) nicht mehr ändern wird und auf die sich die betroffenen Marktteilnehmer jetzt konkret einstellen können und sollten.
Darüber hinaus gehende Konkretisierungen sind auf dem sog. Level 3 durch die ESMA (etwa in Form von Leitlinien oder Frage- und Antwortkatalogen) möglich und zum Teil auch bereits erfolgt. Hier sind zu erwähnen die bereits vorliegenden Leitlinien zu Kenntnissen und Kompetenzen (deutsche Übersetzung vom 22. März 2016), die Leitlinien zu komplexen Schuldtiteln und strukturierten Einlagen (deutsche Übersetzung vom 4. Februar 2016) und die Guidelines on cross-selling practices (vom 22. Dezember 2015, deutsche Version steht noch aus). Diese zusätzlichen Vorgaben muss die BaFin in ihre Aufsichtspraxis übernehmen oder der ESMA mitteilen, warum sie davon absehen möchte („comply or explain“).
Seit einigen Monaten wird parallel zu den inhaltlichen Konkretisierungsarbeiten eine Diskussion über die Verschiebung des Anwendungszeitpunktes von MiFID2 und MiFIR, und damit zusammenhängend aller einschlägigen Level 2- und Level 3-Regeln, geführt. Notwendige praktische Umsetzungsarbeiten insbesondere im Zusammenhang mit neuen Anforderungen an Handels- und Transaktionsdatenmeldungen und insoweit aufzubauende Infrastrukturen haben es als unvermeidbar erscheinen lassen, insoweit eine einjährige Verschiebung auf den 3. Januar 2018 zu bestimmen.
Damit einhergehen soll eine entsprechende Verschiebung auch des Stichtages für die nationale Umsetzungsgesetzgebung auf den 3. Juli 2017. Nachdem die EU Kommission zunächst nur eine Verschiebung des Anwendungszeitpunktes vorgesehen hatte, scheint nach einiger Diskussion nun eine Einigung mit dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat (d.h. den Mitgliedstaaten) dahin gefunden zu sein, dass beide zentralen Zeitpunkte um ein Jahr hinausgeschoben werden. Die rechtsförmliche Bestätigung (Änderungsrichtlinie bzw. –verordnung) steht derzeit aber noch aus.
Schließlich wird ein neuer Entwurf für ein deutsches Umsetzungsgesetz (soweit erforderlich, wie vorstehend erläutert), voraussichtlich als „Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz“ (2. FimanoG), nach der Sommerpause 2016 erwartet, also möglicherweise im September 2016. Inwieweit sich die in dem im Oktober 2015 vorgelegten Referentenentwurf zum „FimanoG“ enthaltenen Umsetzungsvorschriften auch im 2. FimanoG wiederfinden werden, bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber wird insoweit vor allem die zwischenzeitlich veröffentlichten Delegierten Rechtsakte berücksichtigen müssen, sei es als ebenfalls umzusetzende (Richtlinien-)Vorgaben oder als unmittelbar gültige und nicht mehr umsetzungsbedürftige (Verordnungs-)Vorschriften.
In diesem Zusammenhang wird man auch darauf gespannt sein dürfen, ob der deutsche Gesetzgeber die optionale Ausnahme für Finanzanlagenvermittler (die MiFID2 grundsätzlich nach wie vor vorsieht) beibehält (gemäß FimanoG-Entwurf von Oktober 2015 wäre das – jedenfalls implizit – der Fall gewesen), und wenn ja, welche Vorschriften der MiFID2 er als „entsprechend anwendbar“ (etwa gemäß zu novellierender FinVermV) vorsehen wird. Die MiFID2 enthält hierzu (anders als die bislang geltende MiFID) einige spezielle Vorgaben, beispielsweise was Interessenkonflikte, Product Governance, Informationspflichten, Kostentransparenz oder (Telefon-)Aufzeichnungspflichten anbelangt.
Interessanterweise fehlt in dem neuen Katalog der MiFID2 ein ausdrücklicher Verweis auf die Zuwendungsvorschrift für die nicht-unabhängige Anlageberatung oder das beratungsfreie Geschäft, so dass die andauernde Diskussion darüber, wann insoweit künftig realistischerweise noch von einer „Qualitätsverbesserung“ der Dienstleistung für den Kunden ausgegangen werden kann, Finanzanlagenvermittler nicht notwendigerweise betreffen müsste. Dies gilt sowohl für Vertriebs- als auch für Bestandsprovisionen. Die im WpHG auch bisher schon grundsätzlich geregelte Anforderung an die Qualitätsverbesserung findet sich in der Parallelvorschrift der geltenden FinVermV auch aktuell nicht.
Von: Markus Lange
Quelle: DAS INVESTMENT.