Das Jahr 2016 ist erst einige Wochen alt und von den Marktteilnehmern werden viele Themen kritisch betrachtet. Ein mögliches „Hard Landing“ in China, eine Zentralbankpolitik die ihresgleichen sucht (siehe vorherige DNB Insights), eine europäische Flüchtlingskrise und nicht zuletzt ein massiv gefallener Ölpreis. Über all diese Themen ist allerdings eines in Vergessenheit geraten. Sehr wenige Marktteilnehmer sprechen aktuell von der europäischen Staatsschuldenkrise und deren Lösung. Im Gespräch mit meinem finnischen Kollegen und Senior Portfolio Manager Mikko Ripatti (auch DNB Asset Management S.A.) habe ich die aktuelle wirtschaftliche Lage in Finnland diskutiert.
Finnland, unser skandinavischer Nachbar und ein Mitglied der Eurozone hat 5,4 Mio. Einwohner, ein BIP von 272 Mrd. USD und eine Exportquote von ca. 40%. Die größten Außenhandelspartner sind Schweden, Deutschland und Russland.
Doch aktuell stehen in Finnland alle Zeichen auf Rezession, Finnland hat an vielen Fronten mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen. In erster Linie hat Finnland die Finanzkrise von 2008/2009 bis heute nicht ausreichend bewältigt, konstatiert Mikko Ripatti. Während zum Beispiel Schweden die Wirtschaftsleistung des Vorkrisenniveaus bereits 2011 überschritten hat, hat Finnland weiterhin mit steigenden Arbeitslosenzahlen und einem 9% schwächeren BIP zu kämpfen.
Die Gründe dafür liegen zum einen im Niedergang von Nokia, dem einst führenden Handy-Konzern der zu besten Zeiten rund 5% von Finnlands BIP ausmachte, zum anderen im Rückgang der Papierindustrie, die mit den Folgen der Digitalisierung zu kämpfen hat. Hinzu kommen die von der EU verschärften Handelssanktionen gegen Russland, die insbesondere Finnland sehr treffen. Mikko erwähnt mehrere asymmetrische Schocks, die gerade auf Finnland einwirken und die eine hohe strukturelle Arbeitslosigkeit zur Folge haben.
Als Mitglied des Euros ist Finnland an die Gemeinschaftswährung gebunden und kann nicht auf Schützenhilfe von außen hoffen, so wie Finnland es in den 90er Jahren schon mal getan hat. Denn in dem Währungsverbund können die einzelnen Mitglieder ihre Währung nicht abwerten, um komparative Vorteile gegenüber anderen Währungen zu erlangen, die Exportindustrie zu stützen und die heimische Wirtschaft zu fördern in dem Importe teurer werden.
Finnland wird aktuell als der neue kranke Mann Europas bezeichnet, ein Vergleich mit Deutschland in den späten 90ern und frühen 2000er Jahren liegt auf der Hand und ist für Mikko Ripatti offensichtlich. Zur damaligen Zeit verlor Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit, kurze Zeit darauf wurde der Euro eingeführt und eine Abwertung der eigenen Währung war dann nicht mehr möglich. Ähnlich wie Deutschland damals muss Finnland heute diese Abwertung intern durchführen. Interne Abwertungen sind in der Regel schmerzhafte Prozesse, da sie nur über drastische Lohnsenkungen zu gestalten sind. Lohnsenkungen führen meist zu internen politischen Konflikten da die Bevölkerung sofort und direkt von ihnen betroffen ist. Meistens fehlen dafür die Bereitschaft und das Verständnis, so dass der Prozess der internen Abwertung langwierig und schmerzhaft ist.
Deutschland hat mit Hilfe der großen Gewerkschaften und einer von der breiten Bevölkerung akzeptierten Notwendigkeit diesen Weg erfolgreich bewältigt. Eventuell sind der aktuelle Premierminister Juha Sipilä und seine Regierung die ersten, die wirklich bereit sind die Probleme anzugehen. Insbesondere die gesunkene Wettbewerbsfähigkeit zu den skandinavischen Nachbarn sieht Mikko Ripatti als ein Hauptproblem an.
Finnland steht aktuell am Anfang dieses Weges, die Konjunkturprognosen für die kommenden Jahre sind mehrfach gesenkt worden.
Während die skandinavischen Nachbarn Schweden und Norwegen die Folgen der Finanzkrise 2008/2009 inzwischen überwunden haben und weiter wachsen, sieht sich Finnland vielen Problemen gegenüber.
Allerdings, und das ist mittelfristig positiv, kann Finnland von der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank profitieren. Neue Staatsschulden können günstig aufgenommen werden, niedrige Zinsen sorgen zumindest für eine sich nicht weiter zuspitzende Lage.
Was für ein Land positiv ist muss für andere EU-Länder nicht zwangsläufig positiv sein. Ein zu niedriger Zentralbankzins der EZB sorgt für Preisblasen an vielen Märkten und für einen beispiellosen Immobilienboom, zum Beispiel in Deutschland. Und hier zeigt sich auch ein großer Konstruktionsfehler einer gemeinschaftlichen Währung. Aufgrund der Heterogenität der vielen Wirtschaftsräume ist es praktisch unmöglich einen für alle Länder optimalen Leitzins festzusetzen.
Wie bereits vorher diskutiert (siehe DNB Insight Januar) sehen sich viele Zentralbanken gezwungen ihre Zinsen zu senken. Doch der Kern des Problems bleibt davon unberührt. Die angesprochene interne Abwertung ist schmerzhaft, langwierig und politisch sehr schwer zu vermitteln.
In Finnland sowie in einigen südeuropäischen Mitgliedsländern der EU wird die nachteilige Wirkung einer Gemeinschaftswährung in einem großen, aber sehr heterogenen Währungsraum gerade deutlich sichtbar.
Mein Kollege Mikko Ripatti und ich stimmen jedoch in einem Punkt völlig überein: Investoren können und sollten aber nicht auf skandinavische Anlagen verzichten, im Gegenteil. Die beiden Nachbarn Schweden und Norwegen haben eigene Währungen und können somit extern auf- oder abwerten. Aktuell sind die norwegische und schwedische Krone zum US Dollar sowie zum Euro sehr günstig bewertet. Die wirtschaftlichen Aussichten für beide Länder sind durchaus positiv (siehe DNB Insight Dezember 2015), wir erwarten eine Erholung des Ölpreises und somit sollte insbesondere Norwegen auf den alten Wachstumspfad zurückkehren.
Ich danke Mikko für seine Erläuterungen zu seinem Heimatland Finnland.
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