Das Investment: Mifid II – diese Herausforderungen und Chancen birgt der Regelkatalog für Berater

Die Finanzmarktrichtlinie Mifid II hat weitreichende Folgen für den Vertrieb von Finanzprodukten. Wie Vermittler sich darauf einstellen, aber auch welche möglichen Vorteile sie aus den neuen Regelungen ziehen können, erklärt Yasmin Zarabi, Rechtsexpertin beim Anbieter für Digital-Marketing Hearsay Systems.

Am 3. Januar 2018 sollen die Regelungen der Finanzmarktrichtlinie Mifid II in Kraft treten. Sie sollen die Transparenz der Märkte verbessern, nationale Gestaltungsspielräume begrenzen und den Investorenschutz merklich stärken. Sekundäres Ziel ist zudem, Geschäftsmodelle branchenweit anzupassen und so den Wettbewerb zu stärken. Durch eine Vereinheitlichung soll die Integration des gesamteuropäischen Finanzmarktes vorangetrieben werden. Finanzdienstleister, Anlagevermittler und Wertpapierhändler stellt die Richtlinie allerdings vor einige Herausforderungen.

Das Hauptaugenmerk bei den Veränderungen von Mifid II im Vergleich zur Vorgänger-Richtlinie von 2007 liegt neben dem verstärkten Schutz von Investoren und Anlegern auf der sogenannten Product Governance. Strengere Regeln zu digitaler Kundenkommunikation, Offenlegung und Transparenz sollen dafür sorgen, dass Unternehmen und Dienstleister Produkte möglichst genau auf das Kundenprofil abstimmen.

Zudem spielen die Faktoren Eignung und Zweckmäßigkeit (Suitability and Appropriateness) zukünftig eine größere Rolle. Hier sei vor allem auf Artikel 25 der neuen Richtlinie hingewiesen. Er legt fest, wie Firmen die „Eignung und Zweckmäßigkeit“ ihrer Produkte für den jeweiligen Kunden sowie die „Kenntnisse und Kompetenzen“ ihrer Mitarbeiter, die im Kundenkontakt stehen, sicherstellen müssen. Bereits dieser Punkt scheint auf den ersten Blick allerdings schwer umsetzbar, sowohl für den Gesetzgeber, als auch vor allem für Firmen.

Um Mifid II umzusetzen, passt der Gesetzgeber in Deutschland unter anderem das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und das Kreditwesengesetz (KWG) an. Der Schutz von Investoren und Anlegern ebenso wie Transparenz und Aufbewahrungspflichten sind in deutschen Gesetzen bereits relativ strikt verankert. Daher hat Mifid II hierzulande wohl hauptsächlich Auswirkungen auf Product Governance sowie Eignung und Zweckmäßigkeit – nicht nur auf die Gesetze, sondern auch auf die internen Strukturen in den Finanzunternehmen.

Damit diese nicht in größere Probleme geraten, sollten sie an vier Punkten anzusetzen und konkrete Schritte unternehmen. Diese Punkte sind:

Richtlinien & Schulungen
Content
Überwachung sowie
Buchführung und Archivierung der elektronischen Kommunikation.
Alle vier haben zumindest zum Teil eine technische Komponente, denn die meisten Aspekte lassen sich mit einer entsprechenden Kommunikationsplattform umsetzen.

1. Richtlinie und Schulungen

Artikel 16 und 45 von Mifid II geben bereits vor, dass Unternehmen angemessene Personalschulungen anbieten müssen, damit Mitarbeiter die Neuregelungen verstehen können. Darüber hinaus müssen Unternehmen ein Protokoll über die Kontrollen und Entwicklungen führen, die im Rahmen der Richtlinie durchgeführt werden. Das für Richtlinien und Schulungen zuständige Team sollte Mitglieder aus den Bereichen Recht, Wirtschaft und Technik heranziehen. Diese sollten die Mitarbeiter über die Unterschiede zwischen Mifid und Mifid II unterrichten. Gerade der letzte Punkt ist enorm wichtig. Die meisten anderen Kernpunkte von Mifid II können heute mit entsprechenden IT-Lösungen abgedeckt werden.

2. Content

Artikel 13 und 24 erfordern, dass digitale Marketinginhalte eines Unternehmens fair, eindeutig und nicht irreführend sind. Damit Unternehmen durch ihre Mitarbeiter ausschließlich überprüfte und genehmigte Inhalte verbreiten, ist eine entsprechende Kommunikationsplattform empfehlenswert. In diese könnten Inhalte zentral und von allen wichtigen Stellen freigegeben eingespeist werden. Artikel 25 sieht außerdem wie oben erwähnt vor, dass Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Kunden genau kennen sollten, um angemessene Produkt- oder Dienstleistungsempfehlungen geben zu können. Dieses Bemühen könnte mit Hilfe eben jener Compliance-Technologie bewältigt werden.

Im Idealfall bauen sich Finanzunternehmen bereits im Vorfeld in enger Zusammenarbeit zwischen Vertrieb, Marketing und der Rechtsabteilung eine Content-Bibliothek auf. Aus dieser können Berater dann sicher und effektiv ihre Inhalte schöpfen. Auch hierfür gibt es bereits Lösungen, die alle gängigen elektronischen Kommunikationswege – von E-Mail über SMS bis hin zu Social-Media-Kanälen – abdecken.

3. Überwachung

Artikel 16 fordert ein solides Überwachungssystem. Es sollte sicherstellen, dass die digitale Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden stets angemessen und im besten Interesse des Kunden ist. Zuerst sollten Unternehmen ihre Datenerfassung bewerten, um jeden Vorgang und jede technologische Lücke zu identifizieren.

Unternehmen sollten zudem Lösungen heranziehen, die verschiedene Arten der Überwachung zulassen – abhängig von der Art des Inhalts und des digitalen Kanals. Moderne Lösungen geben beispielsweise automatisch Hinweise, wenn Berater bestimmte Begriffe wie etwa „Garantie“ oder „Gewinn“ verwenden. Entsprechende E-Mails oder Social-Posts können so noch einmal gegengelesen und gegebenenfalls geändert werden. Sie helfen auch unangebrachte Begrifflichkeiten zu vermeiden, die dem Unternehmen in der Öffentlichkeit schaden könnten.

4. Buchführung & Archivierung

Schließlich sind Unternehmen nach Artikel 16 und 69 verpflichtet, jegliche elektronische Kommunikation zu dokumentieren. Das betrifft auch persönliche Nachrichten, E-Mails und SMS. Auf diese Weise sollen mögliche Interessenkonflikte erfasst werden. Die Protokolle sollten leicht zugänglich sein und dem Kunden für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren, den Aufsichtsbehörden sogar für einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren zur Verfügung stehen.

Es ist ratsam, Kommunikation einheitlich zu erfassen. So müssen bei einer Überprüfung nicht die Daten verschiedener Endgeräten zusammengefügt werden. Auch hier sind entsprechende Software- und Hardware-Lösungen das Mittel der Wahl: Sie stellen einerseits ein System bereit, das diese Vorgaben erfüllt. Zum anderen schaffen sie eine Hardware-Grundlage, auf der die Daten sicher und langfristig gespeichert werden können.

Fazit
Durch die Umstellung auf Mifid II und die damit einhergehende Implementierung einer technologischen Lösung eröffnen sich auch zahlreiche Vorteile: Vereinheitlichte EU-Regelungen eröffnen völlig neue Wege beim grenzüberschreitenden Handel und bei multinationalen Partnerschaften. Gerade grenzüberschreitend wird die Kommunikation via E-Mail, soziale Netzwerken und Messaging-Dienste immer mehr an Bedeutung gewinnen – sowohl zu Marketingzwecken, zur Akquise neuer Kunden und Partner als auch für kontinuierlichen Support und um neue Investment-Möglichkeiten anzubieten.

Alle Ressourcen sollten zentral zur Verfügung gestellt werden. Sie sollten auch mit internationalen Teams abgestimmt und sprachlich eindeutig sein: Kein Berater kann es sich erlauben, durch sprachliche Missverständnisse rechtliche Probleme zu bekommen. Hier bieten sich vorgefertigte und nur minimal individualisierbare Textbausteine für E-Mail, SMS und soziale Netzwerke an – aus stilistischer und praktikabler Sicht ebenso wie zu Compliance-Zwecken und der Rechtssicherheit im Rahmen von Mifid II.

Die Autorin
Yasmin Zarabi ist Vizepräsidentin für Recht und Compliance bei Hearsay Systems. Sie bringt über 17 Jahre Erfahrung im Bereich Unternehmensrecht mit und hat einen J.D. der Golden Gate Univerisity und einen BA der University of California.

Quelle: DAS INVESTMENT.

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